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Asylunterkünfte in Potsdam: Nachtruhe von Amts wegen

Die Verwaltung will seit Kurzem entscheiden, welche Geflüchteten in den Unterkünften nachts Besuch empfangen dürfen und welche nicht. Das sorgt für Kritik.

Stand:

Besuche in Potsdamer Flüchtlingsunterkünften sorgen für Konfliktstoff. Kritik am Vorgehen der Stadtverwaltung kommt sowohl vom Flüchtlingsrat Brandenburg als auch von der Fraktion Die Andere in der Stadtverordnetenversammlung. Hintergrund ist wie berichtet eine Anweisung der Stadtverwaltung an die Träger der Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete in Potsdam. Diese verbietet seit Anfang August Besuche in den Einrichtungen zwischen 22 und 7 Uhr.

Das Verbot war in der vergangenen Woche von der Fraktion Die Andere öffentlich gemacht worden. Die Stadtverwaltung selbst hatte es nicht öffentlich kommuniziert. „Die neue Schikane erinnert uns eher an das Reglement einer Kaserne“, hieß es dazu im sozialen Netzwerk Facebook. Mittlerweile geht die Fraktion der Sache auch mit einer Kleinen Anfrage in der Stadtverordnetenversammlung nach. Darin fragt sie unter anderem, auf welcher Rechtsgrundlage sich der Bereich Soziale Leistungen ein Entscheidungsrecht darüber vorbehält, welche Flüchtlinge berechtigt sind, nächtlichen Besuch zu empfangen. Die Fraktion hätten mehrere Beschwerden von Flüchtlingen, die in Potsdamer Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind und von ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten Bürgerinnen erreicht.

Die Stadtverwaltung hatte in der vergangenen Woche die Anweisung auf Nachfrage der PNN relativiert. In den Hausordnungen aller Potsdamer Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge sei die Besuchszeit zwischen 7 und 22 Uhr festgelegt, so Rathaussprecher Stefan Schulz. So sollen Störungen im Zusammenleben der Menschen verhindert werden. Bei der von der Fraktion Die Andere kritisierten Anweisung handele es sich lediglich um einen Hinweis an die Träger, die bestehenden Hausordnungen auch umzusetzen. Hintergrund sei, dass es in den vergangen Wochen mehrfach vorgekommen sei, dass in Unterkünften in Potsdam Gäste übernachtet hätten.

Doch in der E-Mail an die Träger wird die Hausordnung gar nicht erwähnt. Stattdessen heißt es darin, die Stadtverwaltung untersage mit sofortiger Wirkung die Übernachtung von Personen in Gemeinschaftsunterkünften, welche nicht in der Gemeinschaftsunterkunft gemeldet sind. Weiter geht es im Befehlston: „Der Besuch hat die Gemeinschaftsunterkunft bis 22 Uhr zu verlassen.“ Im Falle einer Zuwiderhandlung werden den Trägern nicht näher genannte Konsequenzen angedroht. In Ausnahmefällen könne nach vorheriger Rücksprache eine schriftliche Genehmigung für höchstens eine Übernachtung erteilt werden, heißt es weiter.

Erwachsene Menschen, die bei der Stadtverwaltung um Erlaubnis betteln müssen, wenn sie Besuch empfangen? Die Fraktion Die Andere will das nicht akzeptieren und verweist auf das Integrationskonzept der Stadt. Es liege auf der Hand, dass zu einer wohnungsgleichen Unterbringung ein Mindestmaß an Privatsphäre und die autonome Verfügung über den persönlichen Rückzugsraum gehöre, heißt es in der Begründung der Kleinen Anfrage.

Auch bei Mitarbeitern in der Flüchtlingsbetreuung wird der Ukas aus dem Rathaus kritisch gesehen. Die Untersagung von Besuchen sei eine große Einschränkung für die Bewohner der Einrichtungen. Zuvor hätten sich Besucher unbürokratisch bei den Mitarbeitern der Träger vor Ort angemeldet und so Zugang erhalten. Schließlich komme es vor, dass Familien in verschiedenen Unterkünften leben. „Soll man die Angehörigen dann vor die Tür setzen?“, so eine Sozialarbeiterin. Auch die praktische Umsetzung sei fraglich: Zimmerkontrollen würden wohl kaum zur angestrebten wohnungsähnlichen Unterbringung passen.

Auch beim Flüchtlingsrat Brandenburg kennt man die Anweisung der Stadtverwaltung. Es sei ein Skandal, wie stark das zuständige Amt in die Arbeit der Träger eingreife. Das Verfahren vor Ort solle den Betreibern überlassen werden. Inzwischen sei es vorgekommen, dass einer schwangeren Frau, die sich nicht wohlfühlte, der Besuch des Kindsvaters verwehrt worden sei. Die Stadtverwaltung hätte das damit begründet, dass die Frau ja nicht krank sei und sich auch andere Bewohner der Unterkunft um sie kümmern könnten. Für den Flüchtlingsrat zeigt das Vorgehen der Verwaltung, dass Gemeinschaftsunterkünfte grundsätzlich ungeeignet sind, um die Menschen angemessen zu versorgen. „Heime sind immer Zwangsunterbringungen“, so Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat. Ein selbstbestimmtes Leben sei unter diesen Bedingungen nicht möglich.

Weniger kritisch sieht Reinhold Ehl vom Internationalen Bund (IB), der in Potsdam Träger mehrerer Unterkünfte ist, die aufgeregte Diskussion. Es gebe auch jetzt nach wie vor die Möglichkeit, Verwandte zu besuchen. Er sehe kein größeres Problem. In der Regel wüssten die Bewohner ja im Vorhinein, wann sie Besuch erwarteten. Tatsächlich sei das Übernachtungsverbot bereits in den Verträgen der Stadt mit den Trägern geregelt. Die Hausordnungen seien nun überarbeitet worden.

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