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Landeshauptstadt: Planungen inzwischen oft hinfällig

Stiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh über Dresden, Radfahren in den Parks und die Kritik des Bundesrechnungshofes

Stand:

Dresden droht wegen der geplanten Waldschlösschen-Brücke von der Welterbeliste gestrichen zu werden, wie Potsdam vor einigen Jahren. Ein Deja-Vu-Erlebnis für Sie, Herr Dorgerloh?

Ich sehe mit einer gewissen Sorge, dass in Dresden bisher Land, Stadt und die verschiedenen Initiativen für den Erhalt des Welterbes keine Lösung gefunden haben. In Dresden sollte auch möglich sein, was in Potsdam seit Mitte der 90er Jahre möglich ist, nämlich ein Interessenausgleich zwischen Stadtentwicklung und dem Schutz des Welterbes.

Sie sehen Parallelen zum Streit um Potsdam-Center und Glienicker Horn?

Ja, die gibt es durchaus. Aber eins ist in Dresden anders als in Potsdam. Hier wurde um private Investitionen gestritten. In Dresden ist die öffentliche Hand, die in dieser Frage Vorbild sein müsste, selbst der Bauherr. In Potsdam wurde als Lehre aus dem damaligen Streit eine Leitplanung für die Umgebung des Welterbes entwickelt, auf der bei aktuellen Konflikten etwa um den Parkplatz am Krongut, um Freiflächen am Glienicker Horn oder die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke zurückgegriffen werden kann.

Potsdam ist in dieser Hinsicht Dresden voraus?

Beim Schutz des Welterbes ist Potsdam offenbar weiter als Dresden. Heute ist das Miteinander in der Stadt, das Verhältnis zwischen der Stiftung und dem Rathaus ein ganz anderes. Man trifft sich, und man hört aufeinander. In Potsdam hat man im Großen und Ganzen Wege gefunden, bei Projekten im Umfeld der Schlösser und Gärten behutsam vorzugehen, Rücksicht auf das Welterbe zu nehmen und trotzdem zeitgenössischer Architektur Raum in dieser Stadt zu geben. Ein wunderbares Beispiel ist das neue Theater vis á vis des Babelsberger Parks.

Die Zeiten, wo Potsdam die gelbe Karte der Unesco drohte, sind endgültig vorbei?

Ja, Verhältnisse wie jetzt in Dresden wären in Potsdam nicht mehr möglich, selbst wenn in der Umgebung der Schlossparks gebaut wird. Sorgen bereitet uns heute, das Welterbe selbst zu erhalten, nämlich die teilweise stark sanierungsbedürftigen Königsschlösser wie Babelsberg, das Neue Palais oder die Orangerie.

Sie haben dafür eindringlich um mehr Geld geworben – allerdings wirft der Bundesrechnungshof der Stiftung in seinem Prüfbericht 2006 vor, seit Jahren unwirtschaftlich zu arbeiten. Aufgeführt wird zum Beispiel, dass in zehn Jahren 7,7 Millionen Euro für das Neue Palais ausgegeben wurden, aber die Gebäudehülle immer noch nicht in einwandfreiem Zustand ist – weil der Sanierungsbedarf nicht richtig erfasst wurde.

Die Kritik richtet sich nicht an uns, sondern an unsere Zuwendungsgeber – den Bund und die Länder Berlin und Brandenburg. Im Bericht steht, dass die Stiftung sich seit Jahren mit den notwendigsten Reparaturen an den Schlössern begnügen muss, weil einfach nicht mehr Geld da ist. Die Stiftung wird so zu unwirtschaftlichem Handeln gezwungen.

Es gab keine Mängel bei der Planung für die Sanierung der Schlösser, wie es der Bundesrechnungshof aufführt?

Nein. Aber es gibt Planungen, die schon zehn, fünfzehn Jahre alt sind. Sie sind jetzt oft hinfällig, weil die Schäden sich ausbreiten. Da ist die Kritik des Bundesrechnungshofs berechtigt. Aber das heißt nicht, dass die Stiftung Geld zum Fenster herausgeworfen hat. Natürlich wäre es sinnvoller gewesen, schon früher eine Gesamtplanung zu machen. Damit hat der Stiftungsrat uns jetzt beauftragt, und sie ergibt, dass wir 738 Millionen Euro brauchen.

Als Ergebnis haben Sie das Sonderinvestitionsprogramm für die Schlössersanierung aufgelegt, für das Bund, Berlin und Brandenburg jetzt mehr Geld geben sollen?

Ja, das hat dazu geführt, dass besonders der Bund mehr Geld geben will. Das erwartet er aber auch von den Ländern.

Hat die Stiftung vorher keinen Überblick gehabt, wie kaputt die Schlösser sind?

Für eine Gesamtplanung haben die Kapazitäten gefehlt, finanziell und personell. Die Stiftung hat sich auf die neu dazu gekommenen Schlösser wie Rheinsberg und Paretz konzentriert und nicht in dem Maße auf den „Altbestand“.

Der Bundesrechnungshof hat vorgeschlagen, dass sich neben der Brandenburger Bauverwaltung auch das Bundesbauministerium um die Stiftung kümmern soll. Schaut der Bund der Stiftung jetzt verstärkt auf die Finger?

