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Landeshauptstadt: Nerzrecycling

Kürschnerin Kristina Hasenstein macht aus alten Pelzen neue Lieblingsstücke. In „Mode & Design“ verkauft sie auch eigene neue Kreationen

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Die Winterjacke aus Mikrofaser ist schon etwas älter. Jetzt wurde sie aufgepeppt: Kristina Hasenstein hat den Parka mit einem Streifen Fuchspelz verlängert, auch der kuschelige Kragen ist neu. „Alles abknöpfbar, damit man es waschen kann“, sagt die Kürschnermeisterin. Die Kundin, die extra dafür aus Berlin nach Potsdam gekommen ist, freut sich. Fuchsfell und Jacke lagen jahrelang rum, nun wird sie es wieder tragen.

Solche Aufträge bekommt Kristina Hasenstein häufig. In ihrem Geschäft „Mode & Design“ in der Charlottenstraße verkauft sie hauptsächlich hochwertige, durchaus ein wenig exzentrische Damenmode – aber auch Pelze. In ihrer kleinen Werkstatt fertigt sie außerdem Reparaturen und Änderungen an. „Hängt Ihr ,Alter’ auch nur im Schrank rum?“ hat sie die Kampagne genannt. Es macht ihr Spaß, aus einem alten guten Stück etwas Modernes entstehen zu lassen. Stücke, die wieder gern getragen werden. „Warum soll man etwas wegwerfen? Oder in der Ecke verkümmern lassen? Das wäre schade“, sagt sie. Die Kundinnen denken ähnlich.

Angela Paustian ist heute zur sogenannten Leinenprobe gekommen. Bekleidet mit einem weißen Schnittmuster – eine Art weißer Kittel, hier und da abgesteckt, geheftet, mit Linien markiert – steht sie vor dem großen Spiegel. Der Nerz, den sie sich vor 30 Jahren einmal gekauft hat, liegt dekorativ auf dem großen Schneidetisch. 8000 Mark hat sie damals dafür bezahlt. „Eine Versicherung wurde ausgezahlt“, sagt sie und lacht. Es sollte ein zeitloser Mantel für die Ewigkeit sein – doch die Rechnung ging nicht auf. „Mein Mann hat gesagt, darin seh ich 20 Jahre älter aus“, sagt Angela Paustian.

Von Kristina Hasenstein erhofft sie Rettung. Die Frauen haben sich einen Entwurf für einen modernen, sportlichen Mantel angeschaut. Tailliert, etwas gesteppt. In wenigen Wochen soll der altbackene Pelz dazu umgearbeitet werden. Das bedeutet, die Teile voneinander zu trennen, eventuelle Öffnungen zu verschließen, die Teile zu waschen und zu spannen. Dann erst kommt die Näharbeit. Ein bisschen nervös sei sie schon bei der Vorstellung, dass in Kürze ihr schöner Mantel zerschnitten und verstümmelt werde, sagt die Dame. So ein Auftrag setzt durchaus Vertrauen voraus.

Kristina Hasenstein hat solche Kürschnerarbeiten von der Pike auf gelernt. Drei Jahre dauerte die Ausbildung. Eigentlich wollte sie Schneiderin werden, doch die Handwerkskammer schlug eine Kürschnerausbildung vor. „Ich wusste gar nicht, was das ist“, sagt sie. Doch nach einem Praktikum war sie begeistert – und ist es noch immer. Es sei ein wunderbarer Rohstoff, der schließlich bei der Tierverarbeitung anfalle. Mit Pelzgegnern kann sie nichts anfangen. Es gebe hohe Auflagen für Pelztierfarmen, sagt sie, letztlich bekomme man auch nur von gesunden Tieren schöne Felle. Die Kundin nickt. „In Italien trägt jede zehnte Frau so einen Mantel“, sagt sie. Nur in Deutschland wird der Pelz den Frauen schlechtgeredet. Und die Kürschnerin ergänzt: „In vielen Ländern wird er einfach gegen die Kälte gebraucht, in Skandinavien, in Russland.“ Zu DDR-Zeiten hat sie in ihrem Lehrbetrieb regelmäßig ganze Familien der russischen Armee ausgestattet – mit Maßanfertigungen für sämtliche Damen und Kinder, bevor die zurückgingen in die Heimat. Jetzt kommt auch hier der Winter, warme Jacken sind gefragt. Angela Paustian wird ihren neuen alten Mantel sogar beim Fahrradfahren tragen.

„Schon immer gab es Pelze, auch die Urmenschen haben sich Fell um den Bauch gewickelt“, sagt Kristina Hasenstein. Dieser Kuschel- und Wohlfühlfaktor, der sei etwas Besonderes. „Egal was man darunter trägt, man friert eben nicht“, sagt eine Kundin. Natürlich gibt es auch Damen, die hier ein Statussymbol oder gar eine Wertanlage suchen. Das sei gar nicht so abwegig, findet Kristina Hasenstein. „Eine neue Küche verliert in wenigen Jahren ihren Wert – ein Pelz hält Generationen. Bei guter Pflege. Das heißt, alle paar Jahre eine Spezialreinigung durchführen lassen und das gute Stück luftig und trocken aufhängen, am besten geschützt unter einem alten Bettbezug. Gerne erklärt die Kürschnerin das kleine Einmaleins der Fellpflege.

Mindestens 2000 Euro muss man für eine neue Jacke oder einen neuen Kurzmantel rechnen. Im Geschäft sind ein Dutzend Modelle vorrätig, was fehlt, wird bestellt. Es gibt Lammfellmäntel im klassischen Vintage-Design, schnörkellos und gerader Schnitt. Daneben verspielte Entwürfe von Kristina Hasenstein selbst, zumeist ein Mix aus Textil, Stickerei, Accessoires und Pelz. Moderne Kurzjacken oder figurbetonte Mäntelchen.

Kleinigkeiten, Mützen, Kragen, Schals gibt es für weniger. Zum Angewöhnen. Oder zum Aufpeppen. Junge Mädels sparen ihr Taschengeld, damit Kristina Hasenstein einen langweiligen Kunstfaserstreifen an der Kapuze gegen etwas Echtes austauscht, ein Stückchen Fuchs beispielsweise. Oder lassen sich ein neues Futter in einen Mantel vom Flohmarkt nähen.

„Man muss sich auf das Produkt einlassen“, sagt Kristina Hasenstein. Ihre Waren bezieht sie zumeist aus Europa, zertifizierte Produkte aus Lammfell, Fuchs, Nerz. Klar, auch ihre Schaufenster wurden schon von Tierschutz-Aktivisten besprüht, sagt sie. „Aber ich will mich nicht verstecken.“ Pelz zu tragen – das müsse in einer Demokratie schließlich möglich sein. Und letztlich sei das Fell ein Teil des Tieres – warum solle man nicht das gesamte Tier gebrauchen? Gibt es einen ethischen Unterschied zwischen Fleischkonsum und der Verwendung des Fells?

Charlottenstraße 90/91, Tel. 7482244

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