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Landeshauptstadt: Noch mehr geklaute Fahrräder – und mehr verletzte Radler Die Polizei hat ihre Unfall- und Kriminalstatistik für Potsdam und Umgebung vorgestellt – ein Termin mit teilweise überraschenden Aussagen

Für eine Pressekonferenz der Polizei ist es ein ungewöhnlicher Beginn: Eine Strafverfolgungsbehörde sieht sich – vor Journalisten und ohne dass es überhaupt eine Frage dazu gibt – genötigt, klarzustellen, dass sie bei der Erstellung ihrer Statistiken vorschriftsmäßig arbeitet. „Ich weise ausdrücklich den Vorwurf zurück, dass es Manipulationen gegeben hat“, sagte am Freitagvormittag Peter Meyritz, der Leiter der auch für Potsdam zuständigen Polizeidirektion für Westbrandenburg.

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Für eine Pressekonferenz der Polizei ist es ein ungewöhnlicher Beginn: Eine Strafverfolgungsbehörde sieht sich – vor Journalisten und ohne dass es überhaupt eine Frage dazu gibt – genötigt, klarzustellen, dass sie bei der Erstellung ihrer Statistiken vorschriftsmäßig arbeitet. „Ich weise ausdrücklich den Vorwurf zurück, dass es Manipulationen gegeben hat“, sagte am Freitagvormittag Peter Meyritz, der Leiter der auch für Potsdam zuständigen Polizeidirektion für Westbrandenburg. Anlass war die Vorstellung der Kriminal- und Unfallstatistik des vergangenen Jahres für Potsdam, das Umland und Westbrandenburg.

Die Situation ist pikant: Seit Monaten kämpft die Polizei in Westbrandenburg mit den Vorwürfen, die Kriminalstatistik geschönt zu haben. Brandenburgs Innenministerium hatte Ende März indirekt einräumt, dass seit August 2013 und das ganze Jahr 2014 über die Kriminalitätsstatistik frisiert wurde: Mit einer von bundeseinheitlichen Standards abweichenden Zählmethode wurde dabei die seit der Polizeireform gesunkene Aufklärungsquote verbessert. Die Statistik für 2014 wurde inzwischen wie berichtet bereinigt, für die Zahlen 2013 ist das allerdings – aus technischen Gründen – nicht mehr möglich. Zudem hatte es erst diese Woche neue Vorwürfe gegeben, wonach entgegen der Anweisung von Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) Straftaten immer noch nicht korrekt erfasst werden. Polizeichef Meyritz jedenfalls verwies in der Pressekonferenz für alle Fragen auf das Ministerium. „Ich werde mich an dieser Stelle zur Erhebungsmethode nicht mehr äußern.“

Über die Besonderheiten und Schwerpunkte der Kriminalitäts- und Unfallstatistik, die Meyritz mit Potsdams Polizeichef Mike Toppel für die Landeshauptstadt und die Umlandgemeinden vorstellte, geben die PNN einen Überblick.

Hochburg der Fahrraddiebe

In Potsdam werden immer mehr Fahrräder gestohlen – im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 2016 Fälle. Das waren acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die Aufklärungsquote lag weiter bei nur 10 Prozent. Im vergangenen Jahr war Potsdam bei einem bundesweiten Vergleich des Portals „Geld.de“ unter den 80 größeren Städten auf dem unrühmlichen Platz sieben als Hochburg für Fahrraddiebe gelandet. Auch in den Revieren Werder und Teltow stieg die Fallzahl bei den Raddiebstählen von 472 auf 624 – ein Plus von 33 Prozent.

