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Landeshauptstadt: Nicht mehr Kind – noch nicht erwachsen

Jugendweihen erfreuen sich in Potsdam nach wie vor großer Beliebtheit – eine Bilanz

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Jugendweihen erfreuen sich in Potsdam nach wie vor großer Beliebtheit – eine Bilanz Fast 1300 Potsdamer Jugendliche haben dieses Jahr ihre Jugendweihe gefeiert - ein Zeichen für die ungebrochen große Beliebtheit dieses „Rituals“ des Kindes auf dem Weg zum Erwachsenen. Der „Branchenriese“ in der Landeshauptstadt ist mit 1065 Teilnehmern der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg – einer von neun Regionalverbänden - gewesen. „Gefeiert wurde an drei Maiwochenenden im Schlosstheater und im Nikolaisaal“, sagte Martina Winkler. Der Verband bezeichnet diese Feiern aber als „Jugendfeste“, um den Bruch mit der DDR-Tradition, in der die „Jugendweihe“ für Parteipropaganda missbraucht wurde, zu verdeutlichen. Die Arbeiterwohlfahrt Potsdam (AWO) meldete 190 Teilnahmen. „Nächstes Jahr werden es jedoch wieder etwas weniger werden“, sagte Kerstin Maaß. Ein geburtenschwacher Jahrgang könne wohl ein Grund dafür sein. In ganz Brandenburg feierten rund 16000 Jugendliche ihre Jugendfeier. Aktuelle Zahlen zu den Konfirmationen, dem evangelischen Pendant, gibt es nicht. Vor zwei Jahren wurden 3690 Jugendliche konfirmiert. Dieses Jahr müssen es aber laut dem Presseamt der Gliedkirche Berlin-Brandenburg ähnlich viele gewesen sein. In den altern Bundesländern spielt die Jugendweihe im Übrigen keine große Rolle im Leben der Heranwachsenden. Die erste historisch belegte Jugendweihe hat im Mai 1852 stattgefunden. Im preußischen Nordhausen hatte der freireligiöse Prediger Eduard Baltzer, im Übrigen auch als einer der Gründerväter des deutschen Vegetarismus verehrt, einen Initiationsritus für atheistisch erzogene Kinder veranstaltet. Etwas seltsam mutet es schon in der heutigen Zeit an, wenn man von den 14-jährigen als Erwachsene spricht. Per Gesetz dürfen sie weder Zigaretten noch Alkohol kaufen. Einen Führerschein können sie auch noch nicht erwerben und an Wahlen dürfen sie auch nicht teilnehmen. Dennoch ist der Trend zur Jugendweihe ungebrochen. Martina Winkler vom Humanistischen Verband Potsdam hat mehrere Erklärungen parat: „Überwiegend Eltern und Großeltern wollen aus alter Tradition, dass auch ihre Kinder eine Jugendweihe bekommen.“ Für die Eltern sei es tatsächlich noch eine Art „Übergangsritual“. „Und für die Kinder ist es auch mal ganz toll im Mittelpunkt zu stehen.“ Außerdem würden ja auch Veranstaltungen für die Zeit vor der Feierstunde angeboten. Tanzunterricht, Fahrten in andere Großstätte wie Paris oder Brüssel, Schminkkurse, Vorträge über Hexen, Japan oder Sekten und vieles mehr. „Das Angebot ist für Jugendliche ideal und sie können dort auch neue Menschen kennen lernen“, so Winkler. Ein anderer, nicht laut ausgesprochener Grund für die Beliebtheit von Jugendweihen bei den 14-Jährigen: Geschenke und das Geld von Verwandten und aus der Nachbarschaft. Das räumte auch Günter David vom Humanistischen Verband ein. Neben Jugendweihen und Konfirmationen fand am Himmelfahrtstag das 3. Maiglockenfest in Berlin statt. Katherina Reiche, CDU-Bundestagsabgeordnete, hatte ja als Vizepräsidentin des eigens dafür gegründeten Vereins „Maiglocke“ zu Beginn kräftig die Werbetrommel gerührt. Doch auch im dritten Jahr hat noch kein Potsdamer das Angebot wahrgenommen. „Aber Brandenburger waren bisher immer dabei“, sagt Mechthild Zumbrägel von der Maiglocke. Dieses Jahr waren es insgesamt zehn Jugendliche, letztes Jahr vierzehn und davor neun. Der Verein versteht sich als christlich orientiert, will sich aber von Konfirmationen und Firmungen abgrenzen und bewusst auch weltliche Inhalte vermitteln. Man wende sich jedoch gegen antichristliche Traditionen in der Jugendweihe, die zu DDR-Zeiten entstanden seien. „Wir sind einfach eine Alternative für Menschen, die Jugendfeiern als inhaltsleer empfinden“, so Zumbrägel. Diese Menschen wolle man mehr fördern und ihnen zeigen, wo sie im Leben stünden. Als religiöses Symbol, auch um die Herkunft der CDU zu symbolisieren, erhalten die Jugendlichen alle eine kleine gegossene Glocke. Patrick Steller

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