
© Andreas Klaer
Pflege-Berufe in Potsdam: Nähe, die zählt
Der Pflegebedarf wächst, doch es mangelt an Fachkräften: Auch Potsdam verzeichnet 44 Prozent mehr unbesetzte Stellen im Bereich Gesundheit und Sozialwesen als 2015. Dabei gibt es durchaus einiges, was für den Berufszweig spricht.
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Innenstadt - Gerade kommt ein Rettungswagen in der Notaufnahme des St. Josefs-Krankenhauses an: Türen gehen auf, ein Patient wird auf einer Trage hereingefahren. Mittendrin Justus Dreier, Krankenpfleger im zweiten Ausbildungsjahr. Er schiebt Betten zu den Behandlungszimmern, spricht mit den Patienten, verteilt Medikamente. Gerade misst er den Blutdruck einer Patientin und schaut auf die rote Pulsuhr an seinem blassblauen Kittel. „Am Arm darf man keine Uhren oder Ähnliches tragen, aus Hygiene-Gründen“, erklärt der 21-jährige Potsdamer.
Pflegeberufe gehören nicht zu den attraktivsten Jobs: Nachtschichten, geringe Bezahlung und der nahe Kontakt zu alten und kranken Menschen schrecken viele Berufseinsteiger ab. Für Dreier hingegen ist es ein Traumjob: „Das kommt ein wenig aus der Familie: Meine Mutter ist Krankenschwester, meine Großmutter war es auch, meine Schwester ist Hebamme, mein Bruder ist Heilerziehungspfleger“, zählt er auf. „Für mich war es immer normal, dass auch nachts oder am Wochenende gearbeitet wird.“
Leider gibt es zu wenig junge Menschen wie Dreier, die sich für den Pflege-Beruf entscheiden: Derzeit sind in Potsdam laut der Bundesagentur für Arbeit 569 Stellen im Bereich Gesundheit und Sozialwesen offen, über 44 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Insgesamt sind in Brandenburg derzeit 2384 solcher Stellen unbesetzt, ein Anstieg von mehr als 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
„Der Fachkräftebedarf im Gesundheits- und Pflegebereich in Brandenburg ist wie in den Vormonaten hoch“, bestätigt Annika Frahm, Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings weist gerade dieser Bereich den größten Anstieg an Neubeschäftigten vor: „Die absolut größten Zuwächse verzeichneten bundesweit Pflege und Soziales mit einem Plus von 5,8 Prozent“, so Frahm.
Für das St. Josefs-Krankenhaus ist Fachkräftemangel dennoch kein Thema: 154 Krankenpflegerinnen und -pfleger beschäftigt die Einrichtung, offene Stellen gibt es aktuell keine. Dennoch spürt man auch hier, dass es schwer ist, Nachwuchs zu finden: „Wenn mal jemand wegfällt, bekommen wir nicht immer sofort Ersatz“, sagt Claudia Kirnich-Müller, stellvertretende Pflegedirektorin des St. Josefs-Krankenhauses.
Die Bezahlung spielt dabei häufig eine Rolle: „Für uns gilt der Ost-Tarif, in Berlin aber der West-Tarif“, sagt Kirnich-Müller. „Manche entscheiden sich dann natürlich lieber für Berlin.“ Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung verdienen Altenpfleger im Osten durchschnittlich 1945 Euro brutto, im Westen sind es 2568 Euro.
Im St. Josefs-Krankenhaus, das von der katholischen Alexianer GmbH getragen wird, liegt der Lohn für Krankenpfleger laut Kirnich-Müller bei mehr als 2000 Euro, dazu kommen noch diverse Zuschläge, etwa für Arbeit an Feiertagen. „Natürlich könnte es immer etwas mehr Geld sein“, sagt Justus Dreier. Doch das würde nichts an seiner Grundmotivation ändern, wegen der er diesen Beruf ergriffen hat: „Das Wichtigste ist für mich, für die Menschen da zu sein“, sagt Dreier. „Die Patienten geben mir ganz viel zurück, wenn ich ihnen beiseitestehen und Mut zusprechen kann.“ Gern würde er sich mehr Zeit für solche Gespräche nehmen, doch nicht immer ist das möglich. Oft sind es mehr als 20 Patienten, mit den Dreier pro Dienst zu tun hat. „Es ist sehr wichtig, sich Zeit für den Einzelnen zu nehmen, gerade für den Heilungsprozess“, so Dreier.
Seine Freunde hätten zwar nicht ablehnend reagiert, als er als Krankenpfleger anfing, doch immer wieder fiel der Satz: „Ich könnte das nicht.“ Das, damit ist gemeint, Patienten bei Ausscheidungen und beim Waschen zu helfen. „Aber das ist eigentlich nur ein kleiner Teil meiner Tätigkeiten“, sagt Dreier, der ebenso diagnostische, therapeutische, beratende und organisatorische Aufgaben übernehmen muss. Es ist ein sehr verantwortungsvoller Job, denn die Pfleger sind am nächsten an den Patienten dran und registrieren Veränderungen des Gesundheitszustandes oftmals als Erste.
Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, plant die Bundesregierung ab 2018 die bislang getrennten Ausbildungen für Alten-, Kranken- und Kinder-Krankenpflege zu vereinheitlichen. Kirnich-Müller sieht die Pläne kritisch: „Die Qualität der Ausbildung würde darunter leiden“, ist sie überzeugt. „Vor allem Altenpflege-Einrichtungen würden weniger Personal bekommen.“ Im St. Josefs-Krankenhaus versuche man vor allem, bestehende Mitarbeiter zu halten und mit guten Arbeitsbedingungen zu werben. Mit Erfolg: „Nach meiner Ausbildung möchte ich auf jeden Fall bei den Alexianern bleiben“, sagt Dreier.
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