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Stich für Stich. Jennifer Müller sitzt an der „Galgenheftlade“ und „näht“ die Seiten eines Buches zusammen. Die 30-Jährige ist angehende Buchbinderin im Berufsbildungswerk. „Dieses Entstehenlassen macht mir einfach Spaß“, sagt sie.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Mit Nadel, Zwirn und Wachs

Jennifer Müller lernt das Buchbinderhandwerk am Berufsbildungswerk

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Auf den ersten Blick sieht es fast aus wie ein Mini-Webstuhl: Konzentriert sitzt Jennifer Müller hinter dem Tisch mit dem Holzgestell. Drei Stoffbänder spannen sich vor ihr in einer Art Rahmen senkrecht, eng daran gepresst liegt ein Stapel bedruckter und gefalteter Papierbögen. Mit Nadel und Zwirn „näht“ die junge Frau jeweils vier der Bögen an der Falz zusammen, den weißen Faden hat sie vorher gewachst, damit er haltbarer wird. Für ein Buch mit rund hundert Seiten würde diese Arbeit etwa zehn Minuten dauern, schätzt die 30-Jährige: „Wenn man gut ist – aber das bin ich noch nicht“, fügt sie lachend hinzu.

Jennifer Müller ist im zweiten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Buchbinderin – und „schwer begeistert dabei“, wie sie sagt. Sie lernt am Berufsbildungswerk (BBW) im Oberlinhaus in der Steinstraße. Den Schritt aus Kremmen nach Potsdam in die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen macht sie nach langer Krankheit. „Ich bin hier eindeutig richtig gelandet“, ist sie sich jetzt sicher.

Insgesamt 67 Auszubildende lernen derzeit am Fachbereich Druck und Medien des BBW, sagt Matthias Lessig, der Fachbereichsleiter. In dieser Woche zeigten die angehenden Buchbinder, Mediengestalter und Drucker ihre Arbeiten unter dem Motto „Edles und Veredeltes“ in der Jahrespräsentation.

Edel ist ein solch handgemachtes Buch, an dem Jennifer Müller arbeitet, in der Tat: Dabei ist das „Zusammennähen“ an der Galgenheftlade – so heißt das Gerät im Fachjargon – nur ein Schritt von vielen. Vorher müssen die Bögen bedruckt und gefaltet werden, wenn alle Lagen – bei einem Buch von 100 Seiten sind es etwa sieben – „vernäht“ sind, wird das Buch mit den drei Stoffbändern zusammengeklebt, danach werden die Seiten gerade geschnitten und weich geschliffen, dann wird der aufwändig gestaltete Buchdeckel aufgebracht.

Würde man dieses Buch zum realen Preis verkaufen, müssten die Kunden 45 bis 50 Euro bezahlen, sagt Kirstin Sieling, eine der zehn Ausbilder. Selbst exklusive Kleinverlage würden diesen Preis senken, indem sie über andere Produkte querfinanzieren. Aber das BBW nimmt nur selten Aufträge von außerhalb an, betont Fachbereichsleiter Lessig: „Entscheidend ist, ob es ins Ausbildungsprogramm passt.“ Das meiste entstehe fürs eigene Haus: Broschüren oder Infoflyer etwa.

Denn die Auszubildenden lernen nicht nur die teure Handarbeit: In der Druckerei-Halle arbeiten sie auch mit modernsten Maschinen. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gut, meint Lessig: „Jahrelang wurden nur wenige Buchbinder ausgebildet.“ Jennifer Müller hat so viel Gefallen an der Arbeit gefunden, dass sie ihren früheren Berufswunsch Restauratorin vorerst nicht weiter verfolgen will. „Dieses Entstehenlassen macht mir einfach Spaß“, sagt sie und lächelt.

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