Von Friederike Sophie Foitzik: Mit Glücksboxershorts im WM-Fieber
Ausgelassen feierten die Potsdamer Fans in schwarz-rot-goldener Farbenpracht beim Public Viewing
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Gleich auf vier Bildschirmen konnten die Besucher des Walhalla gestern das Deutschlandspiel verfolgen. „Beruflich ist alles gesperrt“ so Ralph, der sich schon anderthalb Stunden vor Spielbeginn seinen Platz vor der Leinwand sicherte. Susanne aus der Runde ergänzt: „Schon vor Monaten wurden die WM-Termine eingetragen und verplant.“ Auch die amtierende Miss Brandenburg, Christin Böttcher, verfolgte das Spiel im Wallhalla-WM-Studio. „Meine WM-Ohrringe habe ich leider vergessen. Die trage ich sonst zu jedem Spiel“, sagt sie wehmütig.
Im Fernseher rollt der Ball und in den Bahnhofspassagen hängt er an der Decke. Viele schwarz-weiße Punkte und Nationalfahnen schmücken die Decke des Potsdamer Hauptbahnhofs. WM-Begeisterte können sich mit dem FIFA WM-Pokal fotografieren lassen. Leider nur eine Attrappe aus Gips, aber für zwei Euro kann jeder seine Siegerpose im Postkartenformat nach Hause nehmen. „Vorwiegend Männer und Kinder im Grundschulalter lassen sich mit der Trophäe fotografieren“, schildert Anja Roesnick schmunzelnd vom Fotostudio Maja.
In der WM-Lounge im Hauptbahnhof verfolgten Anke Nicolai und Claudia Jenzen das Spiel Südkorea gegen Griechenland am Samstag. Besonders interessiert sind sie nicht am Spiel. „Wir freuen uns auf die Spiele mit Deutschland“, sagt Anke Nicolai, deren Augen in gespannter Vorfreude strahlen. Beide Frauen sind auf die WM gut vorbereitet. Deutschlandfahnen und Hawaiiketten in schwarz-rot-gold gehören für sie zur Standartausrüstung. Stolz sind sie auf ihre T-Shirts in Nationalfarben, die sie sich extra für die WM mit ihren Namen bedrucken lassen haben. Ihr Tipp für das Deutschlandspiel: „2:1 für Deutschland natürlich“ und da ist es wieder, dieses Strahlen in den Augen.
Mit schwarz-rot-goldenem Schweißband kickt Thomas Kotsch den Ball übers Beachvolleyball-Netz im „Funfor4“ im Volkspark, während gerade das Griechenland-Südkorea-Spiel zu Ende geht. Er sei fußballbegeistert, deswegen habe er seinen heutigen Geburtstag auch unter WM-Motto gestellt. „Alle Geschenke sollten einen WM-Bezug haben“ das war sein Wunsch. Mit Hüten, Perücken, Bieröffnern und echtem lizenzierten WM-Rasen sei er jetzt auf das Deutschlandspiel gut vorbereitet. „Public Viewing ist mit Freunden sehr lässig, aber das Deutschlandspiel schaue ich morgen mit der Familie zu Hause“, so Kotsch.
Kurz vor Anpfiff des USA-England-Spiels am Sonnabend sind auf dem Freiland-Areal wenig Schaulustige zu sehen, trotz billigen Würsten, Bouletten und Bier. Eine Gruppe um Thomas und Arno erklären, warum sie sich für das Public Viewing im Freiland entschieden haben. „In Potsdam ist es der größte Platz zum gemeinsamen Fußball gucken und wir mögen die Gemeinschaft“, sagt Arno. Für die beiden ist die WM-Zeit ein Ausnahmezustand. „Die vier Wochen halte ich mit der BB-Taktik durch, Bratwurst und Bier“ sagt Thomas. „Fußball ist auch politisch. Zu Bush-Zeiten habe ich nicht für die USA gefiebert“ so Arno. Thomas erwidert: „Nein, Sport steht über den Dingen. Fußball und Sport im Allgemeinen sind unpolitisch.“ In der vierten Minute unterbricht das Gespräch für wenige Sekunden. Tor für England. Thomas jubelt, Arno ist enttäuscht. Mit ein bisschen Schadenfreude für Arno, berichtet Thomas nun von seiner ausgefallensten WM-Marotte. „Ich habe eine Glücksboxershorts, die ich zu allen Deutschland-Spielen während der WM trage.“
Bei kühlen Temperaturen ist die Sandbar in der Seerose ein guter Ort für Public Viewing. Bis auf den letzten Platz verfolgen meist Männer das USA-England-Spiel. Unter ihnen auch Gert Lenz, der sich das Spiel aus strategischen Gründen ansieht, weil er Mitglied einer Tippgemeinschaft ist. „Meine Frau interessiert sich nicht besonders für Fußball und ich schaue lieber in Gemeinschaft von Freunden und Bekannten die Spiele“ so der Potsdamer. Besonders stolz ist er auf seine Deutschland-Tischfahne im Büro. Martin und Fabian aus der zweiten Mannschaft des SV Babelsberg 03 lassen in der Sandbar ihr Saisonende ausklingen. „Als aktiver Fußballer schaut man sich die Spiele ganz anders an. Ich analysiere die Spiele um mich zu verbessern. Allerdings brauche ich dazu Ruhe. Zu Hause habe ich für die WM-Zeit einen Beamer aufgebaut. Public Viewing ist emotionaler und entspannter“ so Martin.
Auf dem Weg zum Hafthorn schlängeln sich die Fähnchenautos mit bis zu sechst schwarz-rot-goldenen Fähnlein durch die Innenstadt. Doch seit kurzem gibt es einen neuen Trend: Fähnchen am Fahrrad. Clemens aus Potsdam kam 2006 auf die Idee und fährt seitdem immer zur WM-Zeit mit zwei Flaggen am Gepäckträger. „Ich habe kein Auto, also brauchte ich eine Alternative.“ Inzwischen steht es 1:1 im Spiel England gegen USA. Das Bier von Florian neigt sich im Hafthorn dem Ende zu. Mit Public Viewing hat er noch nicht so viel Erfahrung. „Ich kann diesem Hype nichts abgewinnen. Als Fan interessiere ich mich auch außerhalb der WM-Zeit für Fußball, da brauche ich keine Fahne oder muss zu Massenveranstaltungen gehen“ so Florian.
Fazit der ersten drei WM-Tage in Potsdam: Public Viewing ist beliebt, die meisten Fans feiern lieber in Gemeinschaft.
Friederike Sophie Foitzik
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