Von Henri Kramer: Pfeifkonzert für Jakobs
Mehrere hundert Mitarbeiter der Stadtverwaltung beteiligen sich an erstem Warnstreik für mehr Lohn
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Mehrere hundert Angestellte der Potsdamer Stadtverwaltung haben gestern für mehr Lohn gestreikt. Dazu hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen, die Aktion dauerte von 11 Uhr „bis Feierabend“. Höhepunkt war eine Demonstration vom Stadthaus zum Luisenplatz mit zunächst 500 Teilnehmern. Bei der zentralen Warnstreik-Kundgebung am Brandenburger Tor waren um 13 Uhr rund 800 Menschen anwesend – nicht nur aus dem Rathaus, sondern auch aus den Verwaltungen der Umlandgemeinden.
Der Streik war auch als Signal für den morgigen Mittwoch gedacht. Ab 17 Uhr verhandelt die Gewerkschaft erneut im Potsdamer Kongresshotel am Templiner See mit den Arbeitgebern des Bundes und der Kommunen über einen neuen Tarifvertrag. Bisher gibt es keine Annäherung.
Die vielfältigen Streitpunkte in dem Tarifkonflikt spiegelte auch die Kundgebung in Potsdam wieder. „Wir wollen eigentlich nicht viel“, verteidigte Potsdams Personalratschefin Cornelia Pilz die Forderung von Verdi nach fünf Prozent mehr Gehalt. Zudem müsste es für die Auszubildenden in der Verwaltung eine verbindliche Übernahmeregelung geben sowie für Ältere wieder die Möglichkeit der Altersteilzeit, so Pilz. „Dafür haben wir das Recht zu demonstrieren.“
Für die Gegenseite argumentierte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der als Vorsitzender des Verbandes der Kommunalen Arbeitgeber des Landes Brandenburg beim Tarifpoker mitverhandelt. Ein Pfeifkonzert setzte ein, als Jakobs die Gewerkschaftsforderungen als „nicht finanzierbar“ bezeichnete. Laut der Verwaltung würde ein Fünf-Prozent-Abschluss für die rund 1700 Mitarbeiter der Landeshauptstadt den Potsdamer Haushalt mit drei Millionen Euro zusätzlich belasten.
Mehr Entgegenkommen zeigte Jakobs beim Thema Azubi-Übernahme. „Das ist nachvollziehbar – wir in Potsdam machen das aber schon.“ Alles Weitere müsse verhandelt werden. Dagegen wandte sich Jakobs gegen die erneute Einführung der Altersteilzeit. „Das ist ein Instrument, wenn Personal abgebaut wird – wir aber brauchen neue Angestellte.“ Deswegen sei die Forderung unpassend. Den Gewerkschaftern warf Jakobs vor, ihre Forderung nicht plausibel begründen zu können.
Einig waren sich die Verdi-Vertreter und Jakobs bei ihren Reden über einen Verantwortlichen für die leeren Kassen von Städten wie Potsdam – die neue Bundesregierung. „Wegen ihrer Politik stehen die Kommunen vor einem Scherbenhaufen“, so Verdi-Landesbezirkschefin Susanne Stumpenhusen. Jakobs nannte die Steuerpolitik der schwarz-gelben Koalition sogar „skandalös“ – er hoffe, die Menschen würden dagegen nicht nur bei Tarifverhandlungen auf die Straße gehen.
Unterschiedlich waren die Motive der Demonstranten gestern. Fabian Kockoy befindet sich gerade im letzten Ausbildungsjahr und arbeitet im Gesundheitsamt: „Wenn ich fertig bin, ist meine Zukunft ungewiss“, sagte der 19-Jährige. Robert Werner aus der Schulverwaltung protestierte gegen die von den Arbeitgebern angebotene Erhöhung des Prämientopfes: „Damit wird nicht mehr gerecht nach Leistung, sondern nur noch nach Nase gezahlt.“ Wieder die Chance auf Altersteilzeit wünschte sich Elvira Feustel vom Ordnungsamt der Stadt. Auch Mitarbeiter der Stadt- und Landesbibliothek und vom Bürgerservice streikten. Jakobs sagte den PNN, die Stunden im Streik müssten nachgearbeitet werden oder würden nicht bezahlt. Gewerkschaftsmitglieder konnten an Verdi-Ständen Streikgeld beantragen.
Ob und wann in Potsdam wieder gestreikt wird, ist unklar. Verdi-Bezirkschef Marko Pavlik sagte: „Wenn es am Mittwoch keine Einigung gibt, hoffe ich auf ein offizielles Schlichter-Verfahren – vor einem richtigen Streik müssten wir deren Ergebnis zunächst abwarten.“
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