Feiertaagsreport: Nachdenken über den 3. Oktober in Potsdam
Schulkinder, Touristen, Ost- oder Westdeutsche: Die Mauer wünscht sich niemand zurück
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Potsdam - Feiertag hin oder her – vor allem das herrliche Ausflugswetter lockte am Mittwoch viele Menschen ins Freie, Touristen und Potsdamer. Dass am 3. Oktober an die Deutsche Wiedervereinigung erinnert wird, ist dennoch vielen bewusst. Manche Potsdam-Besucher nutzten die Angebote und Möglichkeiten der Stadt, sich dieser Epoche deutscher Geschichte erneut zu nähern.
Für Ulrike und Herbert Dude aus Dresden war der 40. Hochzeitstag, den sie am Sonntag feierten, Anlass für eine Reise nach Potsdam. Für Ulrike Dude war es der erste Potsdam-Besuch. „Ich hab mir sagen lassen, dass es früher hier so schlimm ausgesehen haben soll, zerfallene Häuser und so, aber das kennen wir ja auch aus Dresden“, sagte sie. Ihr Mann war 1960 das erste Mal hier, damals kam er mit dem Rad aus Ludwigsfelde. Sie hatten schon am Dienstag ihre ganz persönliche Tour zur Deutschen Einheit gemacht, mit dem Dampfer an der Glienicker Brücke und Schloss Cecilienhof vorbei. „Die Brücke bedeutet mir sehr viel, ich denke dabei immer an die Affäre um den Spitzel Günter Guillaume, den sie hier auf der Brücke ausgetauscht haben. „Das war auch nicht alles so korrekt damals“, meinte der Dresdener. Der 3. Oktober selbst sollte für das Paar mit einem Besuch der Friedenskirche beginnen – aber die war leider geschlossen.
Die Schülergruppe am Nauener Tor hatte ihre Tour zum Tag der Deutschen Einheit mit dem Rad geplant. Die Zehntklässler aus einer Düsseldorfer Realschule erkundeten das Holländische Viertel, die Kolonie Alexandrowka, anschließend sollte es in die Gedenkstätte Lindenstraße gehen. „Dazu waren sie nur schwer zu begeistern, das Wort Gedenkstätte hat sie abgeschreckt“, sagte ihre Lehrerin Regina Kampschroer. „Gedenkstätte“ klinge langweilig, bestätigten die Schülerinnen. Ihnen fehle der Zugang zu dieser Problematik, sagte Lehrerin Kampschroer, „jüngere deutsche Geschichte, alles nach dem Zweiten Weltkrieg, ist uninteressant“. „Wir haben keine Verwandten im Osten“, sagte Mirian Körner, 15, „und wir kennen die Zeit der Mauer nicht mehr.“ Während ihrer Klassenfahrt nach Berlin hatten die Schüler dort schon nach Spuren der deutschen Teilung gesucht. „Es gibt zu wenige“, befand die Lehrerin. Für den 3. Oktober hatten sie sich bewusst für einen Ausflug nach Potsdam, „Berlins Vorgarten“, entschieden, weil es hier vielleicht ruhiger als in der Haupstadt sein würde.
War es am Ende auch. „Die Shops sind geschlossen, weil es ein Feiertag ist?“, fragten Touristen aus Israel. Die Gruppe war bei Weitem nicht die einzige, die gestern die Innenstadt besuchte, auch eine portugiesische Reisegruppe ließ sich durch das Holländische Viertel führen. „Keine Besonderheiten heute zum Tag der Einheit“, sagte der geprüfte Stadtführer zwischen zwei genormten Ansagen.
Ornit Horowitz und Drora Olewze aus Israel waren mit ihrer Reisegruppe für einen Tag aus Berlin nach Potsdam gekommen. Das Einkaufen in der Brandenburger Straße fiel aus. „Wir wissen, dass Deutschland geteilt war – eine Hälfte war kommunistisch und eine liberal“, sagten die Frauen. Und sie fanden, dass man immer noch einen Unterschied zwischen Ost und West sieht, in den Straßen und bei den Häusern von Berlin.
Dass es noch immer Unterschiede gibt – vor allem bei den Einkommen und beim Lebendstandard, finden Luisa Jannik und Felix Steinbring. Die beiden Mittzwanziger aus Dresden gehören zur Nachwendegeneration, an ein geteiltes Deutschland haben sie keine Erinnerung. „Wir wissen, was man so aus dem Fernsehen, von den Eltern erfährt“, sagte Luisa Jannik. Den Feiertag nutzten sie zum Reisen, gestern wollten sie noch zum Asisi-Panorama nach Berlin. Das 900 Quadratmeter große Kunstwerk zeigt das geteilte Berlin an einem fiktiven Herbsttag in den 80er Jahren.
Auch Thomas Kube und René Kuhlmann waren gestern unterwegs – mit ihren Rennrädern. In einem Café in der Brandenburger Straße erholten sie sich von der ersten Etappe, „60 Kilometer vom Schäferberg in Berlin-Wannsee über die Glienicker Brücke nach Caputh, Ferch, Geltow – einmal rund um den Schwielowsee und zurück in die Potsdamer Innenstadt. Eine kleine gemütliche Runde“, beschrieb der Berliner Kube die Strecke. Dass das jetzt so einfach geht, das findet der ehemalige Westberliner immer wieder erfreulich. „Früher war halt an der Mauer Schluss, ich kannte das Umland überhaupt nicht. Jetzt bin ich auch beruflich mal in Leipzig, mal in Dresden“, sagte Kube. Seinem Mitfahrer Kuhlmann geht es, wenn auch aus anderer Perspektive, ähnlich: „Wir hätten uns nie getroffen, es gäbe keine gemeinsamen Touren, wenn die Mauer noch stehen würde, das muss man sich mal klarmachen“, sagte Kuhlmann.
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