Landeshauptstadt: „Museum ist Inszenierung“
Hannes Wittenberg über die Möglichkeiten neuer Standorte für das Potsdam-Museum und Visionen einer Ausstellung
Stand:
Die Diskussion um einen neuen Standort für das Potsdam-Museum, ob nun im Brockschen Haus oder im Alten Rathaus, wird durch die Stadtverordneten derzeit mit einer großen Ernsthaftigkeit betrieben. Es entsteht der Eindruck, dass die Zeit des Provisoriums Benkertstraße gezählt ist.
Ich möchte da keine Prognose wagen. In der Geschichte des Potsdam-Museums gab es mehrere Versuche, das Haus an einen festen Platz zu bringen. Und egal wie ehrgeizig diese Versuche auch waren, sie wurden immer abgeschnitten. Beispielsweise war die Garde-Ulanen-Kaserne in der Jägerallee noch vor einigen Jahren als Standort vorgesehen. Die Unterbringung in der Garde-Ulanen-Kaserne war die letzte Möglichkeit, das Konstrukt Potsdam-Museum unter einem Dach unterzubringen. Inzwischen sind wir räumlich getrennt.
Getrennt?
Ja, in das Naturkundemuseum und in das Potsdam-Museum. Das Naturkundemuseum hat eine Perspektive am Standort in der Breiten Straße. Der andere Bereich, also Geschichte und Kunst, ist jetzt unter dem Namen Potsdam-Museum ein Begriff. Im vergangenen Sommer wurden dann vom Förderverein des Potsdam-Museums e.V. die Vorschläge Alte Stadtschule, Brocksches Haus und Altes Rathaus unterbreitet. Davon sind jetzt mit dem Brockschen Haus und dem Alten Rathaus nur noch zwei Standorte in genauer Prüfung.
Obwohl auch das Gebäude der Fachhochschule nachträglich in die Diskussion eingebracht wurde.
Das war für mich eher befremdlich.
Vielleicht parteipolitische Befindlichkeiten?
Darüber kann ich mich nicht äußern. Das Gebäude ist keine Adresse für ein Stadtmuseum. Wir haben recherchiert und im Kulturausschuss gezeigt: Kein einziges Stadtmuseum in ehemaligen Bezirksstädten der DDR war zum Beispiel in einem Neubau untergebracht.
Im jüngsten Kulturausschuss haben Sie ein Raumkonzept für die möglichen Standorte Brocksches Haus und Altes Rathaus vorgestellt. Wie geht es jetzt weiter?
Was wir dort vorgestellt haben, berücksichtigt nur die Größe der zur Verfügung stehenden Flächen. Und was diese geplanten Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen betrifft, sind die für beide Häuser identisch. Darüber hinaus konnten wir keine verlässlichen Zahlen angeben, was Mietkosten und Nebenkosten betrifft. Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, dieses weiter zu prüfen, um den Stadtverordneten sagen zu können, welche Kosten letztendlich anstehen werden. Diese Zahlen sollen bald vorliegen, denn bis zur Sommerpause soll eine Entscheidung fallen.
Gibt es eigentlich schon einen Termin, wann das Potsdam-Museum an einem neuen Standort eröffnet werden soll?
Beide Standorte haben das Potenzial, dass bis 2009, dem 100-jährigen Jubiläum des Potsdam-Museums, Wesentliches schon geschafft sein kann. Wenn eine Entscheidung für einen der Standorte fällt, kann es relativ schnell losgehen. Beim Brockschen Haus würde ein privater Investor in Vorleistung gehen und die Stadt würde das dann anmieten. Die entscheidende Frage hierbei ist die nach der monatlichen Belastung.
Es gibt also schon einen privaten Investor für das Brocksche Haus?
Es gibt Verkaufsverhandlungen und einen Vorvertrag mit einem Investor, der das Grundstück für das Museum entwickeln will. Im letzten Kulturausschuss war ein Vertreter des Investors anwesend. Er wollte sich davon überzeugen, wie die Ausschussmitglieder das Vorhaben bewerten.
Was würde für das Brocksche Haus als zukünftiger Museumsstandort sprechen?
Es ist ein Haus bürgerlichen Ursprungs. Die architektonische Bedeutung als letztes noch unsaniertes Zeugnis friderizianischen Bauens im Stadtzentrum, die Nutzungsgeschichte als Manufaktur- und frühen Behördenstandort veranschaulichen Potsdamer Stadtgeschichte. Hinzu kommt, dass dieses Haus in der Nähe des Filmmuseums und Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte liegt. Von der Lage her ist das Gebäude brillant. Im Sinne der Stadtbildpflege wäre eine Sanierung des Brockschen Hauses auch sehr sinnvoll.
Und für das Alte Rathaus?
