Landeshauptstadt: Narretei ohne Kölsch, aber mit Rex
Karneval jenseits der rheinischen Frohsinns-Grenze: Potsdamer feiern Fasching
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Karneval jenseits der rheinischen Frohsinns-Grenze: Potsdamer feiern Fasching Von Kay Grimmer Die Karnevalleidenschaft der Potsdamer scheint zu wachsen. Nicht nur, dass es stetig mehr Veranstaltungen werden, dank der Eingemeindungen sogar ein weiterer Narren-Klub in Groß-Glienicke dazukam. Auch die Stadt- und Landespolitik zeigt sich: Am Sonnabend saß im Auditorium des Lindenpark-Karnevalsclubs (LKC) Oberbürgermeister Jann Jakobs, gestern schaute Ministerpräsident und Babelsberger Matthias Platzeck vorbei. Kein Wort zur Behauptung, Brandenburg und Karneval passen nicht zusammen, kein Kommentar, dass der Preuße an sich ein eher unkomischer Geselle sei. Das Wochenende bewies nämlich das volle Gegenteil. Besser gesagt, die Potsdamer Narren bewiesen es. Wenn auch ohne Kölsch, aber dafür mit Rex-Pils und jeder Menge Sekt. Gefetet wurde, „bis der Arzt kommt“, so LKC-Moderator Andreas Brandt. Gerade der LKC hatte allen Grund dazu, der Karnevalsclub frozzelt bereits in der 25. Session. Das Vierteljahrhundert des Bestehens wurde unter das Motto „In der Südsee unter Palmen feiern, bis die Socken qualmen“ gestellt, die Temperatur im Stammhaus Lindenpark näherte sich im Laufe des über zweistündigen Programms denn auch schnell tropischer Hitze. Während gestern Abend das eigentliche Jubiläum gefeiert wurde – zwölf befreundete Vereine aus Brandenburg und Ministerpräsident Matthias Platzeck kamen zum Glückwunschparcour vorbei – schaute am Samstagabend Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs vorbei, in wunderschönem Ringel-Badeanzug. Der durfte, wie die 1200 Gäste des Abends das hochdekorierte Tanzmariechen Ellen Lehmann bewundern. Die Zweitplatzierte der Deutschen Meisterschaft ist der Stolz des Vereins, wie auch LKC-Präsident Folkhardt Kaufmann unverhohlen zugab. Trainiert von Marita Erxleben sorgte sie für den Augenschmaus bei den Herren der Zunft, hingegen sorgte das Männerballett für spitze Schreie vor allem bei den weiblichen Gästen. Ungeteilte Bewunderung fand die artistische Spitzenleistung der Trampolinspringer vom „Potsdamer Scheiterhaufen“, bekannt als die LKC-Hoppers. Einer der wohl unermüdlichsten Jecken jenseits der rheinischen Karnevalsgrenze ist der Präsident des Potsdamer Karnevalsclubs (PKC) Hans-Georg Meyer bekam unlängst die silberne Ehrennadel für 30 Jahre unermüdliches Werkeln in narrenarmen Arealen. Das Faschings-Urgestein entführte mit seinem 50 Mitglieder starken Club die Gäste in dieser Session ins Märchenland. Stets mit kleinen mehr oder weniger versteckten Anzüglichkeiten erhöhte Meyer in seinem „erotischen Märchen der Gebrüder Schlimm“ stetig die Betriebstemperatur im ausverkauften Saal des Gasthauses „Zum Lindenhof“ in Drewitz. Denn auch das gehört zur Karnevalszeit wie die Narrenkappe und ein dreifach donnerndes Helau: Frivoles, Schenkelklopfersprüche und Anzüglichkeiten. Hans-Georg Meyer umriss die Absichten des Karnevals einfach, aber passend: „In Zeiten, in denen Negativ-Meldungen die Masse sind, wollen wir für einen Abend mal gute Laune und Spaß verbreiten.“ Regelrechte Nachwuchsarbeit in Sachen Karneval betrieben der Ausländerbeirat und die katholische Kirche. Für Kinder und Eltern von Ausländern in Potsdam organisierten sie einen Kinderfasching in der Gemeinde St. Antonius. Dabei musste Maria Routschka erst einmal die Grundzüge des Faschings erklären. Mit eigens bereitgestellter Schminke und Kostümen aus dem Kirchenfundus verwandelten sich die Kinder aus Afghanistan, Albanien und Russland schnell in Cowboys, Tiger oder Fantasiefiguren. Der zehnjährige Jalal, seit sechs Monaten in Deutschland erklärte: „In Afghanistan gibt es zwar auch Feste, bei denen man sich verkleidet, aber einen Fasching habe ich bisher noch nicht gekannt.“ Umso einsatzfreudiger zeigte er sich beim Eierlauf, beim Wettrutschen oder beim Tanzen und Singen. Der Vorsitzende des Ausländerbeirats, der Kameruner Yoham-Panton Ke“ngum freute sich, dass sowohl Eltern als auch Kinder mitmachten: „Solche Veranstaltungen sollen helfen, dass sich die ausländischen Kinder untereinander austauschen können. Schön wäre es, wenn zukünftig Deutsche vorbeikommen, damit sich auch Potsdamer und Ausländer kennen lernen.“ Noch gilt für eingefleischte Karnevalisten: Erst am Aschermittwoch ist alles vorbei. Und so lud PKC-Präsident Hans-Georg Meyer zur heutigen Rosenmontagssitzung ab 20 Uhr ein: „Wir lassen alle rein!“ Denn mit dieser Fete wird die diesjährige Session abgeschlossen und da wollen die Organisatoren es noch einmal richtig krachen lassen. Auch beim LKC wird es heute Abend, ebenfalls ab 20 Uhr, hoch hergehen, wenn die 25. Session zu Ende geht. Und schließlich wollen Potsdamer Narren beweisen: Frohsinn, Spaß und Feierlaune und die Brandenburger Mentalität schließen sich eben nicht per se aus. Was am vergangenen Wochenende leicht bewiesen wurde
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