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Spannende Kiste. Beim „teatro sonido“ ist Jan Barahona Muñoz der Mann für alles: Schauspieler und Autor, Dramaturg, Tontechniker, Requisiteur. Auf dem Spielplan seines Koffertheaters stehen Krimis für große und kleine Leute – ohne Worte, aber dafür mit einer ausgefeilten Geräuschkulisse.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Mord im Koffer

Der Potsdamer Jan Barahona Muñoz hat ein Klang-Theater. In der „Stadt für eine Nacht“ will er es vorstellen

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Es ist vermutlich das kleinste Potsdamer Theater, das Jan Barahona Muñoz bespielt. Die Bühne ist ein Koffer, die Akteure sind kleine Puppen oder Muñoz’ verkleidete Hände. Mit seinem mobilen Figuren-Klang-Theater hat sich der Potsdamer jetzt zum ersten Mal für einen Platz bei der „Stadt für eine Nacht“ beworben. Er hofft, am 12. und 13. Juli dabei zu sein, wenn auf dem Areal der Schiffbauergasse Kulturschaffende, Wissenschaftler und Künstler der Kreativsbranche sich temporär einem breiten Flanierpublikum vorstellen. „Das wäre schon gut, mich kennen erst wenige.“ Im vergangenen Jahr wurden knapp 40 Hütten und Stände für die Künstler rund um die Freilichtbühne aufgebaut, etwa 25 000 Besucher wurden an dem Wochenende gezählt.

Es ist eine winzige Theaterwelt, die sich in dem alten, hölzernen Überseekoffer verbirgt. Seit gut einem Jahr ist Muñoz damit unterwegs, spielt vor Kinder- und Erwachsenengruppen. Zunächst arbeitete der ausgebildete Tontechniker in seinem Beruf, gründete dann ein Hörspieltheater, arbeitete als Clown und Pantomime. „Dann kam die Idee mit dem Koffer“, sagt Muñoz. Der 39-Jährige sitzt auf einem Hocker mitten in seiner kleinen Werkstatt, die gleichzeitig Proberaum ist, neben sich das bei Ebay ersteigerte und in eine moderne Theaterbühne im Miniaturformat umgebaute, antike Gepäckstück. „Da passt alles rein, was ich brauche“, sagt der Theaterinhaber. Ein bisschen Licht, drei kleine Lautsprecher, Püppchen und Requisiten, und der Rechner. Der liefert die Musik- und Geräusch-Kulisse, ein wichtiges Utensil. „Ich spreche ja nicht, meine Stücke kommen ohne Wörter aus“, sagt Muñoz. „Teatro Sonido“, das bedeute Klangtheater. „Ein Vorteil ist, dass jeder mich verstehen kann, ich bin international.“ Ausschließlich mithilfe von Requisiten und Geräuschen zu arbeiten – das sei doch eine sehr schöne Art, Geschichten zu erzählen. „Da steckt so viel Potenzial drin, ich bin immer am Lernen und Entdecken.“

Zum Üben stellt er den geöffneten Koffer vor einen Spiegel und kontrolliert, ob Puppen und Geräusche synchron zusammenpassen. Die Geräusche kommen aus seinem digitalen Sound-Archiv, Hunderte Aufnahmen, aus Natur und Stadt, Meeresrauschen, Baumknarzen, Wohnungsgeräusche, Menschen- und Tiergeräusche, komponierte, musikalische Sequenzen – alles, was man hören und aufnehmen kann. Immer hat er ein kleines Aufnahmegerät dabei. Das letzte, das in seine Sammlung aufgenommen wurde, war das Geräusch von Murmeln, die in der Badewanne rollen. „Meine Kinder inspirieren mich oft“, sagt Muñoz. Dass man ein einfaches schwarzes Holzkästchen als Auto benutzen kann, das habe er bei versunken spielenden Kindern gesehen. Muñoz unterlegt den Auftritt des „Autos“ mit einem Fahrgeräusch, qietschende Reifen in einer Kiesauffahrt, und löst damit passende Assoziationen und Bilder aus.

Auch Spielzeug der beiden kleinen Töchter findet sich oft in der Werkstatt wieder, zumindest Teile davon. Zwei nackte Barbie-Beine in rosa Stöckelschuhen tauchen in seinem Erwachsenen-Krimi „Inspector Pipe – Bloody Knife“ auf. Und was er nicht hat, erfindet und bastelt er. Scheren und Sägen, Klebepistole, Lötkolben, Filz, Papier und Stoff, Styropor, Modelliermasse, Holz und Draht – es gibt nichts, was es nicht gibt in diesem Atelier. Manchmal hilft der Zufall, der Magnetverschluss einer Zigarettenpapier-Packung, die Muñoz auf der Straße fand, schließt jetzt eine Holztür. Die braucht er für sein neues interaktives Stück, das er während der „Stadt für eine Nacht“ vorführen will. „Die Zuschauer entscheiden, welche Tür die Figur nimmt und wie das Stück an der Stelle weitergeht“, sagt Muñoz.

Etwa 30 Minuten dauern die Stücke. Dabei sitzt er hinter dem geöffneten Koffer, spielt und bedient den Rechner für die passenden Geräusche, für Stabfiguren, Marionetten und seine Hand, die sich mit einem bunten Handschuh in einen Kraken verwandelt. Dass der Zuschauer Muñoz’ Hände auch als solche erkennt, sei kein Problem. „Das gehört dazu.“ Im Kinderkrimi „Stibitz“ verschwindet dann eine kostbare Kette am Strand, Möwe und Oktopus sind hinter ihr her. Der Erwachsenen-Krimi sei hingegen wirklich nicht für Kinder gedacht. Neben dem Inspektor Pipe, verkörpert durch eine hölzerne Tabakspfeife, kommen vor: ein blutiges Messer, Angstschreie und gruselige Musik, Gewittergeräusche und die bekannte Duschszene aus Alfred Hitchcocks Film „Psycho“ als Schattentheater. „Es gibt einen Mord, mehr verrat ich nicht“, sagt Muñoz. Die Stücke denkt er sich stets selbst aus. „Meine Gedanken seien immer am Wandern, sagt meine Familie über mich. Das stimmt, ich schließe in Konzerten oder selbst im Kino oft die Augen.“

www.teatro-sonido.com

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