Landeshauptstadt: Persönliche Eitelkeiten
Johanna Neuperdt kritisiert Denkmalschutz und Bauverwaltung / Knobelsdorff-Dachstuhl abgerissen
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In der Potsdamer Bauverwaltung und der Unteren Denkmalschutzbehörde tanzen offenbar die Mäuse auf dem Tisch: Gestern erhob die ehemalige stellvertretende Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde, Johanna Neuperdt, gegenüber den PNN in einer Generalabrechnung schwere Vorwürfe gegen die Bauverwaltung und ihre eigene ehemalige Behörde. Neuperdt war 2006 in den Vorruhestand gegangen. Sie reagierte auf die vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erhobenen Vorwürfe, wonach Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sich persönlich für den Investor Jörg Zumbaum verwendet habe – an der städtischen Denkmalschutzbehörde vorbei.
Diese habe Zumbaum einen Bußbescheid über 500 000 Euro erteilen wollen, weil dieser am angeblich denkmalgeschützten Garten der Villa Gericke in der Puschkinallee ungenehmigte Veränderungen vorgenommen habe. Johanna Neuperdt zufolge gebe es jedoch in der Denkmalschutzbehörde keinerlei Nachweise für die Existenz eines historischen Weinbaugartens an den Pfingsberghängen der Villa Gericke. Dies wäre jedoch für eine Unterschutzstellung als Nachweis notwendig gewesen. Zumbaum, den sie als redlichen und sehr erfahrenen Liebhaber von Baudenkmalen beschrieb, habe lediglich an den Terrassen Sand wieder angebracht, der vom Regen herabgespült worden sei. Dabei seien wasserführende Schichten freigelegt worden, die Zumbaum wieder abgedeckt habe. Der daraufhin erfolgte Bußgeldbescheid sollte seitens der Unteren Denkmalschutzbehörde erhoben werden, „ohne die eigenen Schularbeiten zu machen“.
Nachdem Oberbürgermeister Jakobs in Gesprächen das Bußgeld verhinderte, ziehen untere Verwaltungsebenen offenbar andere Register: Zumbaum soll laut Neuperdt nun eine Baugenehmigung für die Villa Gericke beantragen. Bislang und auch schon zu ihrer Zeit habe Zumbaum die historische stark vom Schwamm befallene Villa auf Basis einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung saniert, da die sie im Bestand erfolgte. Zumbaum habe lediglich saniert und restauriert, jedoch nichts neu errichtet. Dass er eine ehemalige, vom Schwamm zerfressene hölzerne Turmtreppe durch eine eiserne ersetzen ließ, lässt Neuperdt als Grund für die Forderung nach einer nachträglichen Baugenehmigung nicht gelten. Dies sei lediglich ein Vorwand. „Man geht gegen den Mann aus persönlichen Eitelkeiten vor“, so Neuperdt. Zumbaum habe daraufhin „die Lust verloren“ und die Sanierung der Villa Gericke eingestellt. Auch vom Vorhaben, die Matrosenstation „Kongsnaes“ zu restaurieren, ein Drei- bis Vier-Millionen-Projekt, habe sich Zumbaum zurückgezogen. „Es gibt Strolche“ in der Branche, sagte Johanna Neuperdt, Zumbaum sei keiner von diesen. Das zeige nicht nur die Villa Gericke, sondern die aufwändige Sanierung der Villa Oppen in der Großen Weinmeisterstraße.
Neuperdt zufolge fehle es der Bauverwaltung „an Feingefühl“ gegenüber den Investoren. Dies sei auch bei Günther Jauch der Fall, der jüngst öffentlich gesagt hatte, er habe manches Denkmal nicht erworben, um bestimmten Sachberarbeitern kein zweites Mal begegnen zu müssen (PNN berichteten). Jauch habe Neuperdt zufolge erklärt, er wolle in Potsdam eine „Investitionspause“ einlegen. Daraufhin habe Stadtkonservator Andreas Kalesse Jauch einen Brief mit dem Kopfbogen des Oberbürgermeisters geschrieben, der nach Aussage von Neuperdt in etwa so gelautet haben soll: „Wir begrüßen, dass Sie eine Investitionspause einlegen. So haben Sie Zeit sich anzusehen, wie man Häuser richtig saniert.“ Dabei habe Jauch ebenso wie Zumbaum „jedes Haus als Denkmal geachtet“.
Andreas Kalesse zeigte sich gestern auf den Spiegel-Artikel angesprochen „verblüfft“. Jedoch wolle er sich nicht äußern.
Neuperdt erklärte gestern weiter, es gebe bezüglich der Investoren eine starke Ungleichbehandlung durch die Bauverwaltung. So habe vor zwei Jahren der Architekt Stefan Ludes, der derzeit die Villa Jacobs an der Bertinistraße als Privatvorhaben wiederaufbaut, in der Schlossstraße 12 straflos den letzten originalen Knobelsdorff-Dachstuhl abreißen dürfen. Weder die Untere noch die Obere Denkmalschutzbehörde seien informiert worden. Die Genehmigung für den Abriss des Knobelsdorff-Werkes habe die Untere Bauaufsicht gegeben. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699 bis 1753) hatte dem Potsdamer Stadtschloss das bekannte Aussehen verliehen, die Französische Kirche und Pläne für Park und Schloss Sanssouci entworfen. Er gilt neben Schinkel als wichtigste Persönlichkeit der Potsdamer und Berliner Baugeschichte.
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