Vermessung: Mit Tom und Jerry um die Erde
Genau zehn Jahre sind „Tom und Jerry“ heute im All. Am 17. März 2002 war die Mission der beiden „Grace“-Zwillingssatelliten unter Beteiligung des Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) gestartet.
Stand:
„Tom und Jerry“ haben die Wissenschaftler sie getauft, weil sie auf exakt der gleichen Bahn hintereinander her um die Erde jagen. „Grace“ steht für Gravity Recovery and Climate Experiment, die Satelliten werden primär für Schwerefeldmessungen und Klimaforschung eingesetzt. Seit ihrem Start vom russischen Weltraumbahnhof in Plesetsk haben die beiden „Grace“-Satelliten die Erde mehr als 55 000-mal auf einer polnahen Bahn in etwa 450 bis 500 Kilometer Höhe umrundet. Der Abstand zwischen „Tom und Jerry“ beträgt rund 220 Kilometer. Seit 2002 haben die beiden Satelliten kontinuierlich Messdaten gesammelt.
„Grace“ ist ein gemeinsames Projekt der US-Raumfahrtbehörde Nasa mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Mission wurde 1996 vom Potsdamer GFZ und mehreren US-Einrichtungen geplant. Das GFZ ist zusammen mit den US-Kollegen für die wissenschaftliche Auswertung der Daten verantwortlich. Aus den Daten können die Forscher unter anderem ermitteln, welche Bewegung im Erdmantel herrscht, wie sich das Schwerefeld der Erde aktuell verteilt und wie es um den kontinentalen Wasserhaushalt steht. Auch werden durch die Messergebnisse verbesserte Wettervorhersagen und eine genauere Analyse der Ozeanzirkulation möglich. Die monatliche Vermessung der Erdanziehung durch „Grace“ ist nach Angaben des GFZ hundertmal genauer als bisherige Messungen.
Die beiden „Grace“-Satelliten arbeiten wie auch ihre Vorgängermission „Champ“ (Challenging Mini-Satellite Payload) mittlerweile bereits doppelt so lang wie ursprünglich geplant. Noch funktioniere nach Auskunft des GFZ alles anstandslos. Doch ein Ende der Mission ist absehbar. Daher hat das GFZ gemeinsam mit den US-Kollegen bereits eine Nachfolgemission auf den Weg gebracht. „Wir hoffen, dass Weihnachten 2016 zwei Grace-Follow-on-Satelliten um die Erde kreisen, denn nur lange Zeitreihen können zuverlässige Aussagen über globale Trends im Klimageschehen liefern“, erklärte dazu der GFZ-Vorstandsvorsitzende Reinhard Hüttl.
Tatsächlich liefert die Satelliten-Mission wichtige Ergebnisse für die Klimaforschung. So konnte der Gletscherschwund auf Grönland mit den „Grace“-Daten erstmals mit hoher Genauigkeit aus dem All gemessen werden. „Pünktlich zum zehnten Geburtstag der Zwillingssatelliten ergibt sich ein scharfes Bild, das auch die räumliche Verteilung der Gletscherschmelze präzisiert“, heißt es vom GFZ. Demnach hat der grönländische Eisschild zwischen 2002 und 2011 bis zu 240 Gigatonnen Masse verloren, was einem Meeresspiegelanstieg von etwa 0,7 Millimeter pro Jahr entspricht. Möglich wurden diese Aussagen laut GFZ durch hochgenauen Messungen der „Grace“-Mission: „Ihr Datensatz ergibt ein bisher unerreicht genaues Bild der Erdanziehungskraft.“ Da die Anziehungskraft eines Körpers direkt von seiner Masse abhängt, konnten die Geoforscher aus den Satellitendaten genaue Aussagen ableiten. „Ändert sich die Eismasse Grönlands, so ändert sich dort auch die Anziehungskraft“, erläutert Frank Flechtner vom GFZ. Die Schwerefeldmessungen von „Grace“ können daher auch zu klimabedingten Massenänderungen Auskunft geben.
Die „Grace“-Daten liefern darüber hinaus auch die Grundlage für die sogenannte „Potsdamer Schwerekartoffel“, dem „Geoid“ der Erde. Dieser ungleichmäßig geformte Ball ist eine Abbildung der unregelmäßigen Massenverteilung auf und in unserem Planeten. Durch die Schwankungen der Erdanziehung erhält der Erdball eine unregelmäßige Form, die von der Kugelgestalt deutlich abweicht. Diese Schwankungen wiederum unterliegt zeitlichen Wandlungen. Das kann zu Bahnstörungen von Satelliten führen. Auch dazu liefert die „Grace“-Mission wichtige Daten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: