Landeshauptstadt: Mit der Tarantella in den italienischen Himmel
Im Süden wird Mariä Himmelfahrt als Familienfest gefeiert und Potsdams Italiener wollen den Brauch auch hier ansiedeln
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Im Süden wird Mariä Himmelfahrt als Familienfest gefeiert und Potsdams Italiener wollen den Brauch auch hier ansiedeln Von Hella Dittfeld Bornstedter Feld - Potsdam wird oft um sein italienisches Flair beneidet und nun bekommt die Stadt einen neuen typisch italienischen Tupfer hinzu: Mariä Himmelfahrt. Der Kalender legt sie auf den 15. August fest. In Italien ist das ein Feiertag und „ferragosto“ ein Fest für die ganze Familie. Der Inhaber des Cafés am (Volks-)Park im Bornstedter Feld, Mario Giordano, will ferragosto nach Potsdam bringen, Jahr für Jahr, und gestern wurde der Anfang gemacht. Rund um den Wasserspielplatz sollte es italienisch aussehen, riechen und schmecken und das ganz familienfreundlich. Dazu waren rot-weiß gewürfelte Tischdecken an einer insgesamt 25 m langen Tafel aufgedeckt worden, es gab italienisches Essen von Delikatessen wie Trüffel über Pasta und Pizza bis zum Knüppelkuchen und natürlich Weinspezialitäten und Amaretto, aber auch Kaffee, Bier und Brause. Es waren Verkaufsstände aufgebaut, die beiden Potsdamer Italien-Vereine Il Ponte und La Piazza zeigten Flagge und ein buntes Programm war angekündigt. Nur das Wildschwein am Spieß war zuvor durch brandenburgische Wälder getrabt. Und das alles ausgerechnet an einem Montag, denn Himmelfahrt der Gottesmutter wechselt mit dem Datum die Wochentage. Und im protestantischen oder vielfach sogar atheistischen Brandenburg ist Mariä Himmelfahrt natürlich kein Feiertag. Außerdem ballte sich über dem Volkspark eine dicke deutsche Wolke zusammen und hätte die Skeptiker zusätzlich bestärkt, dass Potsdam eben doch nicht in Italien liegt, wenn Ja, wenn Italien und ganz speziell auch Mario Giordano nicht so viele Freunde in Potsdam hätten. So war nicht nur das Mandolinen-Orchester Rheingold Berlin 1915 angereist und zirpte drauflos, dass allen ganz italienisch ums Herz wurde. Magherita d` Amelio ließ ihre jungen Tarantella-Tänzer mit den Kastagnetten klappern, die Tamburins schlagen und die Röcke schwingen. Die Tanzlehrerin aus Apulien lebt seit 17 Jahren in Berlin und vermisst manchmal schon das südliche Flair. „Aber in Potsdam weniger“, sagt sie von der Atmosphäre im Volksparks mitgerissen. Der römische Trüffelhändler Leandro Puglielli kommt dagegen nur zum Handeln nach Deutschland. In Italien, sagt er, könne man sich ferragosto gar nicht ohne Familientreffen, Grillpartys, Musik und Tanz vorstellen. Die Römer würden dazu gern ans Meer oder in die Berge fahren, wenn sie es sich leisten können. Apropos fahren: Ganz unmotorisiert kam auch das Fest am Wasserspielplatz nicht aus. Kay Dechring aus Berlin-Zehlendorf hatte Vespas aus drei Jahrzehnten ausgestellt. „Das ist ein Fahrzeug für den gebildeten Mittelstand“, meinte er. Natürlich würde die Vespa auch im Stadtverkehr rollen, aber im Grunde sei sie ein Statussymbol und eine Erinnerung an all die Prominenten, die mit ihr durch die italienischen Meisterwerke der Kinematographie gerollt seien. Und während der Kinderzirkus Montelino auftrat, eine Schuhmodenschau lief und die Musik spielte, füllte sich der Platz um das Wasserbecken mehr und mehr. Das Kinderprogramm wurde durch eine Modenschau für die Erwachsenen abgelöst, Starbariton Thomas Wittig sang Opernarien und die Besucher wurden immer italienischer. Besonders die, die schon den dritten Amaretto hoben. „Wir“, sagte die schwarzhaarige glutäugige ganz italienverdächtige Dame auf Nachfrage freundlich, „lieben Italien und kommen aus der Ukraine.“
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