
© Markus Engel
Sanierung der Gutenbergstraße 18 in Potsdam: Mit Substanz
So lange hat kaum ein Bauwerk in der barocken Innenstadt unsaniert durchgehalten: Schon 1986 schien das Schicksal der Gutenbergstraße 18 besiegelt. Jetzt ist das 1730/31 errichtete Haus wieder hergerichtet.
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Potsdam - Das „original Totenhemd“ beeindruckte die regelmäßigen Passanten schon lange nicht mehr. Viele Tage bewarb der Antiquitätenhändler aus der Gutenbergstraße 18 das doch makabre Verkaufsstück auf einem großen Schild vor seiner Tür. Ob es jemand gekauft hat? Vermutlich nicht. Nur wenige wagten sich überhaupt hinein in das verfallene Haus, dessen Fensterläden im Erdgeschoss immer geschlossen waren, dem jeder Putz fehlte.
Ein desolater Zustand, dem der Antiquitätenhändler, der auch der Eigentümer war, nach vielen Jahren ein Ende setzte. 2013 verkaufte er das Haus – als eines der letzten unsanierten in der barocken Innenstadt Potsdams. Welch Käuferschreck, dieser Verfall? Nicht für Markus Engel. Der Potsdamer Architekt, 52 Jahre alt, ein Name für alle, die in der Stadt denkmalgerecht, stilvoll und mit einem Händchen für die Moderne instand setzen wollen, plante die Arbeiten für den neuen Eigentümer des Hauses, der öffentlich nicht genannt werden möchte. Engel war angesichts des Zustands der Gutenbergstraße 18 sogar zufrieden. „Es war ein Glücksfall.“ Er kenne kein weiteres Haus in Potsdams Innenstadt, bei dem so wie hier „99 Prozent der historischen Substanz“ erhalten geblieben sei.
Haus für 300 Taler erworben
Der Glücksfall der Gutenbergstraße 18 ist in mehrerer Hinsicht einer. Errichtet wurde das Haus nach Angaben von Architekt Engel 1730/31 – damals wurde die Gutenbergstraße in Reihe bebaut. Charakteristisch sind die schweren Fachwerkbalken, die bis heute die Wohnräume in den Bauten dieses Straßenzugs prägen, ihnen ein ländlich-französisches Flair verleihen. Erster Besitzer laut Grundbuch war der Schlächter Daniel Sarno, eingetragen vermutlich im Jahr 1747. Er hatte das Haus für 300 Taler von Friedrich II. erworben. Später soll ein Büchsenmacher ansässig gewesen sein. 1872 wurde die Remise im Hinterhof an das Haupthaus angebunden, 1876 ein weiterer Seitenflügel gebaut.
1914, so Engel, habe es die letzten „nachweislich genehmigten baulichen Veränderungen“ gegeben. Seitdem: nichts mehr. Auch zu DDR-Zeiten nicht. 1954 ging das Haus, gelegen auf dem Abschnitt zwischen der heutigen Dortu- und Jägerstraße, laut Akten in die Zwangsverwaltung des VEB Grundstücksverwaltung Potsdam über, kurz darauf wurde eine der zwölf Wohneinheiten wegen des Verfalls baupolizeilich gesperrt. Das Haus zu erhalten hatte der DDR-Staat ohnehin nicht vor. 1986 wurden die Pläne zum Abriss der ganzen Reihe mit den Hausnummern Gutenbergstraße 18 bis 24 konkret: An ihrer Stelle sollte ab 1990 eine große Lagerhalle für das „konsument“-Kaufhaus – jetzt „Karstadt Stadtpalais“ – errichtet werden. Heute unvorstellbar, doch dass es dazu nicht kam, war vor allem der politischen Wende zu verdanken. Die Abriss- und Investitionsvereinbarung hatte der damalige Rat der Stadt mit der „konsument“-Warenhauskette im Februar 1989 bereits unterzeichnet.
Ziel: Alles was geht, bleibt drin
Was mit einem Abriss vernichtet worden wäre, ist nun seit Kurzem wieder komplett sichtbar. Im Auftrag des Eigentümers hat Architekt Engel das Typenhaus der 2. Barocken Stadterweiterung sowie den Seitenflügel und die Remise im Hinterhof saniert – wie es Pflicht ist in Absprache mit Potsdams Denkmalpflege. Damit steht jetzt in der langgezogenen Gutenbergstraße, die Anfang der 1990er-Jahre noch als Kulisse für Kinofilme diente, die zu Kriegszeiten spielten, für nur noch ein Haus die Komplettsanierung aus; es befindet sich nahezu vis à vis der Gutenbergstraße 18 und leidet unter jahrelangem Leerstand.
Im frisch sanierten Haus sind zwei Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss sowie eine Sieben-Zimmer-Wohnung mit 236 Quadratmetern im Ober- und Dachgeschoss samt Dachterrasse entstanden. Bei der Sanierung galt für Eigentümer und Architekt: Alles was geht, bleibt drin. Holzbalken, Türen, Dielen. Gerade ist innen daher kaum etwas, die Böden wölben sich, ebenso Decken und Wände. Unterm Dach, wo sich einst die Soldatenkammer befand, ist jetzt das Familienbadezimmer untergebracht. Verwendet wurden nachhaltige Materialien, die mit den historischen harmonieren, bauphysikalisch eine Einheit bilden, wie Engel erklärt: Lehmputz und Lehminnendämmung, mineralische Anstriche und Farben. Außerdem habe der Eigentümer Wert darauf gelegt, nur Firmen aus der Region zu beauftragen. Auch Experten für die historische Bauweise waren darunter. So hatte sich das Haus 24 Zentimeter geneigt. Mit spezieller Technik wurden daher tragende Balken angehoben, repariert und so „pro Etage vier bis sechs Zentimeter herausgeholt“, wie Engel sagt. Innen ist die sanfte Sanierung gut zu betrachten: Einige der Balken sind ausgebessert, altes Holz trifft neues. Selbst im Neubau, der im Hinterhof die Lücke zwischen Seitenflügel und „Brandwand“ des Karstadt-Kaufhauses schließt, findet sich eine alte Holztreppe. Ein kalkulierter Stilbruch.
Architekt Engel gefiel dieser moderne, schlichte Bau mit viel Glas, eine Art Townhouse, ziemlich gut. Er hat jetzt sein Atelier aus der Berliner Vorstadt dorthin verlegt.
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