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Bei der Demonstration vom Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ in Golm.

© Henri Kramer PNN/Henri Kramer PNN

Update

Nach rechtem Angriff bei Dorffest: Mehr als 400 Menschen bei spontaner Anti-Rechts-Demo in Golm

Die Kundgebung auf dem Golmer Bahnhofsvorplatz hatte hunderte Besucher, die ein Zeichen gegen Hass setzten. Es gab auch weitere Reaktionen.

Stand:

Nachdem ein 41 Jahre alter Potsdamer bei einem Dorffest in Golm von jungen Männern zusammengeschlagen worden ist, weil er sich an fremdenfeindlichen Gesängen störte, haben viele Anwohner, Studenten und andere Menschen ein Zeichen gegen Hass und Gewalt gesetzt. Zu einer von dem Anti-Rechts-Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ kurzfristig angemeldeten Kundgebung auf dem Golmer Bahnhofsvorplatz kamen am Donnerstagabend mehr als 400 Besucher. Erst ab Donnerstagvormittag war für die Aktion mobilisiert worden.

Die Berichte über die bis dato nicht bekannt gewordene Schlägerei hatten am Mittwoch deutschlandweit Schlagzeilen gemacht. Vor Ort in Golm zeigte sich der dort selbst wohnhafte Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) entsetzt. Solche Übergriffe seien „Angriffe auf unsere Werte“, Hass und Gewalt eine „Bedrohung für unser Zusammenleben“. Und: Potsdam sei anders als das, „was wir am Wochenende erlebt haben“.

Der Rathauschef las auch aus einem aktuellen Brief einer Golmerin vor, die sich an „Potsdam bekennt Farbe“ gewandt und den Angriff geschildet hatte. Darin forderte die Frau auch ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft in Golm. Mit Blick auf die Kundgebung sagte Schubert: „Das ist das Signal!“ Schubert forderte Zivilcourage und ein Entgegentreten, „wenn Menschenfeindlichkeit sich ausbreitet“. Das sei gegen Rechtsextremismus wichtig, aber auch gegen Islamismus.

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) bei der Demonstration in Golm.

© Henri Kramer PNN/Henri Kramer PNN

Bei der Kundgebung verlas die parteilose Ortsvorsteherin von Golm, Angela Bötte, auch eine Erklärung des Ortsbeirats. Unter anderem dankte sie allen, „die sich der gewaltbereiten Gruppe in dem Versuch, deeskalierend wirksam zu werden, entgegengestellt und damit große Zivilcourage bewiesen haben.“ Böttge sagte mit Blick auf den Wissenschaftspark in Golm: „Vorfälle dieser Art gefährden unser aller Lebensgrundlage, indem sie das Image Golms als internationaler und weltoffener Standort eklatant infrage stellen.“

Ebenso erklärte sie: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von diesem Vorfall und der damit einhergehenden Verallgemeinerung, ein Großteil der Menschen in unserem Ortsteil sei antidemokratischer Gesinnung.“ Eine dringliche Aufgabe sei jetzt die Ursachenforschung, warum es in Potsdam und den Ortsteilen überhaupt „immer wieder zu derartigen Vorfällen kommen kann“. Ebenso müsse das Rathaus für sichere Feste sorgen, sagte sie – auch mit Blick auf das Dorffest am Wochenende in Groß Glienicke.

Der Tatort: Der Festplatz am Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr.

© PNN/Michael Bahlo

Geäußert hat sich inzwischen auch die in Golm ansässige Evangelische Trinitatis-Kirchengemeinde. „Wir sind entsetzt und bestürzt, dass unser Golmer Dorffest zum Schauplatz von Fremdenhass und Gewalt gegen Andersdenkende wurde“, erklärte Hanna Löhmannsröben, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrats. „Wir finden es unerträglich, dass eine Gruppe vor allem Jugendlicher mitten vor der Bühne zu einem Song ausländerfeindliche Texte grölte und Menschen, die damit nicht einverstanden waren, aus dieser Gruppe heraus angegriffen wurden.“ Wegen der Tat wird gegen drei Verdächtige im Alter zwischen 17 und 19 Jahren ermittelt. Sie hatten ihr Opfer krankenhausreif geschlagen.

Den Straftätern müsse „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegengetreten werden“, so die Gemeinde. Die rechtsextremen jugendlichen Straftäter seien eine Minderheit, die feige aus einer Gruppe heraus handle und sich an ungeschützten Einzelnen vergreife. Die Mehrheit dürfe dies nicht einfach hinnehmen, so die Gemeinde.

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Von der Stadtverwaltung verlangte die Gemeinde mehr Präventionsarbeit vor Ort. Jugendliche dürften nicht einfach einem verfassungs- und freiheitsfeindlichen Milieu überlassen werden. Und weiter: „Wir fordern alle Mitglieder der Kirchengemeinde, alle Lehrkräfte, Bürgerinnen und Bürger, die Vereine und Initiativen auf: Gehen wir aufeinander zu, besonders auf Menschen, die hier zunächst fremd sind. Verschenken wir gute Worte. Handeln wir ermutigend. Und zeigen wir Zivilcourage. Unser Kreuz hat keine Haken.“

Einer der Organisatoren der Demo: Uwe Fröhlich von den Grünen (r.)

© Henri Kramer PNN/Henri Kramer PNN

Auch die Grünen meldeten sich zu Wort. Deren Potsdamer Landtagsabgeordnete Marie Schäffer erklärte, die Prävention in Form von Jugendarbeit und Demokratiebildung müsse landesweit deutlich gestärkt werden. „Die Vorkommnisse am Samstagabend zeigen auf erschreckende Weise, wie tief die rechtsextreme Ideologie in Teilen unserer Gesellschaft verankert ist.“ Die Grünen-Landtagskandidatin im Potsdamer Norden, Rebecca Freudl, erinnerte daran, dass es sich nicht um den ersten Vorfall rechter Gewalt in Golm handele. „Ich fordere den dringenden Ausbau personeller Strukturen für Jugendarbeit sowie die Erweiterung der Angebote für Jugendliche vor Ort.“

Die Freien Wähler in Potsdam sendeten am Donnerstag ebenfalls eine Mitteilung. Darin betonten sie, „dass wir jegliche Gewalt, ob rechts, links oder aus religiösem Fanatismus, ablehnen“. Und weiter: „Wir begrüßen, dass viele Besucher des Festes sich den Gewalttätern entgegengestellt haben.“

Auch der Potsdamer Migrantenbeirat hat die gewaltsame Attacke beim Dorffest in Golm „auf das Schärfste“ verurteilt. „Gerade in einer Zeit, in der Zusammenhalt, Respekt und Offenheit wichtiger denn je sind, ist es umso erschreckender, dass es weiterhin zu solchen Akten von Gewalt und Menschenfeindlichkeit kommt“, erklärte das Gremium am Freitag und forderte die Bürger auf, „ein starkes Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit“ zu setzen. „Nur gemeinsam können wir sicherstellen, dass Potsdam ein Ort bleibt, an dem alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft – willkommen sind.“

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