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Von wegen Rentnerrad. Im Radhaus in Potsdam werden jetzt sogar Mountainbikes, Falträder und Rennräder mit Elektro-Antrieb angeboten. Die Stadt Potsdam lobt die E-Bikes als umweltfreundliche Alternative zum Auto und will Radschnellwege bauen.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Mit eingebautem Rückenwind

Immer mehr Potsdamer fahren E-Bikes. Die Stadt prüft den Bau von Radschnellwegen und einer Fahrradstation am Hauptbahnhof

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Wohnen immer mehr Sport-Radler in Potsdam? Angesichts der wachsenden Zahl von Fahrradfahrern, die mit fast 30 km/h durch die Stadt zischen, könnte man sich diese Frage schon stellen. Der Grund ist natürlich ein anderer: E-Bikes, also Fahrräder mit Elektromotor-Unterstützung, erfreuen sich in der Landeshauptstadt immer größerer Beliebtheit. „Ja, es fängt jetzt an – besonders im Potsdamer Umland sind Elektrofahrräder definitiv im Kommen“, sagt Peter Weis, Sprecher der Kleinmachnower Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).

Lange Zeit galten E-Bikes in Deutschland eher als „Rentnerrad“. Das war gestern, weiß Stephanie Engler, Geschäftsführerin des Radhauses Potsdam, einem der größten E-Bike-Händler vor Ort: „Anfangs hatten wir wirklich mehr Ältere unter den Käufern, doch mittlerweile sind es immer mehr Jüngere ab 30 Jahren aufwärts.“ Darunter seien vor allem Berufstätige, welche die Räder mit dem eingebauten Rückenwind zum Pendeln benutzen: „Viele haben natürlich im Büro keine Duschmöglichkeit, möchten nach einer Radfahrt aber nicht verschwitzt zur Arbeit kommen“, sagt Engler. Ein weiterer Grund für den wachsenden Erfolg der E-Bikes ist die gewachsene Auswahl: Auch Mountainbikes, Falträder und sogar Rennräder gibt es nun mit Elektromotor.

Doch nicht nur Berufspendler haben das E-Bike für sich entdeckt: „Die zweite Gruppe, die wir beobachten, sind Mütter mit Kinderanhängern, die ja relativ schwer sein können“, sagt Engler. Auch Radreisen per E-Bike würden immer häufiger gebucht, da mit den Elektrorädern Distanzen von bis zu 150 Kilometern pro Tag bewältigt werden können. „Klassisch“ seien laut Engler außerdem Ehepaare, bei denen der Mann sportlicher sei als die Frau, beide aber gemeinsam fahren möchten: „Dann kauft sich der Mann das Fahrrad und die Frau das Elektrorad.“ Allgemein würden aber genauso viele Männer wie Frauen Elektrofahrräder kaufen, sagt Engler.

Das Radhaus hat seit fünf Jahren Elektrofahrräder im Sortiment: „Anfangs war das noch sehr exotisch und die Kunden eher vorsichtig, aber heute haben wir im Stückverkauf Steigerungsraten von 40 bis 50 Prozent pro Jahr.“ Genaue Zahlen über die Verbreitung von E-Bikes in Potsdam liegen nicht vor, allerdings verkauft das Radhaus laut Engler jährlich zwischen 300 und 400 Elektrofahrräder. Pro Jahr erwerbe etwa ein Prozent der Potsdamer ein Elektrofahrrad, schätzt Engler; danach dürfte die Anzahl an E-Bikes in der Landeshauptstadt bei etwa 3000 liegen, wenn man nur die letzten zwei Jahre betrachtet, in denen laut Engler der E-Bike-Trend erst richtig losgegangen sei. Deutschlandweit sind aktuell 1,3 Millionen E-Bikes unterwegs.

Auch wenn sich „E-Bike“ mittlerweile als Begriff eingebürgert hat, ist er nicht ganz korrekt: Unterschieden werden muss zwischen Pedelecs, bei denen sich der Motor nur zuschaltet, wenn man tritt, und E-Bikes, die auch ohne Pedalbetätigung fahren. „Man spricht immer von E-Bikes, aber Pedelecs werden weitaus öfter verkauft“, verrät Engler, „auch das Radhaus verkauft ausschließlich Pedelecs.“ Das könnte daran liegen, dass Pedelecs bis zu einer Motorunterstützung von 25 km/h wie ein normales Rad gefahren werden können, schnellere E-Bikes hingegen unterliegen der Helm-, Versicherungs- und Führerscheinpflicht.

Die Potsdamer Stadtverwaltung lobt Pedelecs als umweltfreundliche Alternative zum PKW. Man sei daran interessiert „die Verbreitung von Elektromobilität so weit wie möglich zu unterstützen“, so Stadtsprecher Markus Klier. Derzeit wird eine Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag gegeben, welche den Ausbau von Radschnellwegen zwischen Potsdam und Orten wie Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf oder Werder sowie dem geplanten Wohnstandort in Krampnitz prüfen soll. Erste Ergebnisse zu möglichen Längen, Streckenführungen und Kosten sollen laut Klier im Frühjahr 2014 vorliegen.

Da hochwertige E-Bikes zwischen 2000 und 2500 Euro kosten können, sind sichere Stellplätze für die Besitzer von großer Wichtigkeit. Potsdam hat keine solchen Stellplätze, die Stadtverwaltung prüft jedoch derzeit die Errichtung einer abgezäunten Fahrradstation in der Tiefgarage der Bahnhofspassagen in der Babelsberger Straße mit circa 550 Stellplätzen. Der Termin der Realisierung stehe noch nicht fest, so Klier.

Auch die Autofahrer werden sich auf die neue Situation einstellen müssen, ist sich Peter Weis sicher: „Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzen die Geschwindigkeit von Elektroradfahrern.“ Stephanie Engler empfiehlt E-Bikern daher stärker auf den Verkehr zu achten und einen Helm zu tragen. Ab 25 km/h seien Pedelec-Fahrer zudem eine Gefahr für langsamere Fußgänger, sagt Weis, da Radwege, die häufig neben dem Fußweg liegen, zu schmal für den nötigen Sicherheitsabstand seien: „Leider besteht in Brandenburg innerorts die Benutzungspflicht von Radwegen, obwohl die Gefahrenlage für die Fußgänger größer ist als für die Radfahrer auf der Straße.“

Trotz dieser Probleme dürften Elektrofahrräder weiter an Popularität gewinnen. „Gerade für ländliche Regionen, wo es kaum öffentlichen Nahverkehr gibt, wird Elektro-Mobilität von großer Bedeutung sein“, ist Weis überzeugt. Auch die Stadtverwaltung sieht Potenzial für mehr: „Fahrräder mit elektrischer Unterstützung sind – zum Beispiel als Lastenrad – auch für den Einsatz im Wirtschaftsverkehr geeignet“, sagt Markus Klier.

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