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Suche nach Elias aus Potsdam: Neues Konzept für Umgang mit Freiwilligen
Die Solidarität unter den freiwilligen Helfern war überwältigend. Doch zunehmend wurde die Suche nach Elias chaotisch, zuletzt dominierte Zwietracht. Nun wollen die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg die Suche auswerten und neue Leitlinien entwickeln.
- Peer Straube
- Henri Kramer
Stand:
Potsdam - Die teils chaotischen Zustände bei der Suche nach dem sechsjährigen Elias sollen nicht ohne Konsequenzen bleiben: Stadt und Land kündigten auf PNN-Anfrage an, den Ablauf des Einsatzes der freiwilligen Helfer nach dessen Ende auszuwerten und Konzepte zu erarbeiten, wie künftig mit solchen Situationen umgegangen werden soll. Die Verwaltungen reagieren damit auf die große Zahl freiwilliger Helfer, die sich an der Suche nach dem verschwundenen Kind beteiligen, sich dabei aber über mangelnde Unterstützung von den Behörden beklagt hatten. Wie berichtet hatten vor allem in den ersten Tagen der Suche nach Elias zum Teil mehrere Hundert Helfer den Schlaatz unkoordiniert durchkämmt.
Psychologische Hilfe für die freiwilligenden Elias-Sucher
Um die inzwischen zunehmend frustrierten freiwilligen Helfer psychologisch zu betreuen, schickt Brandenburgs Innenministerium sein Einsatz-Nachsorgeteam (ENT) an den Schlaatz. Die Gruppe unter ihrem Leiter, dem Pfarrer Stefan Baier, solle die „Menschen vor Ort durch diese schwierige Situation begleiten“, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker den PNN. Das ENT besteht aus Mitgliedern von Feuerwehr, Polizei und Rettungdiensten, die über eine spezielle Zusatzausbildung verfügen, um Menschen in Stresssituationen zu helfen.
Fehler bei der Koordinierung der freiwilligen Helfer habe die Polizei aus Ministeriumssicht nicht gemacht, sagte Decker. Es sei nicht deren Aufgabe, „hinter jedem Ehrenamtler herzulaufen“. Die Beamten hätten sich auf ihre eigene Fahndung konzentrieren müssen. Allerdings werde man nach dem Abschluss des Einsatzes eine umfassende Auswertung durchführen. Dabei werde auch geprüft, ob Leitlinien für den künftigen Umgang mit freiwilligen Helfern erarbeitet werden, die sich über soziale Netzwerke zusammenschließen.
Chaosphase am Anfang der Suche
Die Polizei hatte am Dienstag eingeräumt, dass es in der ersten Zeit der Suche eine „Chaosphase“ gegeben habe. Das sei aber normal und die Phase nur kurz gewesen, sagte Michael Scharf, Chef der Sonderkommission „Schlaatz“. Es sei auch nicht das Ziel gewesen, die Helfer „in den Griff“ zu bekommen, sondern sicherzustellen, dass kein Informationsverlust entstehe, so Scharf. Für Spuren habe es keine Anhaltspunkte gegeben, daher hätten die Helfer auch keine verwischen können, erklärte Kripo-Chef Sven Mutschischk.
Die Stadtverwaltung erklärte am gestrigen Mittwoch über ihren Sprecher Stefan Schulz, man habe gleich zu Beginn die Unterstützung durch das Ordnungsamt und die Feuerwehr angeboten, unter anderem seien Handzettel mit Suchaufrufen verteilt worden. „Zur Unterstützung gehörte es jedoch nicht, die freiwilligen Helfer anzuleiten“, sagte Schulz. Es handele sich um laufende Ermittlungen der Polizei. Gleichwohl wolle man das Geschehen im Nachgang noch einmal mit den anderen Behörden auswerten. Im Rathaus gebe es zwar Einsatzkonzepte für Krisen, in denen freiwillige Helfer eingebunden werden können – insbesondere bei Naturkatastrophen. „Aber eben nicht bei solchen Krisenlagen, die direkt hoheitliche Aufgaben der Polizei berühren“, so Schulz.
Noch nie gab es so einen Fall in Deutschland
Einen Fall wie diesen, bei dem sich bei der Suche nach einer vermissten Person über soziale Netzwerke Zehntausende Menschen miteinander austauschen und Hilfe anbieten, habe es in Deutschland noch nie gegeben, sagte Beate Coellen, Leiterin des Präsidialbüros beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Daher fehlten auch Erfahrungen im Umgang mit den Helfern. Polizei und Stadt seien womöglich anfangs schlicht überfordert gewesen. Daraus sei ihnen aber kein Vorwurf zu machen, denn deutschlandweit stehe man beim Phänomen ehrenamtlicher Hilfsangebote über soziale Netzwerke noch ganz am Anfang. Coellen hat selbst Erfahrung: Bei der Oderflut 1997 war sie im Brandenburger Innenministerium Referatsleiterin für Katastrophenschutz. Für den künftigen Umgang mit dem Phänomen bereite das Bundesamt derzeit Leitlinien vor, die dann den Ländern als Handlungsempfehlung zur Verfügung gestellt werden sollen.
Auch bei Brandenburgs Deutschem Roten Kreuz (DRK) arbeitet man an einem solchen Regelwerk. Es sei wichtig, schnell zu reagieren und die Helfer gezielt einzusetzen, um Parallelstrukturen zu vermeiden, sagte DRK-Sprecherin Iris Möker den PNN. Das Hochwasser 2013 habe die Grenzen beim Einsatz solcher Helfer bereits aufgezeigt. Diese seien nur „schwer zu steuern“, hätten fehlende Fachkenntnisse, würden Falschmeldungen und Gerüchte verbreiten und neigten zur Selbstüberschätzung, heißt es in einer den PNN vorliegenden Analyse des Notdienstes. Daher komme es auf eine bessere Koordinierung und Einweisung an, ebenso auf psycho-soziale Nachsorge für die Helfer.
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