zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Mit heißer Nadel schlampig gestrickt“

Urania-Forum „Wie teuer ist uns die Gesundheit?“/ Podium ohne Vertreter der Krankenkassen

Stand:

Urania-Forum „Wie teuer ist uns die Gesundheit?“/ Podium ohne Vertreter der Krankenkassen Angedacht war es als Gespräch zwischen Patienten und Ärzten. Fragen zur Gesundheitsreform und deren Auswirkung sollten beantwortet werden. Aber beim Urania-Forum „Wie teuer ist uns die Gesundheit?“ am Dienstagabend blieben viele Fragen offen. Vertreter der Krankenkassen waren gefragt. Doch die fehlten auf dem Podium. Sie waren nicht ins Alte Rathaus eingeladen worden. Vertreter der Zahnmedizin, der Humanmedizin sowie der Apotheken saßen auf dem blauumrahmten Podium. „Die Gesundheitsreform war nötig, um die fehlende Balance zwischen den anfallenden Ansprüchen und den hohen Kosten auszugleichen“, begann Hans-Joachim Helming, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Land Brandenburg, das Thema einzuleiten. Die Kernaufgabe der Reform sei, die Eigenverantwortung der Patienten zu fördern. In den ersten Wochen hätte sich gezeigt, dass es noch viele Stolpersteine gebe. Dennoch müsse dringend mit der Erhaltung des vorhandenen Gesundheitssystems begonnen werden. Das eingesparte Geld sichere das gute System. „Es gibt noch zu viele Lücken und falsche Prioritäten seitens des Gesetzgebers“, ergänzte Andrea Lorenz, Vorsitzende des Apothekerverbandes Land Brandenburg. Viele Patienten benötigten Medikamente, deren Kosten die Krankenkassen nicht mehr übernehmen, die die Patienten fortan selber tragen müssen. Andrea Lorenz prognostizierte, dass daher so mancher auf die gesundheitsfördernde Arzneien verzichten werde. Statt mit Verordnungen Krankheit zu verzögern, Folgeerscheinungen zu vermeiden oder gar zu heilen, „wird es nun zu drastischen Folgeerkrankungen und somit zu hohen Kosten kommen“. Die Vorsitzende des Apothekerverbandes erklärte, dass sich die Zuzahlung für Arzneimittel nicht an der Packungsgröße, sondern am Preis orientiere. Der Patient beteilige sich an den Kosten mit mindestens fünf und maximal zehn Euro. Das gelte für in der Apotheke angefertigten Rezepturen und neuerdings auch für alle Hilfsmittel wie Bandagen. Auf die Frage nach der Praxisgebühr antwortete Gerd Bundschuh, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Land Brandenburg, dass es sich um eine „Kassengebühr“ handle, die pro Quartal beim Zahnarzt, Psychotherapeuten und beim Hausarzt entrichtet werden muss, und „die vollständig weitergeleitet wird“. Ohne Überweisung werden für jeden weiteren Praxisbesuch zehn Euro erhoben. Der Zahnarzt kritisierte, dass das Gesetz „mit heißer schneller Nadel schlampig gestrickt“ wurde und viele Fragen offen lasse. Eine ältere Dame wollte wissen, wie es mit der Versicherung des Zahnersatzes für über 60-Jährige aussehe. Ab 1. Januar 2005 sind die Patienten verpflichtet, sich selbst gegen Zahnersatz zu versichern, doch sei ihr bisher jeglicher Versicherungsschutz seitens der Kassen versagt geblieben. Ratlosigkeit, dann Bundschuhs Verweis, sich an die eigene Kasse zu wenden. Wann gilt jemand als chronisch krank? Werden Fahrkosten zu Untersuchungen von den Kassen übernommen? Fragen, die das Publikum vorwiegend älteren Jahrganges beschäftigten und ohne Mitarbeiter der Krankenkassen nicht oder nur vage beantwortet werden konnten. Und die zahnärztlichen Leistungen? Bundschuh verwies auf die positiven Korrekturen. Im Januar erging der Erlass, dass für zwei Grunduntersuchungen im Jahr keine Praxisgebühr erhoben wird. „Wenn gebohrt werden muss, zahle ich sie doch“, raunte es durch den halb vollen Saal. „Zudem wird eine Zahnsteinentfernung pro Jahr von den Kassen bezahlt“, ergänzte der Mediziner. Jede weitere zahlt der Patient. Der Preis sei Verhandlungssache. Als Richtwert nannte Bundschuh einen Euro pro Zahn. Nach Hause gingen die Teilnehmer mit der Erkenntnis, dass sie mitbestimmen können, wie teuer Gesundheit ist. Aber nur, wenn sie fleißig mit Kassen und Ärzten verhandeln. Deutlich wurde, dass der Gesetzgeber vieles offen gelassen hat. Daher heißt es wohl warten, fragen und hoffen, dass alle Unklarheiten im Sinne der Patienten verändert werden. Ulrike Strube

Ulrike Strube

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })