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Fachsimpelei am Räucherofen: Joachim Lechler und Mario Weber (r.) verfügen zwischen Kladow und Brandenburg über gute Fischgründe.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Mit Räucher-Aal und Sonnenschein

Erstes Kiez-Fischerfest tauchte sonntags aus Regentief auf und fand Freunde

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Innenstadt – Auch Pfarrer brauchen etwas Zeit, um sich bei Petrus Gehör zu verschaffen. Drohte am Samstag das erste Fischerfest nach der Wende in der Kiezstraße noch im Regen zu versinken, so war am Sonntag bei Sonnenschein nicht nur der Gottesdienst am Vormittag gut besucht, sondern am Nachmittag auch der Aufritt des Kindertheaters „Pampelmuse“ ein voller Erfolg. Vor allem die Anwohner strömten herbei und genossen die Angebote unter blühenden Kastanienbäumen. Eingeladen hatte die evangelische Heilig-Kreuz-Gemeinde, angeführt von Pfarrer Martin Kwaschik, der eine alte Tradition zu neuem Leben erwecken möchte. Die Fischerei hat auf dem Kiez neben der Neustädter Havelbucht nämlich eine lange Tradition und zu DDR-Zeiten wurden Fischerfeste an der Seerose bis in die 1980er Jahre gefeiert.

Bernd Lechler, der in der Kiezstraße geboren wurde und bis 1978 dort wohnte, kann auf eine mindestens 500-jährige Familiengeschichte zurückblicken. Er ist noch immer – jetzt in Geltow – Fischer im Nebenerwerb, auch wenn er seinen Lebensunterhalt inzwischen als Maschinenbauingenieur verdient. Aber Vater und Großvater ernährten ihre Familien noch durch den Fischfang und sein Cousin Joachim Lechler führt in Caputh diese Tradition weiter. Er war auf dem Kiezfest mit Räucherofen ebenso vertreten wie Potsdams einziger Berufsfischer Mario Weber, der unter anderem eine leckere Fischsuppe kredenzte. Herbert Ebel, 50 Jahre beim Institut für Binnenfischerei angestellt, zeigte sein kleines privates Museum an Fischfanggeräten.

Eberhard Schüler, der eigens aus Bremen zum Fischerfest nach Potsdam gekommen war, kennt noch ganz andere Zeiten. 22 Fischereigerechtigkeiten zwischen Berlin-Kladow und der Stadt Brandenburg habe es zu den Hochzeiten der Fischerei in Potsdam gegeben. Die Kiezer Fischerei-Innung sei bereits 1452 gegründet worden, erzählt Lechler. Als 1721 der Fischerkiez nach Potsdam eingemeindet wurde, mussten sich die Fischer auf königlichen Befehl dann „Neustädter“ nennen, doch auf der Vereinsfahne prangte noch immer das Wort Kiez. 1916 sei durch das neue preußische Fischereigesetz das Fischereirecht vom Grundstücksbesitz getrennt worden. Das Fischereirecht wurde weiter an den ältesten Sohn vererbt, aber Berufswunsch, Grundstück und Rechtsanspruch fielen nun nicht mehr unbedingt zusammen. Die Innung verlor damit ihre Hauptaufgabe als Vertretung der Berufsfischer und wurde eher ein loser Zusammenschluss von Interessenten. Mit der Zwangsgründung einer Fischereigenossenschaft in der DDR 1960 hörte sie ganz auf zu existieren. Schüler, dessen Vater und Großvater noch Fischermeister in Potsdam waren, versuchte zwar noch einmal 1992 eine neue Innung zu gründen, hatte damit aber wenig Erfolg. Bei einem einzigen Berufsfischer in Potsdam kein Wunder. Dem Fischerfest aber kann eine gute Zukunft vorausgesagt werden. „Wir versuchen es nächstes Jahr erneut“, meint Kwaschik beflügelte durch den guten Besuch am Sonntag. Ausdehnungsmöglichkeiten hat das Fischerfest nicht nur in der Kiezstraße, es könnte sich wieder bis zur Havelbucht erstrecken. H. Dittfeld

H. Dittfeld

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