Angesichts der Zahlen – 40 Prozent der gestohlenen Fahrräder in Westbrandenburg standen in Potsdam – hat die Polizei laut Meyritz inzwischen eine vierköpfige Ermittlungsgruppe gebildet. Es gebe bereits erste erfolgversprechende Ansätze bei den Untersuchungen, hieß es. Meyritz sagte: „Fahrräder scheinen ein lohnendes Ziel für durchorganisierte Banden zu sein, die grenzüberschreitend arbeiten.“ Potsdam sei unter anderem durch seine Autobahnnähe im Fokus, aber auch angesichts der im Vergleich zu anderen Kommunen „schöneren und größeren Auswahl“ an hochwertigen Rädern, so Meyritz. Toppel ergänzte, besonders viele Diebstähle würden in der Innenstadt, der Brandenburger Vorstadt, im südlichen Babelsberg und rund um die Bahnhöfe registriert. Auffällig sei die Zunahme an Diebstählen aus Kellern, hieß es. Neben ausländischen Banden gebe es einheimische Täter, die im Bereich Beschaffungskriminalität zum Beispiel Drogenkonsum finanzieren wollen.

44 Prozent mehr Drogendelikte

Auf den ersten Blick klingt die Zunahme dramatisch: Die Zahl der Drogendelikte in Potsdam ist im vergangenen Jahr auf 533 Fälle gestiegen – ein Plus von knapp vier Prozent. In den Revieren Werder und Teltow stieg die Zahl der Fälle von 142 auf 264 – nahezu eine Verdopplung. Allerdings schränkte Polizeichef Toppel ein, der Anstieg müsse nicht unbedingt heißen, dass in Potsdam und Umgebung mehr Drogen verkauft und konsumiert werden. Stattdessen habe die Polizei in diesem Bereich deutlich stärker kontrolliert als in den Jahren zuvor. Ein weiteres Ergebnis dieser Kontrollen: Die gefährliche Modedroge „Crystal Meth“ spielt nach Einschätzung der Polizei in Potsdam und dem Umland noch keine Rolle.

Weniger geklaute Autos

In Potsdam ist die Zahl der gestohlenen Autos deutlich zurückgegangen – 214 Fälle meldete die Polizei für 2014, 77 weniger als im Vorjahr. Dieses Minus von rund 25 Prozent erklärte Meyritz unter anderem mit stärkeren Kontrollen. Toppel ergänzte, durch Erfolge der Sonderkommission „Grenze“ des Landeskriminalamts sei in dem Bereich auch die Aufklärungsquote deutlich gestiegen – von 27,1 auf 50,9 Prozent. Insofern zeigten die sinkenden Fallzahlen, dass diverse Täter „vom Spielfeld genommen“ wurden, wie Toppel sagte. In den Revieren Werder und Teltow wurden 121 gestohlene Fahrzeuge angezeigt – ebenso ein Rückgang um rund 20 Prozent. Zudem gab es weniger aufgebrochene Autos – um 215 sank diese Zahl auf noch 694 Fälle. Das bedeutet einen Rückgang um rund ein Viertel. In den Revierbereichen Werder und Teltow blieben diese Zahl relativ konstant bei knapp 700 aufgebrochenen Autos. Als „echtes Phänomen“ bezeichnete Toppel die nach seiner Aussage steigende Zahl von Diebstählen von Baustellen, vor allem in Potsdam. Genaue Zahlen hatte er nicht parat.

Etwas weniger Einbrüche

Leicht zurückgegangen ist in Potsdam und Umgebung die Zahl der Einbrüche in Wohnungen und Häuser – mit Ausnahme von Werder. Im Polizeirevier der Blütenstadt wurden im vergangenen Jahr 58 Fälle gezählt – 12 mehr als im Vorjahr. Im Bereich Teltow wurden dagegen 232 Einbrüche gezählt, 37 weniger als 2013. In Potsdam sank die Fallzahl um 38 auf noch 166 Fälle – ein Minus von knapp 20 Prozent. Kripoleiter Sven Mutschischk sagte, die Bevölkerung sei für das Thema sensibilisiert, die Polizei erhalte häufiger Hinweise auf mögliche Ausspähaktionen. Die Aufklärungsquote in Potsdam stieg von 16,7 auf 22,3 Prozent.

