MEIN WENDEHerbst: Oberbaum-Rituale
JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.
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JAHRE
MAUERFALL
Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Hartmut Dorgerloh. Der 47-Jährige ist Generaldirektor der Schlösserstiftung.
Dieses Bild wird Hartmut Dorgerloh nie vergessen. Im Verband Bildender Künstler hatte er damals geholfen, die große Demonstration am 4. November 1989 am Alexanderplatz vorzubereiten. Als er dann am Alex aus der U-Bahn stieg, dachte er angesichts der Menschenmassen: „Das ist jetzt wirklich ein verändertes Land.“ Ein „ganz starkes Erlebnis“ sei das gewesen, erinnert sich Dorgerloh.
Eine zweite, für ihn ebenso wichtige Mauer fiel erst fünf Jahre später. Als Spross einer Pfarrerfamilie, lebte Dorgerloh viele Jahre am Fuße des Pfingstbergs, direkt neben dem KGB-Städtchen. Als die Russen 1994 abzogen, fiel auch der „Russenzaun“, der das alte Gemeindegelände in der Großen Weinmeisterstraße über Jahrzehnte getrennt hatte. „Jetzt wusste ich, Deutschland ist wieder ein souveränes Land“, sagt Dorgerloh.
Am Abend des 9. November 1989 fuhr er zum Grenzübergang Oberbaumbrücke, gemeinsam mit einem Freund. Ganz spontan, direkt nach der Chorprobe. „Wir dachten, wenn’s klappt, gehen wir heute noch in Westberlin ein Bier trinken.“ Es klappte. Wie überall, gaben auch dort die Grenzer unter den „Macht die Mauer auf“-Rufen bald nach. Um 22.30 Uhr war das. „Alles wirkte unwirklich. Und alles war viel weiter voneinander weg, als man dachte.“ Noch bevor Dorgerloh am Morgen wieder nach Ostberlin zurückreiste, kaufte er sich die Sonderausgabe der „Bild“-Zeitung zur Maueröffnung. Doch er traute sich dann nicht, sie mit in die DDR zu nehmen. Also schmiss er sie weg. „Das bereue ich bis heute, denn die hätte ich gerne noch“, sagt er.
Der 9. November an der Oberbaumbrücke ist für Dorgerloh inzwischen zum Ritual geworden. Vor zehn Jahren war er mit dem Freund von damals da. „Und am Montag gehen wir wieder hin.“ pee
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