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„Wenn Sie Hugenotte sein wollen, müssen sie Ihren Namen in Frankreich finden.“ Professor Jürgen Udolph, 15 Jahre lang der Namensexperte auf Radio eins, während seines Vortrags in der Potsdamer Urania.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Nicht Schall und Rauch

Namensforscher Professor Jürgen Udolph begeisterte in der Urania mit der Nachricht, dass nicht jeder Hugenotte ist, der es gern wäre

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Er widmet sein Forscherleben dem Kampf gegen ein Missverständnis. „Namen sind Schall und Rauch.“ Das lässt Goethe seinen Faust sagen. Doch Professor Jürgen Udolph – der durch seine Beiträge bei Radio eins bekannt gewordene Namensforscher – kann nicht oft genug sagen, was des Pudels Kern dieser Aussage ist. Gretchen fragt: „Glaubst Du an Gott?“ Faust antwortet: „Nenn es, wie du willst. Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.“ „Er will den Namen Gottes nicht nennen, denn er hat einen Pakt mit dem Teufel“, ruft Udolph am Dienstagabend seinen Zuhörern in der Urania zu. „Es ist nicht die Wahrheit von Faust oder Goethe!“

In seinem furiosen, von Leidenschaft und Witz geprägten Vortrag lieferte Udolph einen 90 Minuten dauernden Abriss der Namensforschung, der es in sich hatte. „Warum heiße ich so, wie ich heiße? – Das wollen die Leute wissen!“, begründet der mittlerweile emeritierte Leipziger Professor für Namensforschung seine Motivation für sein Fachgebiet. Sprache verändert sich ständig, wir merken es nur nicht, steigt Udolph ein. Das sei wie bei der Oma, die im Gegensatz zu den Eltern nach halbjähriger Abwesenheit das Kindeswachstum registriert – und was sagt? „Richtig: Bist du aber groß geworden!“ Mit Wörtern ist es auch so, sie verändern sich unmerklich aber stetig. Vor 1500 Jahren sagten die Leute noch „in himinam“, wenn sie „im Himmel“ meinten. „Wörter haben ein Leben und bisweilen sterben sie auch“, erklärt Udolph. Schnell, aber unterhaltsam arbeitet der Namensguru ein paar Ortsnamen ab. „Berlin“ zum Beispiel. Udolph kommt aus Berlin; „ich bin der Mensch, der sich über Berlin die meisten Gedanken gemacht hat“. Das Ergebnis dessen: Der Name der Hauptstadt leitet sich vom slawischen „Berloga“ ab, was Höhle, Schlucht, Sumpf oder Morast bedeutet. Das sei nicht ungewöhnlich, „Paris heißt auch ,Dreck’ oder ,Scheiße’ in keltisch“, sagt Udolph und ergänzt schelmisch: „Ich kann nichts dafür.“

Immer deutlicher wird, warum sie ihn damals genommen haben bei Radio 1: „Der Udolph kann gut quatschen.“ Von dieser Kunst legt der Professor an diesem Abend beredtes Zeugnis ab, dass den Leuten der Atem stockt. Grund für die Eile ist auch: Udolph will das EM-Fußballspiel um 20.45 Uhr nicht verpassen. Er ist Fußball-Fan. Freilich lässt er seine Zuhörer nicht in das für Deutschland so wichtige Spiel gegen Griechenland am Freitagabend gehen, ohne auf folgendes hinzuweisen: Durch die Kartierung von Namen, also die geografische Nachvollziehbarkeit der Ausbreitung von Namen in Europa, habe bewiesen werden können, das Griechenland einst von Slawen besiedelt war. „Ganz Griechenland war überschwemmt von Slawen“, erklärte Udolph und warnte: „Bitte sagen Sie das nicht, wenn Sie mit einem Griechen alleine sind.“ In Griechenland sei das ein ernstes Politikum, Griechen hörten das gar nicht gern.

Freilich sucht Udolph auch den Potsdamer Ortsbezug herzustellen. „Oma hat gesagt, wir sind Hugenotten“, höre er häufig in dieser Region und weiß doch sofort: „Man will lieber Hugenotte als Pole sein.“ Doch wer antipolnischen Hochmut in sich trägt, ist bei Udolph falsch, nicht nur, weil 15 Millionen Deutsche einen polnischen Namen tragen. Vielmehr ist Polen die Goldmine der Namensforschung. Grund: „35,5 Millionen Polen waren in einer Versicherung – in einer Versicherung!“, jubelt Udolph. 35,5 Millionen Namen mit Adressen auf einer CD-ROM, „das ergibt die beste Namenskartierung weltweit“.

Zurück zu den Hugenotten. „Wenn Sie Hugenotte sein wollen, müssen sie Ihren Namen in Frankreich finden“, schreibt Udolph allen Potsdamer Möchtegern-Hugenotten ins Stammbuch. Im Potsdamer Telefonbuch wurde er dennoch fündig. „Manoury“ – bedeutet in etwa „armer Noury“ – findet sich auch im Telefonbuch Frankreichs wieder und zwar 375 Mal. Folglich ist „Manoury“ hugenottisch, ebenso „Pellet“ – „Härchen“ oder „Haar“ – kommt in Frankreich sogar 1155 Mal vor.

Überhaupt hätten die Namen ihre Ursprünge alle in Europa. Wobei Udolph zumindestens auf die amerikanischen Mormonen nicht mehr verzichten kann. Sie sammelten aus religiösen Gründen die Namen ihrer europäischen Familiennamen. Drei Milliarden Personen samt dazugehörigen Namen und Geburtsadresse finden sich auf der Internetseite www.familysearch.org. Udolph: „Wer diese Seite nicht nutzt, ist selber schuld.“

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