Auch dieses Haus verkörpert in idealer Weise Stadtgeschichte. Als Rathaus und historischer Tagungsort der Stadtverordnetenversammlung. Es ist das Haus in dem 1910 die erste Ausstellung des Potsdam-Museums eröffnete. Und es ist ein Gebäude, das für die Wiederaufbauleistung nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Als Kulturhaus Hans-Marchwitza steht es seit 1966 in kultureller Nutzung. Das soll auch bei einer möglichen Museumsnutzung erhalten und ausgebaut werden. Hier wären wir natürlich viel flexibler als im Brockschen Haus. Es sind größere zum Teil noch ungenutzte Flächen vorhanden. Da gibt es den Bacchus-Keller. Es ist sehr schade, dass dieser seit Jahren nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Das möchten wir gerne ändern. Den Veranstaltungsbetrieb mit dem Ausstellungsbetrieb und den museumspädagogischen Angeboten zu koppeln, dass wäre ideal.
Das Potsdam Forum, dass das Alte Rathaus derzeit als Veranstalter nutzt, befürchtet aber durch den Einzug des Potsdam-Museums Einschränkungen.
Sicher wird es Veränderungen beim Ausstellungsbetrieb des Potsdam-Forums geben, beim Veranstaltungsbetrieb gibt es überhaupt keine Einschränkungen. Im Gegenteil. Theatersaal, Foyer, das ganze Erdgeschoss würde durch unseren Einzug nicht verändert werden. Wir wollen nicht, dass das Profil des Potsdam Forums durch den Einzug des Potsdam Museums leidet. Wir arbeiten schon jetzt zusammen und wollen das auch in Zukunft.
Wie könnte diese Zusammenarbeit unter einem Dach aussehen?
Als Beispiel will ich nur das Musikzimmer nennen, wo es auch weiterhin Konzerte geben wird. Und historische Musikinstrumente aus der Sammlung des Potsdam Museums könnten den Raum dann dekorieren.
Sie sprechen gerade historische Instrumente aus der Sammlung des Potsdam-Museums an. Wie groß ist eigentlich diese Sammlung?
Unsere Sammlung zählt etwas 200 000 Exponate, die von Potsdams 1000-jähriger Geschichte erzählen. Das schließt auch Sammlungsgruppen mit ein. Unsere Münzsammlung umfasst zum Beispiel 22 000 Stück. Bei größeren Stücken wie Möbeln oder anderen Beständen sind diese Zahlen zwar geringer, aber nicht weniger wertvoll. Und obwohl wir kein Geld für Einkäufe haben, wächst unsere Sammlung durch Schenkungen.
Welchen Stellenwert hat diese Sammlung?
Was die Bewertung unserer Sammlung betrifft, hat der Museumsverband des Landes Brandenburg erklärt, dass unsere Sammlung eigentlich die wichtigste im Land Brandenburg ist.
Wo befindet sich eigentlich diese Sammlung?
Zum Teil schon in den neuen Depots auf Herrmannswerder. Dort haben wir jetzt einen dauerhaften Ort für die Sammlung bekommen. Das gab es in der 100-jährigen Geschichte des Museums noch nicht. Wir sind mit dem Umzug beschäftigt, der Ende April abgeschlossen sein soll.
Wie kam es eigentlich zu dem Provisorium in der Benkertstraße?
Das stammt noch aus dem Ende der DDR-Zeit. Da hatte man hier unter anderem Museumswerkstätten und ein Stadtteilmuseum für die Geschichte des Holländischen Viertels geplant. Dann kam die Initiative der Wüstenrotstiftung, das Jan-Bouman-Haus zu sanieren, wo jetzt die Entstehung und Geschichte des Viertels erzählt wird.
Und was wird aus dem Standort, wenn das Potsdam-Museum in ein neues Haus zieht?
Darüber mache ich mir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Gedanken. Das Haus ist eine städtische Immobilie und wurde für den Museumsbetrieb gekauft. Für so ein Gebäude eine entsprechende Nutzung zu finden, wird wohl kein Problem sein. Ob eine kulturelle Nutzung oder nicht, das wird sich dann zeigen. Noch sind wir nicht raus. Wir werden uns hüten, das Haus morgen aufzugeben, um dann auf eine Lösung zu warten.
Welche Vision haben Sie von einem Potsdam-Museum an einem neuen Standort?
Wir können mit dem, was wir in unserer Sammlung haben, gut 1000 Quadratmeter Dauerausstellung über Potsdams Geschichte füllen. Trotzdem wird der Besucher mit Sicherheit nicht eine Ausstellung vorfinden, die klassisch chronologisch alles an der Wand abbildet, was in der Vergangenheit passiert ist. Die Ausstellung soll Überraschungseffekte haben. Denn vieles hat im Museumswesen mit Inszenierung zu tun. Sehgewohnheiten ändern sich permanent. Es könnten auch historische Spuren an den Gebäuden, die unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten freigelegt werden müssten, in Beziehung zu Exponaten aus der entsprechenden Zeit gesetzt werden. Besucher könnten auch über einen Münzfund laufen, der nicht wie üblich fein säuberlich in einer Vitrine ausgestellt wird. Ideen sind genug da.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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