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In der Kritik. Die Verwaltung von Oberbürgermeister Jann Jakobs (r.) ist am eskalierenden Uferstreit in Groß Glienicke nicht unschuldig. Sie versäumte lange, den Uferweg für die öffentliche Nutzung zu sichern, und verhandelte dann chaotisch.

© A. Klaer

Von Sabine Schicketanz: Pannen mit System

Eine Kette von Fehlern rückt das Potsdamer Rathaus in ein merkwürdiges Licht – eine Analyse

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Er hat es ausgespart, das Glienicker Horn. Weggebucht, ausgeblendet. Kein Wort jedenfalls hat Jann Jakobs, Potsdams SPD-Oberbürgermeister, für das jüngste Debakel übrig, als er am Samstag auf dem Parteitag der örtlichen Genossen spricht. Dabei hatte Potsdam erst Anfang der Woche einen Bebauungsplan zu beklagen – wieder einmal. Nach dem Griebnitzsee-Ufer kassierte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) nun das Potsdamer Planwerk für das Glienicker Horn, die Landzunge direkt an der Glienicker Brücke, deren Bebauung mit Stadtvillen vor 15 Jahren zum ersten großen Zoff mit den Welterbehütern geführt hatte. Die Unesco drohte Potsdam damals mit der Roten Liste des gefährdeten Welterbes, als rettender Kompromiss wurde auf die Bebauung der äußersten Spitze des Horns mit vier weiteren Villen verzichtet. Der damalige Investor ließ sich darauf ein. Aber das Rathaus vergaß, daraus geltendes Recht zu machen.

Das Ergebnis reiht sich ein in die Kette von Potsdamer Pannen, die einfach nicht abreißt, die das Rathaus in ein merkwürdiges Licht rücken. Im Kern ist es nämlich immer dasselbe: Unprofessionelles Handwerk der Stadt, vornehmlich der Bauverwaltung, Versäumnisse und Schlamperei bei Bauplänen, gepaart mit unsensiblem, teilweise unrechtmäßigem Umgang mit Privateigentum.

Als sich am Glienicker Horn zufällig herausstellte, dass das Bausünden-Baurecht nicht liquidiert worden war, ließ die Verwaltung zum Schutz des Welterbes kurzerhand die Grundstücke zu privaten Grünflächen umwandeln. Das Stadtparlament nickte ab, und plötzlich war Potsdams teuerstes Fleckchen nicht mehr wert als ein Kleingarten. Für das Oberverwaltungsgericht ein eindeutiger Rechtsbruch: Potsdam könne seine Fehler nicht einseitig zulasten der Eigentümer korrigieren. Die Stadt habe das Privateigentum nicht ordnungsgemäß geschützt. Fast wortgleich lautete die Begründung des OVG, als es den Bebauungsplan für das umkämpfte Griebnitzsee-Ufer für unwirksam erklärte. Potsdam hatte einen Uferpark am ehemaligen Mauerstreifen geplant, dafür ohne ausreichende Abwägung Privateigentum beansprucht und schwere Verfahrensfehler gemacht. Seit der Bebauungsplan vor einem Jahr kassiert wurde, ist der seit 1990 öffentliche Uferweg gesperrt. Der Ortsteil Groß Glienicke, wo der Uferweg jetzt auch blockiert ist, wurde 2003 nach Potsdam eingemeindet. In den Wendewirren hatte die Gemeinde es versäumt, den ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer öffentlich zu widmen. Sieben Jahre reichten der Verwaltung der Landeshauptstadt nicht, dies nachzuholen. Stattdessen ließen chaotische Verhandlungen mit den Privatanrainern die Lage im Sog des Griebnitzsee-Konflikts eskalieren.

