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Landeshauptstadt: Mit den Ohren sehen

Professor Marianne Vater erklärt, warum Fledermäuse auch mit verbundenen Augen fliegen können

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Alljährlich im Herbst besuchen rund 2000 Mädchen und Jungen die Vorlesungen der Potsdamer Kinderuni. In den PNN gibt es jetzt die Vorträge von Wissenschaftlern der Universität Potsdam zum Nachlesen. Heute erklärt die Biologin Prof. Marianne Vater, wie sich Fledermäuse in der Dunkelheit orientieren.

Wer sie flattern sehen will, muss lange wach bleiben. Erst wenn die Sonne untergegangen ist, wagen sich Fledermäuse aus ihren Verstecken: aus alten Gemäuern, hohlen Bäumen und verlassenen Dachböden. Scheinbar lautlos segeln sie dann durch die Nacht. Das ist geisterhaft und ein wenig unheimlich. Dabei machen Fledermäuse in Wirklichkeit ein tierisches Geschrei. Nur können wir Menschen das nicht hören. Kein einziger Ton dringt an unser Ohr, weil die fliegenden Säugetiere im sogenannten Ultraschallbereich rufen. Erst wenn man ihre Laute aufzeichnet und dann in Zeitlupe wieder abspielt, werden sie für uns hörbar.

Solche technischen Hilfen benötigen die Fledermäuse natürlich nicht. Ihre stets auf Empfang gestellten Ohren funktionieren dreimal besser als die des Menschen. Und das müssen sie auch, denn Fledermäuse sehen quasi mit den Ohren. Sie brauchen sie, um sich zu orientieren. Würde man ihnen beim Fliegen die Augen verbinden, wäre das für die Flattertiere kein Problem. Sie können ohnehin nur schwarz-weiß sehen. Ohne ihr Gehör jedoch würden sie sich im Dunkeln verirren und auch nichts zu fressen finden.

Wenn Fledermäuse zu ihrem Ausflug starten, stoßen sie ihre Rufe in die Nacht. Treffen die Schallwellen der Laute auf einen Gegenstand, werden sie als Echo zurückgeworfen. Auf diese Weise können die Fledermäuse das Hindernis rechtzeitig orten und an ihm vorbeisegeln. Oder aber sie steuern es direkt an. Denn mit ihrem ausgeklügelten Echosystem fangen Fledermäuse des Nachts auch ihre Beute. Das sind meist Insekten, die sich durch leises Rascheln beim Rumkrabbeln verraten. Hufeisennasenfledermäuse können sogar am Flügelschlag eines Insekts erkennen, um welche Art es sich handelt.

Diese Fähigkeit ist keineswegs angeboren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein Fledermausjunges hierzu eine gewisse Lehrzeit benötigt. Ganz allmählich entwickeln sich Ohrmuschel, Innenohr und Gehirn, bis das Jungtier in der Lage ist, aus den Echos seiner Rufe und Pfeiftöne ein Hörbild entstehen zu lassen. Biosonarsystem nennen das die Fachleute. Es ist das perfekteste, das die Forscher kennen. Und deshalb interessieren sie sich so brennend dafür, wie es funktioniert.

Andere Rätsel um die fliegenden Nachtgestalten sind hingegen längst gelöst. So weiß man, dass Fledermäuse ihre zwischen den riesigen Fingern gespannte Flughaut nicht nur zum Fliegen, sondern auch zum Insektenfang benutzen. Wie einen Kescher. In den kalten Monaten, wenn sie Winterschlaf halten, falten sie ihre Flügel dann wie Regenschirme zusammen. Sie senken ihre Körpertemperatur auf 10 Grad Celsius ab und atmen mitunter nur einmal pro Stunde. Hängend mit dem Kopf nach unten benötigen die Fledermäuse kaum Energie. Sie müssen sich nicht einmal festhalten. Eine Zehenzange rastet allein durch das Körpergewicht ein. Mit dieser kraftsparenden Lebensweise können sie sehr alt werden. Der Rekord liegt bei 41 Jahren. Für solch kleine Tiere ist das enorm.

Jetzt im März erwachen die einheimischen Fledermäuse allmählich aus ihrem Winterschlaf. Hier in Potsdam kann man sie bald wieder flattern sehen, an der Friedenskirche zum Beispiel und am Schloss Charlottenhof, aber auch an Hochhäusern, wo sie sich tagsüber gern hinter den Betonplatten verstecken. Wer sie beobachten möchte, sollte sie nicht mit der Taschenlampe erschrecken. Oftmals fliegen sie selbst zum Laternenlicht, um dort Motten und Mücken zu fangen.

Angst, dass sie gefährlich werden und Blut saugen könnten, braucht niemand zu haben. Unter den fast 1000 Fledermausarten gibt es weltweit nur sehr wenige Vampire. Und die leben in Südamerika. Auf keinen Fall aber sollte man die unter Naturschutz stehenden Flattertiere anfassen. Sie sind verletzbar und wehren sich mit ihren Zähnen. Wie andere Tiere auch können sie dabei Krankheiten übertragen. aufgeschrieben von

Antje Horn-Conrad

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