Landeshauptstadt: Nur echt mit Kirsche
Facharbeiter für Systemgastronomie ist ein junger Ausbildungsberuf. Gestern fand die fünfte Brandenburgische Jugendmeisterschaft statt
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Robert Proschwitz ist ein großer Kerl. Der Begriff Titelverteidiger passt zu ihm – man könnte sich den jungen Mann auch in einem Boxring vorstellen. Doch Proschwitz hat im Alltag eher mit Warenlisten, Personalplanung und Bilanzen zu tun. Proschwitz ist Auszubildender für Systemgastronomie und einer der acht Teilnehmer an der fünften Brandenburgischen Jugendmeisterschaft dieses Faches, die am gestrigen Dienstag in Potsdam stattfand.
Schon 2012 war Proschwitz dabei. Der Potsdamer lernt bei World of Pizza in der Friedrich-Ebert-Straße. Und spielte damals, obwohl er erst im zweiten Lehrjahr ist und als Abiturient das erste übersprungen hat, seine Konkurrenten an die Wand. Als Pizza-Lieferant hatte er angefangen, arbeitete dann in einer anderen Pizza-Bude in der Küche. „Da hab ich festgestellt, dass ich das super finde“, sagt Proschwitz. Und bewarb sich als Azubi für den jüngsten Ausbildungsberuf der Gastronomie.
Derzeit gibt es in ganz Brandenburg etwa 80 Lehrlinge in diesem Beruf, nicht viele im Vergleich zu knapp 700 in der gesamten Hotel- und Gaststättenbranche, sagt Marco Lindemann, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Ausbildung im Bereich Gastronomie. Dabei sei der neue Beruf anspruchsvoll: Interessenten müssten neben den sogenannten Softskills wie Pünktlichkeit und gute Umgangsformen ein gewisses Verständnis für Zahlen und Worte mitbringen, sagt er. Denn keineswegs steht ein ausgelernter Systemgastronom später nur an der Friteuse: „Nach drei Jahren Lehre mit kaufmännischer Spezialisierung kann man eine Filiale übernehmen oder Franchiseführer werden“, sagt Lindemann.
Die Branche ist groß: Der Markt umfasst neben Burgerketten auch das Restaurant im Möbelkaufhaus, die Autobahnraststätte, Nordseefilialen oder Kaffeehausketten. „Und da muss die nach Gramm abgewogene Cremespeise mit der Kirsche drauf überall genauso aussehen“, erklärt Lindemann in einem Wort das Konzept. Raum für Kreativität bleibe da wenig, wichtiger seien Führungsqualitäten, Teamgeist, und dass man vorgegebene Standards umsetzen kann.
Proschwitz ist wie seine Mitbewerber um den Meistertitel dabei, diese Qualitäten unter Beweis zu stellen. Auch Warenkunde gehört dazu. Einzeln muss jeder etwa 30 frische Produkte, Kräuter, Gewürze, Gemüse, benennen und jeweils eine Verwendung angeben. Auch eher ungewöhnliches Küchenhandwerkszeug gehört dazu.
Für Sebastian Priebe, der bei McDonalds in Berlin lernt, nicht so einfach. Den Milchaufschäumer erkennt er sofort, Kurt Krömer nannte das Ding Latte-Macchiato-Umrührstab, scherzt er, noch guten Mutes. Doch die vermeintliche Austernzange ist eine Schneckenzange, und das geriffelte Buntmesser erkennt er nicht. Auch was die Krümel in dem Glas sind, bleibt ihm schleierhaft. „Haben Sie das gekostet? Nein? Immer kosten“, rät Lindemann, der selbst gelernter Gastronom ist. Und diese Kräuter, Rosmarin und Thymian, was ist jetzt was?
Konkurrent Robert Proschwitz gelingt auch nicht alles, die Pinienkerne hat er nicht erkannt, das ärgert ihn. Er hat Ehrgeiz, immerhin leitet er derzeit schon stellvertretend eine World-of-Pizza-Filiale in Leipzig. Das könnte von Vorteil sein, wenn es um die weiteren Aufgaben der Meisterschaft geht. Die Teilnehmer müssen beispielsweise ein Konzept zur Mitarbeiterbeurteilung erarbeiten und erklären, wie sich solche Maßnahmen auf das Betriebsklima auswirken und nach welchen Grundsätzen sie durchzuführen sind. Komplett mit Checkliste für ein Gespräch, Vor- und Nachbereitung inklusive Präsentation vor der Jury gibt es 60 Minuten.
„Viele nehmen aus Ehrgeiz an der Meisterschaft teil, manche nutzen das als Prüfungsvorbereitung“, sagt Lindemann über den Wettbewerb, den der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Potsdam organisiert. Die Teilnahme könne später auch Türöffner bei Bewerbungen sein. Nicht wenige zieht es allerdings nach der Lehre erst mal weg vom Beruf – auch Sebastian Priebe will nicht ewig bei McDonalds bleiben, sondern im Anschluss Betriebswirtschaftslehre studieren. „Das sehen wir nicht als Problem, die Facharbeiter sollen Erfahrungen sammeln, irgendwann kommen sie wieder“, sagt Lindemann.
Gestern gelingt es Robert Proschwitz zum zweiten Mal, Brandenburger Jugendmeister zu werden. Damit bekommt er eine Fahrkarte nach Köln zu den National Azubi Awards der Systemgastronomen im Oktober, an denen die 16 Landessieger teilnehmen. Bis dahin wird er weiter in Leipzig seinen Laden schmeißen. Auch privat isst er im Übrigen gern Pizza – und bestellt sie sich nach Hause.
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