Landeshauptstadt: Pfarrer Kunzendorf wird 80
Er hielt in Potsdam die Erinnerung an die Männer des 20. Juli 1944 wach
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Gerade hat Gottfried Kunzendorf den PNN-Beitrag über die Restaurierung eines Gemäldes von Franz Hillner (1745 - 1808) für die Katholische Kirche gelesen. Und schon fällt ihm ein: „Professor Hillner wurde bei uns auf dem historischen Friedhof beigesetzt.“ Leider sei die Grabstelle unbekannt, sagt der ehemalige Bornstedter Pfarrer. Eine Gedenktafel habe Hillner verdient, war er doch als Direktor der Berliner Akademie der Künste eine bedeutende Persönlichkeit. Den Potsdamern wurde er besonders durch sein Ölgemälde „Brand der Nicolaikirche“ (1802) bekannt.
So wie seit Jahrzehnten, setzt sich Kunzendorf also weiter für die Würdigung historischer Persönlichkeiten der Stadt ein. Heute wird der Pfarrer, der inzwischen mit seiner Frau im Pflegeheim auf Hermannswerder lebt, 80 Jahre alt. Er leidet an einer schweren Gehbehinderung. Sein Interesse vor allem für die Männer des Widerstands gegen Hitler, für kirchen- und stadthistorische Themen bleibt aber ungebrochen.
Schon bald nachdem er 1975 die Pfarrstelle in Bornstedt übernommen hatte, setzte Kunzendorf mit dem Zyklus „Sie ruhen auf dem Bornstedter Friedhof“ ein Zeichen für die Würdigung bekannter Potsdamer Persönlichkeiten. Ab 1984 folgten in der Bornstedter Kirche die alljährlichen Gedenkfeiern, später Gottesdienste für die Widerständler des 20. Juli 1944.
Auslöser war das Schicksal Kurt Freiherr von Plettenbergs, der in Bornstedt begraben liegt. Er hatte sich am 10. März 1945 aus einem Fenster des Gestapo-Gefängnisses in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße gestürzt, um nicht unter der Folter die Namen seiner Gesinnungsgenossen im Kampf gegen Hitler zu verraten. Gewürdigt wurden in den folgenden Jahren unter anderem Ulrich von Sell, Henning von Tresckow, Helmut James Graf von Moltke, Ernst von Harnack, Adolf Reichwein und viele andere Widerstandskämpfer.
Misstrauisch beobachtete die Staatssicherheit die Aktivitäten des Pfarrers, bei dem sie unter anderem Richard von Weizsäcker als Gast entdeckte. Doch Kunzendorf nutzte geschickt die damals einsetzende differenziertere Bewertung Preußens durch die DDR-Führung. In die Lücken zu stoßen, die das diktatorische System ließ, hatte er schon früh gelernt. Als er 1962 von seiner ersten Pfarrstelle in Luckau auf den Görden nach Brandenburg/Havel versetzt wurde, unterstellte ihm die Staatssicherheit ein „scheinbar progressives Auftreten“, um Vorteile für seine Kirchengemeinde herauszuholen.
Zwischen Berlin-Rummelsburg, wo er am Silvestertag 1930 als Pfarrerssohn geboren wurde, und dem Abschluss des Theologiestudiums an der Humboldt-Universität lagen zweimal Flucht, einmal aus dem schlesischen Grünberg (Zielona Gora) und dann von Berlin nach Lübecke in Westfalen. Dort nutzte er nach Kriegsende seine Schulkenntnisse, um für die Engländer zu dolmetschen. Wieder zurück in Berlin, machte Kunzendorf im Westteil sein Abitur, richtete sich auf eine Tischlerlehre ein und wurde dann doch im Osten zum Studium zugelassen. Zwischen den beiden Pfarrexamen half er die Rappbodetalsperre zu errichten und war im Weißenseer Werk „7. Oktober“ E-Karrenfahrer.
Seit 1957 ist Gottfried Kunzendorf mit seiner Frau Christel verheiratet. Mit Jörg heute – Pfarrer in Nordnorwegen – und Andrea gingen aus der Ehe zwei Kinder hervor. Seinen Geburtstag zu Silvester hat Gottfried Kunzendorf nicht allzu häufig gefeiert, denn als Pfarrer riefen ihn meist dienstliche Pflichten. Den 80. Geburtstag wird er im Familienkreis begehen. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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