Ferienende: „Niemals, kotz, würg!“

Haben Sie Freunde oder Kollegen mit schulpflichtigen Kindern, vielleicht sogar Kollegen, die heute am Montag aus dem Urlaub zurückkehren? Dann fragen Sie nicht, ob sie gut erholt sind, sondern seien sie besonders nett zu ihnen. Heute ist nämlich der erste Schultag. Wenn Sie selbst Schulkinder haben oder hatten, wissen Sie, was das bedeutet, ansonsten erkläre ich das jetzt – wenn Ihre Kinder noch klein sind, entscheiden Sie selbst, ob Sie an dieser Stelle weiterlesen.

Ferien an sich sind eine brutale Einrichtung. Wer ist schon in der Lage, ohne Spätfolgen an Leib und Seele für sechs Wochen die Kinderbespaßung zu übernehmen? Wer nach wochenlanger Belagerung des trauten Heims durch eigene und Nachbars’ Kinder noch weiß, wo die Fernbedienung liegt, wer sein Vermögen noch nicht an den lokalen Pizzaservice verloren und Eierkuchen und Spaghetti noch nicht für die kulinarische Höchststrafe hält – der verdient eigentlich das Bundesverdienstkreuz.

Aber die letzten Tage vor Schulbeginn toppen das Vergnügen um ein Vielfaches. Das Unausweichliche naht, umgekehrt proportional spiegelt es sich in Gefühlswelt der Beteiligten wider: Je weniger sich die Kinder auf den Tag X freuen, desto mehr sehnen die Erwachsen diesen herbei – zugeben würden sie das natürlich nie! Erkennbar ist dieses Verhalten an einigen Anzeichen: Heimlich werden Vorräte an Müsliriegeln, Trinkflaschen Schulutensilien aufgestockt, bei jedem Discounter-Besuch wird freundlich gefragt: „Brauchst du noch was, Liebes? Hefter, Geodreieck, Klebestift?“ Das „Liebe“ wird diese Fragen bis zum Schluss standhaft ignorieren.

Soll heißen: Samstagmittag, wenn Sie Glück haben, ansonsten Sonntagmittag, wird den lieben Kindern einfallen, dass Sie vergessen haben, die Französische Grammatik zu bestellen, dass der Trageriemen der Schultasche seit Mitte Juni abgerissen ist, dass die Sportschuhe, ebenfalls seit Mitte Juni, nicht mehr passen. (Sie dürfen sich glücklich schätzen, wenn Sie in der Sporttasche keine Sandwichreste mehr finden). Was Sie vermutlich auch nicht finden, wird das Zeugnis sein. Während Sie noch danach suchen, fällt Ihnen ein, dass Sie verpasst haben, beim Caterer die Mittagessenmenus auszuwählen, weshalb Ihr Kind diese Woche Vollwert/Vegetarisch essen muss. „Niemals, kotz, würg!“ kommt lautmalerischer Protest.

Nachdem besagte Kollegen heute Morgen die Kinder vier Stunden vor der üblichen Ferien-Aufstehzeit aus dem Bett prügeln, abfrühstücken und irgendwie halbwegs angezogen („Nein, Flipflops sind keine normalen Schuhe!“) der Bildungsinstitution übergeben mussten, war selbstredend auch der Erholungseffekt verschwunden. Einzig die Aussicht auf ein weiteres Jahr mit geregeltem Alltag lässt sie heute den Tag überstehen. Also – seien Sie nett zu den Eltern -  heute am ersten Schultag!