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Von Sabine Schicketanz: Neustart für Biosphäre: Verfahren läuft

Französische Firmengruppe Montparnasse 56 hält an Kroko-Sphäre fest / Konsortium droht mit Klage

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Bornstedter Feld - Die Landeshauptstadt hat den zweiten Anlauf zur Privatisierung der Tropenhalle Biosphäre gestartet, die Potsdam jährlich rund eine Million Euro kostet. Seit Mitte Dezember sucht sie per europaweitem Vergabeverfahren erneut nach einem Betreiber oder Käufer für die zur Bundesgartenschau 2001 eröffnete Pflanzenhalle, die heute über den städtischen Entwicklungsträger Bornstedter Feld betrieben wird. Bis 24. Januar müssen die Angebote eingegangen sein.

Die Entscheidung, die Biosphäre erneut auszuschreiben, hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Mitte Oktober mit Billigung des Hauptausschusses der Stadtverordnetenversammlung getroffen. Begründung: Es hatten sich zwei neue Interessenten gemeldet, die der Stadt eine „deutliche finanzielle Entlastung“ bringen würden, wie Jakobs damals sagte. Für sie sollte die bereits mehr als zwei Jahre laufende erste Ausschreibung beendet und gleichlautend neu gestartet werden. Nur so könnten sich die zwei neuen Interessenten offiziell daran beteiligen, so Jakobs. Die Stadtverordneten widersprachen dem Verfahren nicht und beschlossen die neue Ausschreibung.

Einer der beiden neuen Biosphäre-Interessenten war zwischenzeitlich durch einen PNN-Bericht bekannt geworden: So hat die französische Firmengruppe „Montparnasse 56“, die in Berlin seit 1993 den Fernsehturm betreibt, ihr Interesse bekundet, die Tropenhalle zu übernehmen oder zu kaufen. Sie will daraus Europas zweite Krokodil-Farm nach Vorbild der von ihr betriebenen „La Ferme aux Crocodiles“ im französischen Pierrelatte im Rhônetal machen. Wie Christina Aue, Geschäftsführerin der TV Turm Alexanderplatz Gastronomiegesellschaft mbH und für Montparnasse 56 für die Expansion in Berlin und Umland verantwortlich, gestern auf PNN-Anfrage bestätigte, bleibe das Unternehmen bei seinem Vorhaben und werde sich jetzt an der neuen Ausschreibung beteiligen. Alle Details müssten in der zweiten Phase des Verfahrens besprochen werden; dazu sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung notwendig. Aue betonte, das Konzept von Montparnasse 56 sei „nicht weit vom Ursprungskonzept entfernt“. Es gehöre zur Philosophie der Firmengruppe, nach eigenen Angaben spezialisiert auf die „Nutzung und Wertsteigerung von touristischen Standorten“, ein „Wachstum im Einklang mit der Seele des Standortes“ zu verfolgen. Es zählten „nie ausschließlich kommerzielle Gesichtspunkte“.

Für Potsdam besonders attraktiv scheint das Ansinnen von Montparnasse 56, vorbehaltlich einer umfassenden Wirtschaftsprüfung das Risiko für die Biosphäre allein zu tragen. Potsdam zahlt seit der Insolvenz des letzten Betreibers – einer Tochterfirma der Hamburger Flebbe Filmtheater GmbH – im Sommer 2007 jährlich zwischen 800 000 und 1,3 Millionen Euro für die Biosphäre. 2009 waren es sogar 2,9 Millionen Euro, unter anderem weil Potsdam sich mit den Biosphäre-Architekten Barkow Leibinger über die Honorare stritt. Der vor dem Landgericht geschlossene Vergleich hat nach Angaben der Verwaltung insgesamt 950 000 Euro gekostet.

Möglich scheint jedoch, dass für Potsdam auch der Neustart der Biosphäre-Ausschreibung teuer wird. Andreas Waschk, der mit seiner „Andreas Waschk Consulting“ (AWC) im Konsortium mit der SMG Deutschland einziger Bieter in der gestoppten ersten Ausschreibung war, erneuerte gestern auf PNN-Anfrage seine Ankündigung, gegen Potsdam juristisch vorzugehen. „Wir halten es für rechtswidrig, was die Stadt macht“, sagte Waschk. Er habe der Verwaltung eine Frist gesetzt, dieses Vorgehen zu „heilen“. Geschehe dies nicht, werde er den Rechtsweg beschreiten, so Waschk. Er räumte ein, dass das AWC/SMG-Angebot nicht vorsah, auf Zuschüsse der Stadt für den Tropenhallen-Betrieb zu verzichten. Dies habe man nach einer Prüfung des Unternehmens durch ein zwölfköpfiges Expertenteam verworfen, so der Berater: „Es gibt erhebliche Risiken.“ Dass nun die Ausschreibung gleichlautend einfach neu gestartet werde, sei „eine Unverschämtheit“, so Waschk. „Die Stadt beugt das Vergaberecht. Das lassen wir uns nicht gefallen.“

Im Hauptausschuss im Oktober, als Jakobs den Neustart vorschlug, waren einige Stadtverordneten skeptisch was die Zulässigkeit des Verfahrens angeht. Sie hatten sich zusichern lassen, Einblick in die „rechtliche Stellungnahme“ nehmen zu können, wonach die Neu-Ausschreibung juristisch unbedenklich ist. In Auftrag gegeben hat die Stadtverwaltung diese bei der Kanzlei „Heuking Kühn Lüer Wojtek“, erstellt wurde sie unter anderem von Ute Jasper. Die Vergaberechtlerin war bundesweit bekannt geworden, weil sie nach der Loveparade-Katastrophe vom Juli 2010 mit 21 Toten in einem von der Stadt Duisburg beauftragten Gutachten die dortige Verwaltung entlastete.

Im Potsdamer Gutachten kommt Jasper mit ihrem Kollegen Jens Biemann zu dem Schluss, dass die Stadt laut kommunalem Haushaltsrecht verpflichtet sei, die Zuschüsse für die Biosphäre zu senken. Allerdings könne bei der AWC/SMG-Bietergemeinschaft kein wirtschaftliches Ergebnis der Vergabe erwartet werden. Daher sei der Neustart korrekt. Waschk sieht in dem Gutachten einen Versuch der Stadt Potsdam, sich um eine Entschädigung für die durch die Bewerbung entstandenen Kosten zu drücken.

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