Landeshauptstadt: Nachholbedarf bei Museen und Bibliotheken
250 Besucher bei Tagung zur digitalen Stadt Wissenschaftler bescheinigen Potsdam Defizite
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Berliner Vorstadt - Potsdam hat auf dem Weg zur Wissensstadt noch Nachholbedarf, diagnostiziert der Informationswissenschaftler Hans Christoph Hobohm. Der Professor der Fachhochschule Potsdam (FH) hat mit seinen Studenten die Region Berlin/Potsdam mit den Metropolregionen Melbourne und Singapur verglichen. Die Ergebnisse stellte er am Freitag auf der Tagung „Stadt der Ströme“ vor, die die FH derzeit mit Unterstützung der Stadt veranstaltet und bei der sich laut Organisatoren 250 Teilnehmer über die Zukunft der Stadt im digitalen Zeitalter austauschen. Hobohms Fazit: „Potsdam müsste sehr viel mehr in Museen und Bibliotheken investieren.“
So kritisiert der Informationswissenschaftler etwa den Bibliotheksbau am Platz der Einheit als „viel zu zurückhaltend“. Wenn die Bibliothek wie gewünscht ein Ort der Begegnung, des lebenslangen Lernens und ein Schaufenster für die Potsdamer Wissenschaftslandschaft sein soll, dann müsse sich das symbolisch auch im Bau widerspiegeln, sagte Hobohm den PNN am Rande der Konferenz, die noch bis zum heutigen Samstag im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse stattfindet. Auch die Angebote der Museen seien in Potsdam bislang nicht genügend sichtbar: „Das Naturkundemuseum zum Beispiel macht sehr gute Arbeit – das wird aber kaum wahrgenommen.“ Laut Hobohm fehlt es dafür am politischen Willen: „Die Stadt müsste sich deutlicher positionieren.“ Für eine Entwicklung zur Wissensstadt reiche es nicht, wenn die Verwaltungsspitze lediglich auf die hohe Wissenschaftlerdichte in Potsdam verweist.
Wie es anderswo funktioniert, erläuterte auf der Tagung am Freitag der Bibliotheksleiter Knud Schulz am Beispiel des von ihm geführten Hauses im dänischen Aarhus. In der 250 000-Einwohner-Stadt entstehe gerade eine neue Bibliothek für rund 50 Millionen Euro – komplett kommunal finanziert, weil Bibliotheken in Dänemark laut Schulz ausschließlich Sache der Kommunen sind. Die Bibliothek entsteht als Leuchtturmprojekt im ehemaligen Hafengelände, das für insgesamt 255 Millionen Euro mit Promenade, Radweg, Freilicht-Bühne und ÖPNV-Anschluss neu erschlossen werden soll. Raum für Ideen gebe es bereits im alten Gebäude, berichtete Schulz. So seien etwa zwei 300 Quadratmeter große „Transformation Labs“ eingerichtet, Räume, die mit wechselnden Projekten bespielt werden. Statt eines Zeitungslesesaales gebe es das „News Lab“, in dem die Bürger etwa die Möglichkeit hatten, Journalisten im Irak per Live-Schaltung zur Situation zu befragen.
Dass digitale Technologien auch bessere Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung bedeuten, erläuterte Hermann Voesgen, Professor für Kulturarbeit an der FH, am Beispiel Potsdams – etwa der Schwimmbad-Debatte oder dem Umbau von Drewitz zur Gartenstadt. In beiden Fällen hatte die Stadt nach Bürgerprotesten ihre anfänglichen Pläne in einem Bürger-Beteiligungsverfahren wieder zur Debatte gestellt. Voesgen spricht von einer „Renaissance der Stadtpolitik“: „Die Bürger sind immer schneller dabei, zu partizipieren.“ Das sei aber auch die Voraussetzung einer „smarten Stadt“, in der gesamtheitlich geplant werde.
Gleichzeitig kritisierte Voesgen, dass es in Potsdam immer weniger Freiraum für alternative Projekte gebe – etwa für das von Studenten organisierte Festival „Localize“, das in der Vergangenheit leer stehende Gebäude für mehrtägige Kulturaktionen nutzte: „Potsdam war einmal ein Ort mit vielen Nischen.“ Er wandte sich auch gegen die Aussage von Mathias Döpfner, dem in Potsdam lebenden Vorstandschef der Axel Springer AG, der im PNN-Interview unlängst gesagt hatte, in Potsdam könne „jeder ein bisschen Pionier sein“. Gerade für Studierende, Jugendliche oder geringer Verdienende treffe das längst nicht mehr zu, hält Voesgen dagegen.
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