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Landeshauptstadt: Mode ohne Mandelblüten

Neue Handschrift beim Modeball, aber nicht der große Wurf

Stand:

Sieben Mal hat Karin Genrich den Modeball in Potsdam organisiert. Von Mal zu Mal konnte sie sich steigern und legte ein hohes Niveau vor. Nun startete am Sonnabend der achte Modeball unter der Regie des Dorint-Hotels mit neuer Handschrift und die muss noch kräftig geübt werden. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, der zusammen mit der Hotelchefin Heike Straßburger-Siefert den Abend eröffnete, wollte ihn genießen und einmal nur über Schönes sprechen. Er tat es – aber nicht alle konnten es.

Wenn Potsdams edles Mode-Event unter der Überschrift „Mode, Musik und Mandelblüten“ firmiert, dann sucht der stramm zur Kasse gebetene Gast (die Ballkarte kostete 109 Euro) zuallererst einmal die Frühlingsblüten. Doch so richtig frühlingshaft wollte ihm weder draußen, noch drinnen zumute werden. Keine Mandelblüten so weit das Auge reichte. (Nur ein Gesteck hatte sich dann doch noch zwischen das einfallsreich gestaltete Abendbüfett verirrt.) Auch keine persönliche Begrüßung. Verwöhnt durch die Genrich-Empfänge mit passend zum Motto des Abends gekleideten Hostessen, war er deshalb auf die Saaldekoration besonders gespannt. Aber auch die entlockte kein Oh und Ah, war eher lieblos. Und warum grüne Riesenbonbons mit rosa Schleifchen die Saaldecke zierten, wird wohl ein ungelüftetes Geheimnis bleiben. Nun gut, sagte sich der Gast, bei einer etwas fad geratenen Vorsuppe auf das Hauptereignis Modenschau wartend, jetzt kann es ja nur noch besser werden.

Die Idee, den Laufsteg als Karree in die Mitte zu bauen und die Models durch den Saal flanierend von zwei Seiten auftreten zu lassen, erwies sich als hübscher Gag und man konnte sehr tragbare Mode ganz aus der Nähe bewundern, dazu flottes Beiwerk von der Sonnenbrille (Scharnbeck) bis zum Schuh (Wittstock). Die Schuhe wurden aus rosaroten Kartons gezaubert und mal dieser, mal jener anprobiert. So kam zur Geltung, was sonst immer ein bisschen neben der Bekleidung einhergeht. Noa Noa glänzte gleich zu Beginn mit schönen Seidenstoffen, langen Jacken, alles farbig, sehr weiblich und, obwohl es sich um dänische Mode handelt, mit leicht asiatischem Einschlag. Die von Kokopelli ausstaffierten Kinder sahen wie kleine junge Damen und Herren aus, tanzten artig einen Ringelreih’n und hatten sofort die Herzen erobert.

Wurde bei der Damenmode sehr viel mit Pastellfarben, mit Grau- und Braun tönen, mit Schwarz und Weiß gearbeitet, so brachte unter anderem Karin Genrich auch Farbe ins Geschehen. Allerdings vermisste man ganz allgemein etwas duftig Leichtes, Buntes für ausgesprochen warme Tage. Die soll es trotz der Klimaveränderungen auch in Deutschland noch geben. Die Herrenmode (Eiringhaus, Salon Herrenhaus, Stones by Block) gab sich eher klassisch-bieder, aber wenigstens hatten die männlichen Models flott geschnittene Frisuren und mit den Bademoden und der Unterwäsche wurden sie zum echten Hingucker. Auch an den Mannequins gab es nichts zu mäkeln, wenn sie gut angezogen oder weniger verhüllt mit der Bademode von Kniesche oder der Karstadt-Unterwäsche mit wallenden Tüchern auftraten. Aber die mit viel falschem Haar hochgetürmten, festgezurrten Frisuren erinnerten doch sehr an die prüden 50er und 60er Jahre. Und ließen eher frösteln.

Zum Abschluss aber gab es dann noch einmal ein echtes Highlight zu sehen mit den Korsagenkleidern von Revanche de la Femme, zu denen der überaus exquisite, teils farbige, teils perlenweiße Schmuck von Herrendorf ausgezeichnet passte. Und schließlich ertönte dann doch noch ein begeistertes Ah, als ein Traum in Weiß, ein über und über mit Blüten bestückter Reifrock mit passender Korsage, hereinschwebte. Schön anzusehen war auch die schlangengleiche Tänzerin Laura Moths mit ihrer akrobatischen Einlage.

Warum sich allerdings Ricardo Steffen zu einer überaus getragenen Choreografie, mit lyrischen Texten untermalt, entschlossen hatte, bleibt wiederum sein Geheimnis. Frühlingsfroh machten die einen jedenfalls nicht. Da breitete sich schon eher ein „unsäglicher Himmel über der inneren Landschaft“ (wörtliches Zitat) aus. Bei so viel Seelenerguß dauerte die Modenschau denn auch bis fast 22 Uhr. „Vielleicht“, orakelte Schirmherrin Karin Genrich in ihrer stets freundlichen Art, „sollte der Veranstalter die beteiligten Einzelhändler von Anfang an wieder stärker mit einbeziehen.“ Das gilt garantiert auch für die Modeball-Vorbereitung, denn in diesem Jahr wurden rund 100 Ballkarten weniger verkauft als bei Genrichs letztem siebenten.

Ging vorher alles etwas zäh vonstatten, waren die Ballgäste beim ersten Walzer dann nicht mehr zu halten. Alfred Weiss mit seiner rauchigen Jazzstimme und die Lemon Trees spielten dazu die richtige Musik und so gab es bei Twist und Rock`n’ Roll kein Halten mehr bis in die frühen Morgenstunden. Zuvor hatten sich die Ballgäste an einem Büfett stärken können, dass mit Köstlichkeiten aus den Ländern der Mandelblüte bestückt war. Und so konnte man die Blüte zwar kaum sehen, dafür aber wenigstens auf der Zunge zergehen lassen.

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