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Auf dem Pfad  Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Paffhausen am Mittwochabend auf dem Weg zur Sondersitzung des Hauptausschusses im Rathaus. Auch dort wurde wegen der Spitzel-Affäre über seine Zukunft beraten.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Mit Paffhausen „vollauf zufrieden“

Aufsichtsrat spricht Stadtwerkechef Vertrauen aus – um ein politisches Erdbeben zu verhindern?

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Es ist 16.23 Uhr, als ein grauer Schopf an einem der Fenster in der vierten Etage der Konzernzentrale der Stadtwerke auftaucht. Peter Paffhausen, der StadtwerkeChef selbst, guckt heraus, winkt den fünf wartenden Journalisten und streckt den Daumen der linken Hand in die Höhe.

„Alles im Griff“ sollte es wohl heißen, nach zwei Stunden Verhandlungen im Aufsichtsrat der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP). Der 61-jährige Geschäftsführer muss sich Spitzel-Vorwürfen erwehren, ein Untersuchungsbericht sollte die Vorgänge in dem städtischen Unternehmen erhellen. Um 18 Uhr trat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vor die Tür und verkündete die zuvor vereinbarten Statements. Ja, der Aufsichtsrat hat sich von der Zusammenarbeit mit der Firma UP-Sicherheitsmanagement und ihrem Chef Uwe Petzold distanziert. Nein, Herr Paffhausen ist nicht abberufen worden und bleibt im Amt. Dann schiebt Jakobs einen Satz nach: Der Aufsichtsrat sei „vollauf mit der Arbeit von Herrn Paffhausen als Geschäftsführer zufrieden“.

Die Affäre versetzt Potsdam seit dem Wochenende in Aufruhr. Kommunalpolitiker, Minister, lokale Unternehmer, Vereinschefs – niemand, der nicht darüber spricht. Wenn Paffhausen stürzt, sagt ein Mann, der einmal eine Hauptrolle spielte in der Potsdamer Stadtpolitik, dann werde es ein politisches Erdbeben geben. Bei dem einflussreichen Herrscher über Strom, Wasser, Nahverkehr und Entsorgung, dessen Konzern jährlich Millionengewinne macht, laufen fast alle Fäden zusammen. Er sponsert Sportvereine, maßgeblich den Fußballclub SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratschef er ist, aber auch die Frauenfußballerinnen von Turbine Potsdam, den Handball- und den Volleyballclub. Wie viel Geld der Stadtwerke wohin fließt, wissen nur die Beteiligten – das Bemühen weniger Stadtverordneter, für Transparenz zu sorgen, läuft seit Jahren ins Leere. Die Vereinsvorstände sind besetzt mit Lokalpolitikern und Stadtverordneten aller Couleur, die Paffhausen in den Aufsichtsräten seiner Unternehmen wiedertrifft. Grundsätzlich gilt: Während die Stadt klamm ist, zahlt Paffhausen. Darum gebeten wird er vor allem von Stadtpolitikern, die sich mit einem Zuschuss für ihre Anliegen Wählerstimmen sichern wollen.

Aber auch für Jakobs, der 2002 ins Amt kam, als Paffhausen schon da war, spielt der Stadtwerke-Chef eine wichtige Rolle als Finanzier. Die Potsdamer Bäder werden aus Gewinnen des Energieversorgers ebenso bezahlt wie der Nahverkehr. Zuletzt machten die Stadtwerke bekanntlich mit 440 000 Euro Zuschuss und einem zwei Millionen Euro teuren Grundstück das neue Jugendzentrum „Freiland“ möglich. Damit ist Jakobs ein drängendes Problem los: In der Innenstadt waren zwei Jugendclubs geschlossen worden, die Gebäude verkauft, das Geld der Stadt reichte nicht für neue. Die Jugendlichen demonstrierten, das Thema bestimmte auch die Oberbürgermeisterwahl.

Auch vor diesem Hintergrund stellt sich in der Spitzel-Affäre die Frage nach der Rolle des Oberbürgermeisters: Wollte er die Vorwürfe, Paffhausen habe vor zehn Jahren den Chef des städtischen Wohnungsunternehmens Gewoba ausspionieren lassen, unter den Tisch kehren? Immerhin kannte Jakobs den Spitzelbericht seit Dezember 2010, gab erst im Januar 2011 eine Prüfung in Auftrag – ausgerechnet bei der Potsdamer Kanzlei Erbe, die in den Vorjahren mehrfach Paffhausen und die Stadtwerke vertreten hatte.

Die Gremien, die gestern über Paffhausens Zukunft entscheiden sollten – der EWP-Aufsichtsrat und der Hauptausschuss des Stadtparlaments – informierte Jakobs auch in seiner Funktion als Aufsichtsrats-Chef der Stadtwerke nicht. Das ist selbst für das Rathaus-Bündnis aus SPD, CDU, Bündnisgrüne und FDP, das Jakobs im Stadtparlament die Mehrheiten sichert, zu viel. Vor allem SPD-Fraktionschef Mike Schubert stellt sich seit Tagen offen gegen die Linie des SPD-Oberbürgermeisters und das Bündnis fordert eine sofortige Abberufung Paffhausens bis zur Klärung der Vorwürfe. Zumindest der Aufsichtsrat, in dem Hans-Jürgen Scharfenberg und Rolf Kutzmutz (beide Linke), Hannelore Knoblich, Mike Schubert und Jakobs (alle SPD), Peter Lehmann (CDU) sowie drei Vertreter des Energieversorgers EonEdis sitzen, hat gestern Paffhausen das Vertrauen ausgesprochen, obwohl es einen Antrag auf seine Abberufung gab.

Stundenlang hatten Aufsichtsratsmitglieder des städtischen Energieunternehmens hinter verschlossenen Türen getagt. Am Ende sickerte durch, was durchsickern sollte. Wirklich aufgeklärt scheint wenig, zu viele Fragen bleiben weiter unbeantwortet. Fest steht, der Bericht der Firma „UP-Sicherheitsdienste“ ist „im Auftrag von Herrn Paffhausen und einer weiteren Person angefertigt worden“, sagte Jakobs nach der Sondersitzung. Die Vorwürfe einer Bespitzelung sehe er aber nicht gerechtfertigt und auch der Untersuchungsbericht der Sozietät Erbe und Partner verfolge diesen Vorwurf nicht, so Jakobs. Dennoch habe der Aufsichtsrat die Zusammenarbeit mit der Firma UP missbilligt und weitere Aufklärung gefordert. Ebenso sollen andere Verträge mit Sicherheitsfirmen untersucht werden. Der Bericht der Anwaltskanzlei Erbe sei am Mittwoch von Jutta Burghart vorgelegt worden. Details daraus nannte Jakobs nicht. Dass die Kanzlei in der Vergangenheit schon für Peter Paffhausen gearbeitet hat und Rechtsanwalt Joachim Erbe im Aufsichtsrat der Pro Potsdam sitzt, sieht der Oberbürgermeister nicht als problematisch an. „Ich habe den Eindruck, Herr Erbe verfügt über den nötigen Grad der Unabhängigkeit“.

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