Landeshauptstadt: Mit Messer und Mispel
Bis Sonntag werden auf der Freundschaftsinsel „Gartenschönheiten in Vasen“ gezeigt: Diesmal wird es herbstlich
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„Wie schwer die ist, fühlen Sie mal“, sagt Jörg Näthe. Vorsichtig hebt er in der geöffneten Männerhand eine Dahlienblüte, so groß wie ein Kinderköpfchen, ein paar Zentimeter in die Höhe, ein achtungsvolles Lächeln begleitet den Wiegevorgang. Dann lässt er die gelbe Pracht wieder zurück in die ihr zugedachte Position gleiten. Andreas Händel hat das üppige Arrangement geschaffen, eins von 35 „Gartenschönheiten in Vasen“, die es bis Sonntagabend im Ausstellungspavillon zu sehen gibt. Zum ersten Mal seit 15 Jahren im Herbst und nicht im Frühjahr.
Deshalb kann Andreas Händel, in Potsdams Gartenszene auch bekannt als Mister Hepatica, Experte für Leberblümchen, nicht die zarten kleinen Frühblüher ausstellen, sondern jene fetten gelben, orangen und roten Korbblütler, kombiniert mit dekorativen Gräsern. Im herbstlichen Garten dominiert jetzt im September verschwenderische Pracht. Alles wird noch einmal richtig ausgeschüttet, Farben knallen, Formen ufern aus, Früchte bilden sich heraus, bieten sich an für Mensch und Getier – eine wunderbare Schau der Eitelkeiten.
All das haben die Gärtner nun in den Ausstellungsraum auf der Freundschaftsinsel geholt. Die Urania kooperiert dazu mit dem Verein der Freunde der Freundschaftsinsel und die Blumenschau fungiert als Auftakt zum zweiten Wochenende der „Offenen Gärten“, einer Urania-Initiative. Am 3. und 4. Oktober haben wieder fast 50 Gärten in Potsdam, Berlin und Umgebung für Besucher geöffnet. „Gartenschönheiten“ bietet einen Vorgeschmack auf das, was es dann zu sehen geben könnte.
Am gestrigen Donnerstagabend wurde die Ausstellung eröffnet. Seit dem frühen Morgen waren die Hobbygärtner vor Ort, um ihr Kunstwerk zusammenzusetzen und aufzubauen. Annelies Großer hat schon Mittwochabend aus ihrem Garten in Wildpark West Milchstern und Hortensien geholt, Zierapfelzweige und Weinlaub. Ein 19-jähriger Urania-Praktikant schaut ihr dabei zu, wie aus dem Gemenge langsam ein gefälliges Arrangement wird. Großer ist seit 2002 dabei, jedes Jahr. Nur wenige Teilnehmer sind junge Leute, auch der Praktikant ist zurückhaltend. „Ach das wird schon. Man fängt klein an, kauft mal eine Blume für die Freundin, macht einen Strauß für die Mutter“, sagt Großer. Und rät, beim Floristen lieber einzelne Blumen zu kaufen und zu Hause selber fertig zu binden.
Das Interesse am Garten wächst wieder, sagt Jörg Näthe, Vereinsvorsitzender der Inselfreunde. Viele junge Leute suchen sich Gärten, wenn sie Kinder bekommen. „Und schon Carl Foerster sagte, das Gärtnern gehört zum Menschsein.“
Wie kreativ die Beschäftigung mit dem Naturmaterial ist, sieht man in der Ausstellung. Die unterschiedlichsten Gebilde sind entstanden: frische bunte Tischsträuße und überbordende Kunstwerke, in denen sich Blüten und Gehölze aller Art ineinander winden, Hagebutten und Schlehen, Feuerdorn, Hartriegel und Weißdorn, der trotz seines Namens blaue Beeren bildet. Doris Schlichter hat die seltene Mispel mitgebracht. Es geht auch humorig: Peter Herling, der noch bei Carl Foerster gelernt hat, baute ein witziges Kohl-Stillleben, rammte Wiegemesser und historisches Besteck in die Gemüseköpfe. Daneben steht ein Kunstobjekt von Rainer Sperl – eine seltsame fleischfressende Pflanze. Das bleibt aber die Ausnahme, in der Regel sind die herrlichsten Blumen zusammengestellt. Und weil es besser zum Herbst passt, nicht in schmucken Vasen, sondern grobem Bauernsteinzeug. Und selbst eine Gugelhupf-Form kann man mit Blumen bestücken.
Ex-Inselgärtner Näthe hat sich für Sonnenblumen aller Größe und Reifegrade entschieden, darunter Exemplare, an denen schon die Vögel gepickt haben. Wer nun selber Lust auf Herbstliches aus der Natur bekommen hat, muss sich nur umsehen, sagt Näthe, Zieräpfel zum Beispiel gibts ja jetzt überall. Nur Gartendenkmalpfleger Felix Merk dämpft etwas: „Wer sich Zweige aus dem Wald mitnimmt, braucht einen Sammelschein“, sagt er. Sonst könnte der Förster meckern.
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