Landeshauptstadt: Pate, Krähe und Z 1
Vorbote der friedlichen Revolution: die Ökumenische Versammlung 1988
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Die Staatssicherheit hatte für etwa 35 Potsdamer Friedensaktivisten des Jahres 1988, die sie im Operativen Vorgang „Quadrat“ observierte, Decknamen wie „Pate“ oder „Opa Grün“ ausgedacht. Die Unterstützer aus dem Westberliner Bezirk Zehlendorf wurden dagegen nüchtern Z 1, Z 2, Z 3 ... durchnummeriert. Darüber amüsiert sich der „Pate“, nämlich Martin Kwaschik, noch heute. Ins Fadenkreuz waren der evangelische Pfarrer ebenso wie der Katholik Manfred Kruczek durch ihre Teilnahme an der Regionalkonferenz der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung geraten, die am 12. November 1988 im Heilig-Kreuz-Haus in der Kiezstraße stattfand. Diese Bewegung forderte von der DDR-Obrigkeit einen offenen Dialog über politische Grundfragen.
Am damaligen Ort veranstaltete der Verein „Forum zur Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg “ genau 20 Jahre später eine Diskussion mit Kruczek und Kwaschick. Beide sehen die 1988er Versammlung als wichtigen Vorboten für die friedliche Revolution in der DDR. In Potsdam standen systemtragenden Einrichtungen wie der Stasi-Hochschule in Golm, der Pädagogischen Hochschule oder der Akademie für Staat und Recht zahlenmäßig kleine kirchliche Gruppen entgegen, so die katholische „Arche“, die evangelische „Schmiede“ und besonders der Friedenskreises des Kreiskirchenrates. Aus ihnen sei der Funke übergesprungen, der dann 1989 auch in Potsdam zur Massenbewegung führte, erklärte Kruczek. Pfarrer Kwaschik hatte damals für den 4. November die größte Demonstration für demokratischen Wandel organisiert, die jemals in der Stadt stattfand. Auch dass die Revolution friedlich verlief, wurde auf den kirchlichen Ursprung der Bewegung zurückgeführt.
Diese Sicht war einigen der Diskussionsteilnehmer zu eng. So wies Carsten Linke (bei der Stasi als „Krähe“ geführt) auf die von ihm mitbegründeten Gruppe Argus hin, die keinen kirchlichen Hintergrund hatte. Argus hatte sich auch erfolgreich gegen Flächenabrisse in der historischen Innenstadt eingesetzt. Andere Gäste des Abends machten auf die wachsende Unzufriedenheit der DDR-Bürger über die politischen Zwänge und den wirtschaftlichen Niedergang aufmerksam. Zudem habe die Aufdeckung des Wahlbetrugs, in Potsdam wesentlich durch Detlef Kaminski bewirkt, die Protestbewegung anschwellen lassen.
Die erst 27-jährige Linda Teuteberg, die die Moderation übernommen hatte, fragte die Zeitzeugen, ob sie von vornherein die deutsche Wiedervereinigung angestrebt hätten. Bis auf Kruczek, der den Zusammenbruch der DDR als unausweichlich vorausgesehen hatte, verneinten sie diese Frage. Es sei ihnen um die Demokratisierung der Verhältnisse gegangen. Angesichts der großen Ausreisewelle sei ihr Motto „Wir bleiben hier – verändern wollen wir“ gewesen.E.H.
E.H.
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