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Landeshauptstadt: Papstvilla am Jungfernsee

Westlich der Heilandskirche wollte der „Romantiker auf dem Thron“ ein riesiges Kasino errichten

Stand:

Bei der Bootsfahrt über den Jungfernsee steigt am Sacrower Ufer links von der Heilandskirche ein gewaltiger Kasinobau auf, der mit seinen beiden Mitteltürmen entfernt an das Orangerieschloss von Sanssouci erinnert: die Villa Pia. Dieser Anblick wäre allerdings eine Fata Morgana, denn wie zahlreiche von König Friedrich Wilhelm IV. zur Aufschmückung der Landschaft vorgesehene Bauten blieb sie ein „Luftschloss“.

Die wirkliche Villa Pia steht in Rom. Ihren Namen hat sie nach Pius IV. (1499 - 1565, ab 1559 Papst), der sie in den vatikanischen Gärten errichten ließ. Heute dient sie als Sitz der Akademie der Wissenschaften des Kirchenstaates. Die um einen ovalen Innenhof gruppierte Villa hat seit jeher Bauherren, Architekten und in unserer Zeit auch Touristikunternehmer fasziniert. Heute tragen Hotels und Ferienhaussiedlungen nicht nur in Italien diesen Namen, in Österreich wurde sogar ein Kleingartenmusterhaus so benannt.

Friedrich Wilhelm IV. war sich zunächst nicht einig, wo er den Repräsentativbau platzieren sollte: am Pfingstberg oder am Sacrower Ufer. 1840 entschied er sich für den Standort westlich der dann 1843 fertig gestellten Heilandskirche; im April 1841 erhielt Ludwig Persius den Auftrag, nach königlichen Skizzen einen Entwurf anzufertigen. Auch diesmal hatte er die undankbare Aufgabe, die grandiosen Fantasien des „Romantikers auf dem Thron“ auf ein realisierbares Maß zu bringen. Der König akzeptierte zwar den Entwurf des Baumeisters, hatte aber allerlei Zusatzwünsche. Nachdem der fleißige Persius innerhalb weniger Tage diese Änderungen einarbeitete, bestand Friedrich Wilhelm nunmehr auf einem mittig angelegten Säulenhof. Das Spielchen wäre vielleicht weitergegangen, doch plötzlich verschwand das Vorhaben aus dem Gesichtskreis des Königs. In Persius Tagebuch wird es fortan kein einziges Mal mehr erwähnt.

War die Villa Pia auch passé, an Umgestaltungsplänen für den Sacrower Park und seine Bauten hielt Friedrich Wilhelm IV. fest. Er hatte das Gut im Jahr seiner Thronbesteigung (1840) von der Unternehmerfamilie Magnus erworben, die hier eine Essigbrauerei und eine Bleiweißfabrik betrieb.1842 legte ihm Peter Joseph Lenné einen „Verschönerungsplan vom Park zu Sacrow“ vor, der mit seinen Pflanzungen, Wegeverläufen und Sichtachsen weitgehend verwirklicht wurde. In der DDR-Zeit verwildert und für die Ausbildung von Zollspürhunden genutzt, ist er inzwischen durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auf die Lennésche Gestaltung zurückgeführt worden.

Die Bauten blieben allerdings zum größten Teil „Luftschlösser“. Verwirklicht wurde die „Heilandskirche am Port“. Im Stil eines italienisches Landhauses umgebaut wurde der Fährkrug, später als Ausflugsgaststätte „Zum Dr. Faust“ (so hieß der Betreiber) bekannt geworden und 1945 zerstört. Auch ein für die Bleiweißproduktion genutztes Stallgebäude wurde abgerissen und im Stil des Maschinenhauses im Park Babelsberg neu errichtet. Es ist nicht mehr erhalten. Gänzlich aufgeben wurde der Umbau des Herrenhauses in ein neogotisches Schloss mit Zinnenkranz. Dafür hatte Persius Ende 1843 einen Entwurf vorgelegt. Der König hatte es als Alterssitz für den romantischen Dichter Friedrich de la Motte Fouqué vorgesehen, doch der starb bereits 1843. So schmückt auch heute noch das 1773 unter Vorbesitzer Graf Johann Ludwig von Hordt errichtete frühklassizistische Herrenhaus in seinen schlichten und noblen Formen den Park. Mittel für die Restaurierung und eine neue Nutzung hat die Stiftung bisher dafür nicht gefunden. Der Ars Verein Sacrow bemüht sich, das Gebäude durch Veranstaltungen nicht gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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