Landeshauptstadt: Pilotprojekt
Seit zehn Jahren ist der Behlerthof 14c ein betreutes „Mehrfamilienhaus“ – mit Erfolg
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Jägervorstadt - Das Haus Behlerthof 14c mit seinen acht Wohnungen ist ein Mehrfamilienhaus der besonderen Art. 16 Personen mit dauerhaften leichten bis mittelschweren geistigen Problemen zwischen 21 und 73 Jahren wohnen dort, jeweils zwei teilen sich in einer Wohnung Bad und Küche und haben einen eigenen Wohnraum. Als die Theodor-Fliedner-Stiftung vor zehn Jahren das betreute Wohnen in Angriff nahm, startete sie damit ein Pilotprojekt, beispielhaft für das ganze Land Brandenburg. Jetzt gratulierte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller zum runden Geburtstag und ließ sich erzählen, ob es eine Erfolgsstory geworden ist.
„Wir hatten mehr Angst als unsere Schutzbefohlenen und dachten, wenn wir ihnen keine Mahlzeiten bringen, würden sie uns glatt verhungern“, erzählt die Fachbereichsleiterin der Stiftung Lajana Reck und gibt zu bedenken: „Die ersten sieben Mieter waren aus einem Heim in die Belehrtstraße gekommen und bisher rundherum versorgt worden.“ Es stellte sich aber heraus, dass sie sehr schnell lernten, für sich selbst verantwortlich zu sein. Liane Köhler (49), die verstärkt unter Angstzuständen litt, sie aber weitgehend überwunden hat, lebt seit sechs Jahren im Behlerthof. Sie hatte sich gewünscht, selbstständiger zu werden, kann inzwischen allein einkaufen gehen, Wäsche waschen und sie sorgt liebevoll für ihre Katze Molli. Mit ihrer Mitbewohnerin versteht sie sich gut und als Mitglied im Hausbeirat kümmert sie sich darum, dass die Neueingezogenen mit den Gegebenheiten und der Hausordnung zurechtkommen. Außer den drei Rentnerinnen haben alle Hausbewohner eine Arbeit in geschützten Bereichen.
Die beiden Rentnerinnen Ingelore Krause und Elisabeth Langwald leben schon seit zehn Jahren im Haus und sind Freundinnen geworden. „Das Kochen besorge ich“, sagt Ingelore Krause, das schaffe ihre Mitmieterin nicht mehr. Man hört gemeinsam Musik oder sieht fern. Wellensittich Jacko ist der dritte im Bunde. Die Hausbewohner werden an ihren Arbeitsstätten in der Woche mit Essen versorgt, am Wochenende wird dann gemeinsam gekocht und im Aufenthaltsraum gegessen. „Die meisten suchen die Gemeinschaft und brauchen sie auch“, erläutert Lajana Reck. Drei feste Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Betreuung gewährleistet ist und dass auch gemeinsame Reisen und Ausflüge organisiert werden. „Wir können da Vorschläge machen“, sagt Liane Köhler. Allein würde sie jedenfalls nicht verreisen. Liane Köhler spielt auch noch in der Hausband Konga und gemeinsam tritt man bei Gottesdiensten auf. 14 junge Leute haben es über die zehn Jahre geschafft, sich ganz aus der betreuten Wohnform zu lösen und eine eigene Wohnung zu beziehen. Sie nutzen ambulante Betreuungsformen, schauen aber auch immer noch in der Behlertstraße vorbei.
Aufbauend auf diesen Erfolg, hat die Fliedner-Stiftung vor sechs Jahren ein weiteres Projekt in Babelsberg in Angriff genommen und will dort jetzt noch Apartments für betreutes Wohnen anmieten. Das Entgegenkommen der Wohnungsunternehmen, in der Behlertstraße ist es die Wohnungsgenossenschaft 1956, sei sehr gut, allerdings wünscht sich die Stellvertretende Geschäftsführerin der Fliedner- Stiftung im Land Brandenburg, Helga Hintzke, dass es für den Bereich Eingliederungshilfen ein Netzwerk geben sollte.
Elona Müller sagte zu, sich dafür einzusetzen und alle Partner an einen Tisch zu holen. Sie begrüßte, dass den behinderten Menschen ein Leben in größtmöglicher Normalität angeboten wird und erklärte: „Sie haben hier etwas ganz Besonderes geschaffen.“ Das Signal, das vor zehn Jahren ausgesendet wurde, sei auf fruchtbaren Boden gefallen. Inzwischen gebe es eine ganze Reihe von betreuten Wohnformen. Hella Dittfeld
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