Landeshauptstadt: Norovirus-Erkrankungen auf Rekordniveau
Ende der aktuellen Welle nicht abzusehen / 2007 besonders ansteckende Variante: 840 Erkrankungen in Potsdam / Menschen ab 70 besonders betroffen
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Plötzlich einsetzendes heftiges Erbrechen, Bauchkrämpfe, starke Übelkeit und Durchfälle: Eine Infektion mit dem Norovirus ist alles andere als angenehm – kommt aber immer häufiger vor. 2007 hat sich die Zahl der Erkrankten in Potsdam fast verfünffacht. Verzeichnet das Robert-Koch-Institut (RKI) für 2006 noch 171 Fälle der Viruserkrankung im Stadtgebiet, so waren es 2007 insgesamt 840, sagte Gudrun Hennig vom Potsdamer Gesundheitsamt gestern den PNN. Ein Ende der aktuellen Virus-Welle sei nicht abzusehen, so die Infektionsärztin.
Der Anstieg fügt sich in den deutschlandweiten Trend, erklärte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher den PNN auf Anfrage. Die seit 2001 meldepflichtige Magen-Darm-Infektion erreichte 2007 bundesweit Rekordniveau. In Potsdam wurde damit die bisherige Höchstzahl von 335 aus dem Jahr 2005 übertroffen.
Glasmacher hat dafür mehrere Erklärungen: So habe es 2007 im Gegensatz zu anderen Jahren zwei Wellen der typischerweise in den kalten Monaten grassierenden Krankheit gegeben. Die „gestiegene öffentliche Wahrnehmung“ habe zu häufigeren Meldungen geführt. Außerdem habe der Virus 2007 eine besonders ansteckende Variante gebildet. Die Infektion verlaufe damit „nicht schwerer, es erkranken nur mehr Menschen“, betonte die RKI-Sprecherin. Die Gründe dafür seien unbekannt – bisher sei es den Wissenschaftlern nicht gelungen, das seit den 1970er Jahren bekannte Virus zu kultivieren, um es besser erforschen zu können. Wie sich das Virus in Zukunft entwickelt, sei unklar: „Eine Tendenz kann man noch nicht ableiten.“
Es gebe immer noch „hohe Dunkelziffern“, sagt Glasmacher. Das glaubt auch Infektionsärztin Hennig: Denn gemeldet werden nur Fälle, in denen das Virus per Stuhlprobe bestätigt wurde, erklärt sie. Nicht jeder Arzt aber veranlasse diese Untersuchung.
Besonders betroffen und gefährdet sind Ältere: Die Hälfte der Erkrankten sei älter als 70 Jahre, sagte Glasmacher. Für sie sei die Krankheit „lebensbedrohlich“: So seien im vergangenen Winter deutschlandweit 48 Menschen am Norovirus gestorben – alle älter als 70. In Potsdam gab es laut Hennig keinen Todesfall.
Bei Krankheitsausbruch sollten Erkrankte und Angehörige gründlich Händewaschen und auf Hygiene achten: Schon der Kontakt mit Spritzern von Erbrochenem sei ansteckend. In Kitas und Seniorenheimen gibt es Hygienepläne, die spezielle Desinfektionsmittel vorsehen, erklärte Hennig. Die Stuhluntersuchung über das Gesundheitsamt ist für diese Einrichtungen kostenlos.
Aber Hygiene kann einen Ausbruch nicht verhindern: So traf es 2007 beispielsweise fast alle 70 Bewohner und viele Mitarbeiter des evangelischen Seniorenzentrums „Emmaus Haus“ in der Eisenhartstraße, wie Leiter Thomas Bräckle erzählt. Da viele Senioren inkontinent seien, hätten die Pflegekräfte in dieser Zeit „wirklich eine fürchterliche Arbeit“.
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