Landeshauptstadt: Ohne Ronaldinho und Ronaldo
Botschafts-Mitarbeiter spielten Fußball mit- und gegeneinander, Fest gegen Rassismus am Bassinplatz
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Die Sport-Fachwelt rieb sich verwundert die Augen, philosophierte über die Hintergründe der Niederlage und ob nun der Karneval abgesagt würde. Viele Stolpersteine musste die brasilianische Mannschaft im vergangenen Jahr überwinden, doch nun scheiterten sie ausgerechnet gegen Serbien-Montenegro, einem Fußballzwerg gemessen an Brasilien, dem viermaligen Weltmeister. Zur Siegerehrung erschienen die Kicker von der Copacabana überhaupt nicht mehr, dabei hatten die Kommentatoren bereits den Grund für die Niederlage in der Zwischenrunde gefunden: Die Brasilianer traten ohne ihre Stars Ronaldinho, Adriano, Ronaldo und Kaka in Potsdam an.
Vertreter waren für sie erschienen und betraten am Wochenende den Hallenboden der Heinrich-Mann-Allee, um bei der 5. „Mini-WM“ um den Titel der besten Mannschaft einer Botschaft in Deutschland zu spielen. Drei Wochen vor Beginn der Fußball-WM in Deutschland begann das Kicken der Staaten, wobei vor allem Mannschaften spielten, die an der echten WM gar nicht teilnehmen. Die Türkei beispielsweise, die das entscheidende Spiel am Sonntag verlor. Dabei hat sich die Geschichte wiederholt: auch im entscheidenden Spiel bei der WM-Qualifikation mussten sich die türkischen Spieler geschlagen geben. Damals gegen die Schweiz, nun gegen Serbien-Montenegro. Ein wesentliches Detail war dabei anders: am Sonntag mussten die Gegner der Türken nicht nach dem Sieg flüchten und wurden auch nicht getreten.
Fair ging es zu, ein Ziel des Turnieres unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“. Wie Organisator Hikmet Güvenc von der türkischen Botschaft gestern sagte, wird bei diesem Turnier Völkerverständigung gelebt. Menschen vieler Nationen spielen auf kleinem Raum, so die Philosophie. Zwischendurch, in den Spielpausen, soll ihnen die brandenburgische Landeshauptstadt näher gebracht werden. Deren Haupt-Schlagzeilen vergangener Wochen standen auf der Titelseite einer der Zeitungen, die Botschaftsangehörige ausgelegt worden war. „Potsdam – die Spitze des Eisberges“ titelte die „Jüdische Zeitung“ in ihrer Mai-Ausgabe und berichtet vom Übergriff auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. am Ostersonntag.
Ein Shuttle-Bus brachte die kickenden Diplomaten daher bei Bedarf zum Bassinplatz, auf dem ein bunten Fest für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit stattfand. Rund 20 Nationen waren mit Ständen in der Stadtmitte vertreten, um über ihre Länder zu informieren. Die ausländischen Bürger in Deutschland müssten als Bereicherung gesehen werden, sagte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Reinhard Silberberg, und rief zu entschiedenem Widerstand gegen Rassismus auf. Griechenland, Litauen und Tunesien waren durch ihre Botschafter vertreten. Das zum dritten Mal in Brandenburgs Landeshauptstadt veranstaltete Begegnungsfest stand unter dem Motto „Spielend verstehen“ – die Fußballer nahmen das wörtlich. Organisiert wird es traditionell von der „Initiative Toleranz – Für Verständigung und gegen Gewalt“, die Angehörige des Außenministeriums 1992 gegründet hatten. Sie wollten damals nach etlichen schlimmen Übergriffen auf Ausländer ein Zeichen für Weltoffenheit setzen. Jakobs erinnerte in einer kurzen Ansprache an die Attacke auf Ermyas M., bei der dieser schwer verletzt worden war. Dieses Beispiel mache deutlich, wie wichtig der Einsatz für Toleranz noch immer sei.
Die Botschaftsangehörigen setzten sich sportlich dafür ein. Gemeinsam mit Mannschaften von Union Berlin, dem SV Babelsberg 03 und der Stadtverwaltung übten sie internationale Verständigung. Gewonnen hat übrigens Serbien-Montenegro mit 2:0, nachdem sie zuvor Brasilien ausschalteten. Jan Brunzlow
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