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Landeshauptstadt: Neues Gutachten zum Tod von Magnus

Staatsanwaltschaft: Entscheidung über Anklageerhebung „in nächster Zeit“ / Kritik an Ermittlungsdauer

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Die Fragen klingen kalt und emotionslos. Wie lange dauert es bis zum Tod, wenn ein Kleinkind stranguliert wird? Ab wann setzt in so einem Fall der Herzschlag aus? Im Ermittlungsverfahren um den Tod des kleinen Magnus B. beschäftigt sich ein neues Zusatzgutachten der Potsdamer Rechtsmedizin mit ebensolchen Fragen – und lässt Vorwürfe aufkommen, dass die Nachforschungen der Potsdamer Staatsanwaltschaft hätten schneller vorangehen können. „Manche Punkte hätte man früher ermitteln können“, sagte Andreas Wattenberg, der Anwalt der Familie des vor rund einem anderthalben Jahr verstorbenen Kleinkinds, den PNN auf Anfrage.

Am 26. Juni 2006 war der damals 18 Monate alte Magnus aus bis jetzt nicht gänzlich aufgeklärten Umständen leblos in der Babelsberger Kita Regenbogenland gefunden worden – in einem Spielzelt aus Weidenzweigen. Offenbar starb er, weil er seinen Kopf durch zwei biegsame Äste zwängte, die dann zurückschnappten – mit seinem Hals blieb Magnus auf einem Hanfseil hängen, das die Zweige in 60 Zentimetern Höhe zusammenhielt. Tage später verstarb Magnus im Krankenhaus.

Wie lang er in der Falle aus Zweigen hing, ist umstritten – und bedeutsam, weil gegen die ehemalige Kita-Leiterin und eine weitere Angestellte wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird. Im Kern steht das neue Gutachten den bisherigen Erkenntnissen zweier Untersuchungen aus dem westfälischen Münster und St. Gallen in der Schweiz, die von den Eltern eingeholt wurden, entgegen. Beide gehen davon aus, dass Magnus mindestens fünf bis sieben Minuten keine Luft bekam, im Extremfall sogar 20 Minuten niemand nach ihm sah (PNN berichteten). Dagegen hatte die Potsdamer Pathologen zunächst maximal drei Minuten Strangulationszeit angenommen – und sollten deswegen eine Stellungnahme zu den zwei abweichenden Gutachten abgeben, die nun vorliegt.

Nach PNN-Informationen verteidigen die Potsdamer darin zwar im Grundsatz ihre Annahme von „nur“ drei Minuten ohne Luftzufuhr, relativieren aber dennoch ihre Position und schlagen weitere Ermittlungen vor. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, wann Magnus“ Herz zu schlagen aufhörte – dazu wollen die Potsdamer Rechtsmediziner die später eintreffenden Sanitäter und weitere Zeugen befragt wissen. Allerdings seien die Sanitäter dazu bisher nicht von der Staatsanwaltschaft vernommen worden, sagte Eltern-Anwalt Wattenberg. Der Zeitpunkt des Herzstillstands ist bedeutsam, weil die Gutachter der Eltern daraus die Strangulationszeit ableiten – und ihnen die Potsdamer Rechtsmediziner in ihrem aktuellen Bericht zumindest die Anwendung dieser Methode bestätigen. „Es müssen endlich alle Zeugen befragt werden. die damals vor Ort waren“, sagte Wattenberg. Er kritisierte, dass jetzt, anderthalb Jahren seit dem Unfall, schon „erhebliche Zeit“ verstrichen sei. Seine Seite werde nun Stellungnahmen der Rechtsmediziner aus St. Gallen und Münster einholen, zudem werde ein Positionspapier an Potsdams Staatsanwaltschaft vorbereitet.

Das Interesse der Potsdamer Öffentlichkeit an dem Fall ist groß– auch weil sich die Ermittlungen von Anfang an offenbar problematisch gestalteten. Zunächst hatten die Kita-Leitung und die Diakonie als Träger behauptet, Magnus habe sich beim Spielen mit seiner Bernsteinkette an einem Ast verfangen – und sich so selbst stranguliert. Damit hätten die Eltern indirekt eine Mitschuld am Tod ihres Kindes besessen, weil sie sich zuvor geweigert hätten, ihrem Kind die Kette abzunehmen. Allerdings gilt diese Version nach der Aussage des Mitarbeiters einer Unfallkasse inzwischen als widerlegt: Er hatte in dem Iglu nichts erkennen können, an dem sich Magnus“ Kette hätte verfangen können. Zudem wäre die Kette wegen des Gewichts des Kindes gerissen. Jedoch hatte die Staatsanwaltschaft erst ein halbes Jahr nach dem Unfall explizit wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung Ermittlungen begonnen. Seitdem diktieren Gutachten das Geschehen, die Beschuldigten haben sich noch nicht geäußert.

Das Verfahren könnte aber bald abgeschlossen sein, sagte der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft Christoph Lange: „Gibt es keine neuen Beweisanträge, wird in nächster Zeit eine Entscheidung getroffen.“ Ob dann eingestellt oder Anklage erhoben würde, könne er noch nicht sagen. Kritik an seiner Behörde werde nicht kommentiert.

Für Wartenberg und die Eltern zumindest liegen die Dinge klar: Es müsse Anklage erhoben werden, jenseits der verschiedenen Auffassungen um den Todeszeitpunkt. „Die Konstruktion des Iglus an sich war fragwürdig“, sagte Wartenberg. Zudem dürften so kleine Kinder wie Magnus keinen Augenblick allein gelassen werden. Der Weiden-Iglu sei offen einsehbar gewesen. Der Standpunkt der Eltern bleibe: Das Unglück hätte mit mehr Sorgfalt vermieden werden können.

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