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Von Kay Grimmer: Mittelmaß im Kino, überragend beim Feiern

Die Filmpreis-Gala geriet so entspannt wie nie, weil es viele Gewinner gab – auch Potsdam hatte Grund zur Freude

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Je schlechter die Zeiten, desto lieber wird offensichtlich gefeiert. War das vergangene Kinojahr – sowohl von den Filmstoffen als auch vom Besucherinteresse – eher unterdurchschnittlich, so unbeschwert feierte die große Filmfamilie in trauter Einigkeit am Freitagabend in Berlin sich selbst sowie auch den Abschluss der Filmsaison mit der Verleihung der Deutschen Filmpreise. Und der stürmische Wind, der über den roten Teppich vor dem Friedrichstadtpalast pfiff – es war wahrlich kein Abend, um kunstvolle Frisuren spazieren zu tragen – schien die berechtigte Kritik an einem Kinojahr, das zu großen Teilen nicht mehr als Mittelmaß bot, einfach wegzuwehen. Das bewiesen auch die Zahlen: Der Marktanteil deutscher Filme sank von über 27 Prozent 2009 auf unter 20 Prozent im vergangenen Jahr.

Und so gab es auch nicht den Gewinner des Abends – auch wenn Florian David Fitz mit seinem Roadmovie „Vincent will meer“ als Sieger der Lola in Gold für den Besten Film sicherlich eine kleine Überraschung war. Fitz erhielt außerdem den Preis als bester Schauspieler. Auffällig war: Die mehr als 1200 Mitglieder, fast durchweg Filmschaffende, die über die Vergabe der 18 Lolas entschieden hatten, streuten die Trophäen breit. Mehr als vier Preise ergatterte kein Film in diesem Jahr. Zum Vergleich: 2010 holte das Drama „Das weisse Band“ von Michael Haneke zehn Lolas. Doch da letztlich fast jeder nominierte Film irgendwie bedacht wurde, waren am Ende nach einer überraschend kurzweiligen Show dann alle glücklich. Auch die Potsdamer Filmgarde. Regisseur Tom Tykwer war erleichtert, bekam sein Werk – produziert vom Babelsberger X-Filme- Chef Stefan Arndt – gemäß des Filmtitels „Drei“ auch drei Lolas. Tykwer nahm seine Regie-Lola mit Tränen in den Augen entgegen – seine Gedanken seien bei Bernd Eichinger, dessen plötzlicher Tod mehrfach am Abend thematisiert wurde. So wird es künftig alle drei Jahre einen Eichinger-Gedächtnispreis geben, der an Filme geht, die „im Sinne Eichingers“ sind, wie es die Filmakademie-Vorsitzende Iris Berben ausdrückte. Er wird, neben dem Ehrenpreis, undotiert sein.

In allen anderen Kategorien gibt es Preisgelder – und das schon bei einer Nominierung. Nachvollziehbar demnach, dass Tykwers Produzent Stefan Arndt erklärte: „Am meisten freuen wir uns über die sechs Nominierungen.“ Der Potsdamer Filmemacher Peter Hartwig, der mit seiner Produktion, dem Historienfilm „Goethe“, immerhin eine Auszeichnung für das beste Maskenbild holte, sprach davon, solch eine Verleihung „sportlich“ zu nehmen. Seine Maskenbildnerin Heike Merker legte offen, dass nicht der Erhalt des Preises, sondern „der Gang runter zur Bühne ein aufregendes Gefühl ist“. Über weniger Aufregung freute sich hingegen Nadja Uhl. „Mal nicht nominiert zu sein ist wirklich entspannend“, sagte die Potsdamer Schauspielerin. Allerdings musste sie trotzdem auf die Bühne – die Laudatio auf Lola-Ehrenpreisträger Wolfgang Kohlhaase stand an. Der 80-Jährige, der für Filme wie „Solo Sunny“ oder „Sommer vorm Balkon“ die Drehbücher geschrieben hat, gilt als Meister unter den deutschen Drehbuchautoren. Uhl, die in „Sommer vorm Balkon“ unter Regie des Potsdamers Andreas Dresen eine Hauptrolle hatte, bezeichnete Kohlhaases Arbeit als „herausragend“, seine Werke „stechen aus der Zahl der vielen Drehbücher, die ich bislang gelesen habe, immer heraus“, sagte Uhl. Würde oftmals noch während des Drehs an vielen Stoffen gearbeitet werden, sei das bei Kohlhaase unnötig und würde die Dialoge nur verschlechtern. „Seine Geschichten mit der Tragik und der Situationskomik sind auf den Punkt genau.“ Kohlhaase dankte dann auch in seiner geschliffenen Ausdrucksart: „Ich bin nicht nur erfreut, sondern auch ermutigt - und das braucht man in jedem Alter.“

Selbst beim Studio Babelsberg, das zwar als Koproduzent zweier nominierter Filme leer ausging, konnte man zumindest stolz auf Gespräche mit der Filmakademie verweisen, in denen man gemeinsame Veranstaltungen in Babelsberg zum Studio-Jubiläum im kommenden Jahr vereinbart hat, wie Studio-Sprecher Eike Wolf bestätigte. Beim Medienboard Berlin-Brandenburg feierte man das Dutzend Filmpreise als Beweis „für den sowohl künstlerischen als auch kommerziellen Erfolg des Filmschaffens in der Region“, wie sich Filmförderchefin Kirsten Niehuus zitieren ließ. Dabei verwies sie auch auf die 6,3 Millionen Zuschauer von Medienboard-geförderten Filmen. „Davon sind allein vier Millionen für ,Kokowääh’“, verwies Niehuus auf den Kinoerfolg von Til Schweiger. Der wieder nicht einmal nominiert war. Offensichtlich ist klassisches Mainstream-Kino für die Mehrzahl der Filmschaffenden noch immer nicht einmal im Ansatz preiswürdig. Schweiger, der gemeinsam mit dem einstigen Potsdamer und Ex-„Konrad-Wolf“-Filmhochschüler Tom Zickler Publikumslieblinge wie „Keinohrhasen“ oder eben „Kokowääh“ produziert und dabei auch gern in Potsdam und Umgebung dreht, blieb seiner eigenen Tradition treu und damit der Filmpreis-Verleihung fern.

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