Keine schweren Gewalttaten

Für 2014 hat die Polizei in Potsdam und Umgebung keine schweren Gewalttaten wie Mord, Totschlag oder Tötung auf Verlangen registriert. Und auch allgemein sinkt in Potsdam die Zahl brutaler Gewalttaten: Ermittelte die Polizei 2013 noch in 220 Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung, waren es 2014 noch 165 Delikte – 25 Prozent weniger. Schon in den Jahren zuvor war die Zahl der Gewalttaten leicht rückläufig. Toppel sagte, ein Grund könnten die vielen gut situierten Zuzügler nach Potsdam sein. Die Zahl der rechts motivierten Gewalttaten lag bei fünf Fällen, dazu gab es in dem Bereich drei linksmotivierte Delikte. Allerdings sei der Bereich politische Kriminalität in Potsdam mittlerweile unauffällig, wie es Toppel ausdrückte.

Mehr Verletzte im Straßenverkehr

Die Zahl der Verkehrsunfälle in Potsdam ging um 1,4 Prozent leicht zurück, 5603 Fälle zählte die Polizei. Doch stieg die Zahl der Verletzten deutlich – um 13 Prozent auf 703. Toppel machte dafür die steigenden Zahlen bei den Radunfällen verantwortlich. Demnach verunglückten 410 Radfahrer – ein Plus von 21,7 Prozent. Offensichtlich liege dies an der wachsenden Zahl der Potsdamer, die regelmäßig mit Rad unterwegs seien, so Toppel. Allerdings hatte es auch 2012 und 2011 jeweils um die 400 verunglückte Radler gegeben. In 80 Prozent der Fälle verletzten sich die Radfahrer auch. In 45,8 Prozent seien die Radler die Verursacher der Unglücke, hieß es.

Sechs Verkehrstote

In Potsdam und den Revieren Teltow und Werder musste die Polizei 2014 zu insgesamt sechs tödlich verlaufenen Unfällen ausrücken. Im Vorjahr waren es drei. In Potsdam selbst gab es dabei zwei tödliche Unfälle. Im vergangenen Juni hatte ein 76 Jahre alter VW-Fahrer eine ebenso alte Radfahrerin angefahren, als sich diese gerade auf einem Fußgängerüberweg befand. Tage später verstarb sie im Krankenhaus an den Folgen des Unfalls. Dazu war im vergangenen September eine 81 Jahre alte Potsdamerin bei einem Unfall in der Heinrich-Mann-Allee getötet worden, als sie ein VW-Transporter überrollte.

Kein Programm für ältere Fahrer

Auffällig: Bei sämtlichen tödlichen Unfällen in Potsdam und Umgebung waren Verkehrsteilnehmer der Generation 65 plus als Verursacher oder Opfer beteiligt. Ihr Anteil bei allen Unfällen stieg leicht um 2,1 Prozent. In 73,1 Prozent der Fälle seien die älteren Fahrer für die Unfälle auch verantwortlich, heißt es in der Statistik. Direktionsleiter Meyritz sagte, Präventionsprogramme in diesem Bereich seien keine Aufgabe der Polizei. „Solche pauschalen Maßnahmen wird es nicht geben.“ Allerdings empfahl er, dass auch Angehörige von Senioren kritisch deren Leistungsfähigkeit im Straßenverkehr prüfen sollten – und auch den Mut haben müssten, Defizite anzusprechen.

Mehr verletzte Kinder

Noch keine direkte Erklärung konnte Toppel für die deutlich gestiegene Zahl der im Potsdamer Straßenverkehr verunglückten Kinder geben. Diese Zahl stieg um 37,5 Prozent auf 66. Ähnlich war die Entwicklung in Werder und Teltow. Unter anderem seien Kinder als Fußgänger und Radfahrer häufig in Unfälle verwickelt gewesen, sagte Toppel. In 50 Prozent der Fälle hätten Kinder die Unfälle verursacht, so die Statistik. Die gute Nachricht: Kein Kind wurde im Verkehr getötet.

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