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Die Alte Wache in Potsdam: Neues Geld aus Alter Wache

Nach 45 Jahren Zwangspause eröffnete die Commerzbank 1990 ihre erste Filiale in Potsdam nach dem Fall der Mauer – wenige Tage vor der Währungsunion

Von Matthias Matern

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Für Uta Chrost war der Weg zur neuen Arbeitstelle im Frühsommer 1990 ein Reise ins Unbekannte. „Ich war zuvor nie in Potsdam gewesen. Das war für mich praktisch ein weißer Fleck auf der Landkarte“, erinnert sich die heute 49-Jährige. Dabei lag ihr künftiger Arbeitsplatz gerade einmal gut 20 Kilometer von ihrem Zuhause in Berlin-Lichterfelde entfernt. Zusammen mit Kollegen aus mehreren Westberliner Filialen der Commerzbank sollte die damals 24-Jährige nach 45 Jahren Zwangspause die Wiedergeburt der Bank-Repräsentanz in Potsdam organisieren.

Ende Juni, nur wenige Tage vor der Währungsunion, nahm die neue Filiale in der Alten Wache ihren Betrieb auf. Mit einer Ausstellung, einem Stadtrundgang mit Kunden der ersten Stunde sowie einem Gewinnspiel denkt die Commerzbank dieser Tage zurück an ihre Heimkehr nach Potsdam vor 25 Jahren.

Uta Chrost, die noch immer für die Bank in Potsdam arbeitet, erinnert sich noch sehr gut an die ersten Tage – den mitunter nervenaufreibenden Weg zur Arbeit, das ständige Improvisieren, die vielen Fragen der verunsicherten Neukunden. „Zum Anfang standen uns in der Alten Wache nur drei Räume zur Verfügung. Die mussten wir ja erst mal einrichten“, berichtet Uta Chrost. „Das Gebäude selbst wurde ja gerade saniert. Es herrschte damals ein richtiger Pioniergeist.“

Zunächst hätten sie und ihr Team vor allem viele Fragen beantworten müssen: Wie funktioniert das mit den Banken im Westen eigentlich? Gibt es bei der Commerzbank auch Spar-Girokonten? „Am Anfang kamen die Menschen noch etwas zögerlich, dafür hatten wir mehr Zeit für Beratungen. Ich kann mich noch an viele nette Gespräche erinnern“, sagt Chrost. Der Weg nach Potsdam war anfangs dagegen alles andere als nett. „Wir mussten mit einem Doppeldecker über den Grenzübergang Dreilinden fahren. Manchmal haben die uns einfach stehen lassen, bis sie dann mal unsere Personalausweise kontrolliert haben“, erinnert sich Chrost.

Für die heute zweitgrößte Großbank Deutschlands war die Eröffnung einer Repräsentanz in der damaligen Bezirkshauptstadt Potsdam schon allein aus Wettbewerbsgründen alternativlos. Mit Blick auf knapp 17 Millionen in Finanzfragen nahezu unbedarfte DDR-Bürger lieferten sich die westdeutschen Banken ein regelrechtes Wettrennen um die besten Standorte in Ostdeutschland. Kein Wunder also, dass sich derzeit in den neuen Bundesländern die Bankenjubiläen häufen. In Potsdam etwa feiert unter anderem auch die Deutsche Bank im Juli ihre Rückkehr nach Potsdam.

Während 1990 aber die Deutsche Bank und die damals noch eigenständige Dresdner Bank das Filialnetz der ehemaligen Staatsbank der DDR unter sich aufteilten, startete die Commerzbank von einer vergleichsweise schlechteren Position als die Konkurrenz. „Wir waren gewissermaßen in Zugzwang und mussten einen neuen Standort finden – möglichst zentral und fußläufig zu erreichen“, erzählt Commerzbank-Sprecher Mathias Paulokat. Ausgewählt wurde die Alte Wache an der Lindenstraße, vor der Wende Sitz des Bezirksvorstands der CDU.

Wie die Commerzbank war auch die Deutsche Bank schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg in der damaligen Residenzstadt vertreten. Während die Deutsche Bank den Beginn ihrer Geschichte in Potsdam auf das Jahr 1910 datiert, geht der Ursprung der Commerzbank in der Stadt nach eigenen Angaben auf das Jahr 1902 zurück. Damals hatte die aus Hamburg stammende Commerz- und Disconto-Bank das in Potsdam ansässige Bankhaus A. Horrwitz übernommen. Das entsprechende Gebäude in der früheren Nauener Straße 43, heute Friederich-Engels-Straße, wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg durch einen Luftangriff zerstört, die Ausweichstelle in der Brandenburger Straße 1945 auf sowjetischen Befehl geschlossen.

Trotz der ungleichen Startschwierigkeiten im Banken-Wettrennen hatte sich die Rückkehr nach Potsdam für die Commerzbank gelohnt. „Bis Dezember 1990 hatten wir bereits 4200 Kunden“, berichtet der heutige Direktor der Niederlassung, Frank Fichtelmann, der selbst früher bei der Dresdner Bank gearbeitet hat, die 2009 von der Commerzbank übernommen wurde.

Wie bei vielen damaligen Bankangestellten haben sich auch bei Uta Chrost vor allem die Bilder vom Tag der Währungsunion am Sonntag, dem 1. Juli 1990, eingeprägt. Von Rostock bis Jena warteten die DDR-Bürger in Schlangen vor den Banken, um ihre Vermögen an Ost-Mark in D-Mark einzutauschen.

Bei der Commerzbank in Potsdam war der Andrang so groß, dass zusätzlich noch ein Bürocontainer aufgestellt werden musste. „Wir hatten einfach nicht genug Schreibtische. Eine Kollegin hat sogar mit der Schreibmaschine auf den Knien gearbeitet“, erinnert sich Uta Chrost.

In ihrer heutigen Form entstanden ist die Alte Wache zwischen 1795 und 1797 nach Plänen von Andreas Ludwig Krüger. Dieser hatte zwei zuvor eigenständige Gebäude vereint und mit einer frühklassizistischen Fassade versehen. Zur Linden- wie zur Charlottenstraße umgibt den zweigeschossigen Bau ein Bogengang. Über dem Bogen sind Helme zu sehen. Auf einer Schmuckbank als Attika auf dem obersten Gesims sind unter anderem Figuren des Kriegsgottes Mars und der Schutzgöttin von Handel und Gewerbe Minerva zu sehen. Auf einem Medaillon ist zudem ein Porträt des Bauherrn, König Friedrich Wilhelm II., zu sehen.

Die Alte Wache gilt heute nicht zuletzt wegen des Bogengangs als eines der wertvollsten Baudenkmale der Innenstadt. Zuletzt wurden Teile des Gebäudes vor rund sechs Jahren aufwendig restauriert. PNN

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