SCHÖNBOHM meint: Muss es DDR-Nostalgie sein?
„Wie war zu Cölln es doch vordem mit Heinzelmännchen so bequem“..
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„Wie war zu Cölln es doch vordem mit Heinzelmännchen so bequem“... An dieses märchenhafte Gedicht fühlte ich mich erinnert, als mir ein Bekannter das Programm der 150-Jahr-Feier der Grundschule „Max Dortu“ zeigte und von der Atmosphäre dieser Veranstaltung berichtete. Es wurden fröhlich und anteilnehmend Pionier- und FDJ-Lieder von der „Kleinen weißen Friedenstaube“ bis zum fröhlichen und sinnstiftenden „Altpapierlied“, „Sag mir wo du stehst“ oder unsere „Heimat“ von einzelnen Klassen in Thälmann-Pionieruniformen vorgesungen. Die Eltern fühlten sich an ihre Schulzeit erinnert – die aus dem Westen Kommenden an die DDR. Die friedliche Revolution – als Wendezeit bezeichnet – wird mit dem altdeutschen Klassiker „Wind of change“ bespielt... Die Wiedergründung des Landes und das Werden von Potsdam zur Landeshauptstadt gibt es nicht. Das Brandenburg-Lied als Ausdruck dieser gemeinsamen Identität wird nicht gesungen – es war in der DDR unerwünschtes Liedgut. Die Lehrerin, die die Revue geschrieben und ein Jahr mit den Kindern geprobt hat berichtet: „Nun ändert sich vieles zum Guten und zum Schlechten. FDJ und Pioniere wurden abgeschafft, der Russischunterricht, kostenlose Lehrbücher, die Schulspeisung...“ Das Ende der DDR muss für die Lehrer tatsächlich schrecklich gewesen sein. „Aber“, frohlockt die Lehrerin, „die Geschichte zeigt, dass wir nicht alles in die Mottenkiste packen müssen. Vieles Gute kommt wieder. Seit neun Monaten regiert die Nachfolgepartei der SED. Die 20 Jahre Aufbauleistung nach 1990 werden mit einer Filmschleife, dem Aufmarsch der Arbeitsgemeinschaften und dem Blick in die Zukunft „Aber bitte mit Lehrern“ gewürdigt.
Die Schulfeier war liebevoll und mit Engagement von Lehrern und Schülern vorbereitet worden – die Begeisterungsfähigkeit und die Freude am gemeinsamen Singen und Spielen ist doch gerade in der Grundschule ausgeprägt. So lautet der Refrain der Schulhymne unter anderem „Glockengeläut zu jeder halben Stund, lernen mit Musik, das hält gesund“ – aber muss es DDR-Nostalgie sein?
Es ist wohl an der Zeit – oder ist es schon zu spät? – sich über solche Veranstaltungen Gedanken zu machen, wie man ohne Nostalgie und Verklärung mit dieser Zeit umgeht und gleichzeitig den Wandel deutlicher und symbolhafter erlebt. Ich wundere mich nicht,dass bei dieser Atmosphäre das Wissen über die von der Bevölkerung hinweggefegte DDR so gering ist. Mit dem Verschwinden der DDR wird es nicht so schnell gehen wie in dem Gedicht wo es heißt: „Sie springt hinunter auf den Schall mit Licht: husch, husch, husch, verschwinden all“. Nein, so schnell geht es nicht, aber war wirklich vordem alles so schön – oder nur für die Lehrer?
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