Die Fehler stecken im Potsdamer System. Die Gerichtsurteile und gesperrten Wege bestätigen einmal mehr den Neu-Potsdamer Günther Jauch, der vor drei Jahren als erster gewagt hatte, die Missstände in Bau- und Denkmalverwaltung öffentlich anzuprangern. In einer Brandrede, die bundesweit Schlagzeilen machte, warf Jauch der Verwaltung Willkür und Schikane im Umgang mit Privatleuten vor. Der Baurechtler Ulrich Battis, der von Oberbürgermeister Jakobs mit einer Untersuchung beauftragt wurde, bestätigte Jauchs Vorwürfe einer willkürlichen Verwaltungspraxis.

Damit war Potsdams Rathaus seinem Ruf gerecht geworden. Seit dem Mauerfall wird beklagt, in der ehemaligen sozialistischen Bezirksmetropole seien die Strukturen beispiellos verkrustet. Jurist Reiner Geulen, der für die Bürgerinitiative Freie Heide im Bombodrom-Prozess den Bund in die Knie gezwungen hatte, vertrat im Griebnitzsee-Prozess einige private Grundstückseigentümer. Man gehe in Potsdam offenbar noch von sozialistischem Volkseigentum aus, wetterte er vor Gericht. Die Uhren seien vor zwanzig Jahren stehen geblieben.

Sicher, in Potsdam treffen Welten aufeinander. Ein durchschnittliches Rathaus mit dauerhaft wenig Fortune bei der Besetzung des Chefpostens im Schlüsselressort Stadtentwicklung und Bauen verwaltet eine der erfolgreichsten Städte Ostdeutschlands; ein architektonisches Kleinod, das bundesweit größte zusammenhängende Unesco-Welterbe, ein kompliziertes Gesamtkunstwerk, dessen Bevölkerung wächst, das eine phänomenale Entwicklung hingelegt hat. Die barocke Innenstadt, nach der Wende ruinös, hat längst alte Schönheit erlangt, das Stadtschloss wird als Landtag wieder aufgebaut, die einstigen DDR-Neubaugebiete sind fast komplett saniert, die Platte gut vermietet.

Potsdam sei „durch“, erklärt Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck, bis 2002 Jakobs’ Vorgänger im Oberbürgermeisteramt, den Genossen auf dem Parteitag am Samstag. Die Landeshauptstadt habe immer noch eine unheimliche Dynamik - und inzwischen ein „kapriziöses Publikum“, sagt Platzeck. Alles komme schnell an die „große Glocke“, die „Meinungsmacht“ sei konzentriert. Natürlich lassen sich gerade die Schönen, Reichen und Einflussreichen, die sich in Potsdam drängen, nichts gefallen. Und sie können sich die besten Anwälte leisten. Wenn sie es tun, liegt es auch am Rathaus. Die Verwaltung hinkt in Mentalität und Professionalität der Entwicklung Potsdams immer noch hinterher. Gestriges, abgehobenes Selbstverständnis verwundert nicht, wenn es die Spitze noch befördert, wie der Umgang mit den jüngsten Urteilen des höchsten brandenburgischen Gerichts beweist: Als sei es höhere Gewalt, gibt es kein merkbares Innehalten, wenig kritische Selbstreflexion, kaum tiefgründige Analyse. Stattdessen droht Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) dem Bund im Fall Griebnitzsee mit Klage, äußert Jakobs auf dem Parteitag nebulöse Filzvorwürfe gegen das Bundesfinanzministerium, weil es seine Seegrundstücke nach jahrelangem Gezerre nicht ohne weiteres an die Stadt verkaufen will.

Anders als Jakobs geht Ministerpräsident Platzeck in seiner Parteitagsrede indirekt auf die Pannenserie im Jahr der Oberbürgermeisterwahl ein. Dass Fehler passierten, sei beim Potsdam-Boom nicht verwunderlich, sagt er. Man dürfe nicht zulassen, „dass die grandiose Entwicklung nur durch diese Brille gesehen“ werde. Aus Fehlern, meint Platzeck, müsse man lernen. Darüber reden, Ursachen analysieren, Schlussfolgerungen ziehen. Genau das passiert in Potsdam bisher nicht.

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