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Homepage: Mit der Dampflok nach Brandenburg

Der Weg zum Studienort an der Pädagogischen Hochschule Potsdam gestaltete sich 1958 recht umständlich. Von Josef Drabek

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Josef Drabek, 1939 in Böhmen geboren, studierte von 1958 bis 1962 an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, dem Vorläufer der heutigen Potsdamer Universität. Das Studium schloss er als Fachlehrer für Deutsch und Geschichte ab. Derzeit schreibt Drabek seine Erinnerungen „Von Böhmen nach Brandenburg. Wege zwischen Weltkrieg und Wende“ auf, deren erster und zweiter Teil vorliegt. Der dritte Teil zu Brandenburg beginnt mit der Studienzeit, Auszüge daraus erscheinen in den kommenden Monaten in den PNN.

Gegen Ende des verordneten praktischen Jahres hatte mir die Pädagogische Hochschule „Potsdam-Sanssouci“ mitgeteilt, dass – entgegen des Vorimmatrikulationsbescheids – alle vorgemerkten Oberschullehrerstudenten „nur für die Mittelschullehrerausbildung (Unterrichtsbefähigung bis zur 10. Klasse)“ zugelassen werden. Laut beigefügten Hinweisen sollte die Immatrikulation am Donnerstag, dem 4. September 1958, zwischen 9 und 16 Uhr im Hörsaal II des Hauptgebäudes stattfinden. Mangels genauer Kenntnis der Bahnstrecke und Fahrtdauer nach Potsdam sowie der Örtlichkeiten reiste ich vorsichtshalber schon Mittwoch an, um am kommenden Tag rechtzeitig erscheinen zu können.

Also machte ich mich am Mittwochmorgen mit einem Pappkoffer in der Hand aus dem Elternhaus in Stößen in Sachsen-Anhalt auf den Weg geradewegs Richtung Norden. Der dampfbetriebene Personenzug fuhr über die Bezirksstadt Halle, das chemiedunstige Bitterfeld überquerte die Elbe und hielt in der Lutherstadt Wittenberg. Dort musste ich erneut umsteigen und gelangte schließlich nach Passieren des Flämingortes Zahna auf brandenburgisches Gebiet. Über das seit 1952 verwaltungsmäßig nicht mehr existierende Land – es war in die Bezirke Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus aufgeteilt worden – hatte ich einiges von meinem Vater erfahren. Während der letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges war er als Wehrmachtssanitäter im Raum zwischen Elbe und Havel stationiert gewesen. Dort hatte er auch das Lied „Märkische Heide“ kennengelernt. Das von den Nazis vereinnahmte und umgeschriebene Heimatlied, das Gustav Büchsenschütz 1923 für eine Wandervogel-Gruppe verfasst hatte, war nach dem Krieg natürlich verpönt. Trotzdem haben wir das Lied später als Studenten, wenn auch mit schlechtem Gewissen, hin und wieder gesungen.

Nun war ich in dem Brandenburg angekommen, das ich zuvor nur aus Erzählungen kannte, nun hatte ich nach Böhmen und Sachsen-Anhalt meine dritte und, damals noch nicht absehbar, letzte Heimat erreicht.

Der Weg durch Brandenburg gestaltete sich recht umständlich, über Jüterbog, Treuenbrietzen und Beelitz. Der genaue Streckenverlauf ist mir zwar nur noch nebulös in Erinnerung, aber irgendwie kam ich nachmittags am Bahnhof Wildpark an, der als „Hofstation“ entstanden und als „Kaiserbahnhof“ bekannt geworden war. Allerdings konnte ich nicht an diesem aussteigen, weil er ebenso abgedankt hatte wie sein kaiserlicher Bauherr und nun der Transportpolizei als Domizil diente. Der Ausstieg war am gegenüber gelegenen „Bürgerbahnhof“ mit dem gelb geklinkerten Fachwerkbau und der auch von Studenten gern besuchten Gaststätte.

Vor dieser stand ich nun recht ratlos und wollte mit meinem schweren Koffer gerade zur Hochschule aufbrechen. Da erahnte ein mitdenkender Anwohner meine Situation und schickte mich intuitiv zur Forststraße, die den Forst Wildpark westlich begrenzt und seit 1945 so heißt. Dazu sollte ich aber nicht die an den sowjetischen Kasernen vorbei führende Straße benutzen, sondern den links abbiegenden kürzeren und ruhigeren Fußweg durch die Kleingartenanlagen nehmen. Das tat ich auch und stand bald vor dem vorderen der beiden Mitte der 1950er-Jahre erbauten Studentenheime mit der Nummer 44-46, welches sich als das für mich zutreffende erweisen und vier Jahre lang mein Potsdamer Zuhause sein sollte.

Fortsetzung folgt

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