Wir haben jetzt neu den Staatssekretär des Bundesbauministeriums im Stiftungsrat. Das haben wir uns gewünscht, weil wir von den Erfahrungen des Bundes mit großen Sanierungsvorhaben wie der Berliner Museumsinsel profitieren. Denn wir sanieren ja nicht kleine Schlösser, sondern wir arbeiten quasi am offenen Herzen: Wir sanieren wichtige Schlösser wie das Neue Palais bei laufendem Betrieb.

Gleichzeitig müssen Sie offenbar doch weiter ein Auge auf die Welterbe-Umgebung haben – denn so ganz behutsam scheinen Potsdams Stadtväter doch nicht zu sein. Bei den Planungen für das frühere Haus der Offiziere der russischen Truppen gegenüber dem Eingang vom Park Sanssouci zum Beispiel musste sich erst die Denkmalpflegevereinigung Icomos einschalten, bevor die Pläne geändert wurden. Sind Fälle wie dieser wirklich nur Ausrutscher?

Ich will da nichts schönreden. Natürlich gibt es vereinzelt bei Bauvorhaben, insbesondere wenn sie unmittelbar am Welterbe liegen, auch Konflikte. Andererseits hat auch die Stiftung ein Interesse daran, dass solche nicht gerade repräsentativen Ecken vor den Parktoren wie etwa am Haus der Offiziere verschwinden. Es geht um Stadtreparatur in der Umgebung des Welterbes, die nur mithilfe von privaten Investoren möglich ist. Das erfordert Abstimmungen, das ist normal. Ich halte auch nichts davon, bei jedem Konflikt nach der Unesco oder Icomos zu rufen. Zu allererst sind die zuständigen Institutionen und Gremien in der Stadt gefragt.

Das Verhältnis der Stiftung zur Bevölkerung scheint trotzdem gelitten zu haben, seit Sie härter die Parkordnung durchsetzen. Wie passt das zusammen?

Es gab Kommunikationsprobleme. Leider ist dabei untergegangen, dass die Stiftung sich geöffnet hat und Bedürfnissen etwa von Radfahrern entgegen gekommen ist. Ich erinnere daran, dass Radfahren vorher strikt verboten war. Wir haben jetzt ein liberaleres Reglement – aber auch eines, das durchgesetzt werden soll. Man kann nicht in der Umgebung der Schlossparks nach der Unesco rufen und drinnen so tun, als sei es gar kein Welterbe. Potsdam ist nicht wegen dem Schloss Sanssouci auf der Welterbe-Liste, sondern wegen der einzigartigen Garten- und Parklandschaft insgesamt.

Der Streit konzentriert sich besonders auf den Park Babelsberg, wo man jahrzehntelang alles durfte. Warum lehnen Sie den Vorschlag der Stadt ab, mit städtischen Mitteln die bisherige Schiebestrecke zu einem ordentlichen Radweg auszubauen?

Ich habe von diesem Antrag der SPD-Fraktion in der Zeitung gelesen. Ein offizielles Ansinnen der Stadt an die Stiftung gibt es bislang nicht und somit auch keine Ablehnung. Aufgabe der Stiftung ist es dennoch, die Gärten nach ihrer historischen Anlage wiederherzustellen und nicht nach heutigen Freizeitbedürfnissen. Wir können nicht einfach Lennés Wege verbreitern.

Also keine Kompromissbereitschaft?

Doch, die Stiftung überarbeitet gerade die gartendenkmalpflegerischen Konzepte für die drei großen Potsdamer Parks Sanssouci, Babelsberg und Neuer Garten. Wir werden Ende 2007 damit fertig sein. Dann wissen wir auch, welche Angebote wir machen können. Wenn die Stadt bereit ist, finanzielle Leistungen für Schutz und Pflege der Gärten zu erbringen, wären wir schlecht beraten, dies einfach abzutun.

Was könnte möglich sein?

Die Diskussion konzentriert sich auf ein Thema: Radfahren. Im Moment untersuchen wir daher gerade, wo wie viele Menschen mit dem Fahrrad fahren, so dass wir eine bessere Datengrundlage bekommen. Zum anderen wollen wir noch einmal sehen, wie andere Welterbeanlagen mit dieser vielschichtigen Problematik umgehen. Es geht um den Schutz der Anlagen, aber auch um eine Balance zwischen Radfahrern, Fußgängern und Touristen, damit man sich nicht gegenseitig behindert. Wir werden nicht alles für die Radfahrer öffnen und Radfahren auch nicht strikt verbieten. Da ist Bewegung drin, man kann über Strecken reden, über Zeiten, über Personengruppen. Es muss eine einfache Regelung sein, die man gut den Besuchern vermitteln kann. Das ist im Übrigen nicht nur unsere Angelegenheit. Die Stiftung hat auch Wünsche an die Stadt.

Zum Beispiel?

Nötig wäre ein Radwegekonzept für Potsdam, das auch die Schlossparks miteinander verbindet. Ich kann Eltern verstehen, wenn sie ihre Kinder mit dem Rad durch den Neuen Garten zur Schule schicken, wenn es ringsherum keinen Meter Radweg gibt. Unabhängig von der Debatte um die Parks läge es auch im Interesse der Stadt, dass man in Potsdam mehr Wege mit dem Rad zurücklegt als mit dem Auto. Ob Radfahren oder Baden: Eine Lösung für eigentlich unverträgliche Nutzungen in den Parks kann es nur geben, wenn man Alternativen an anderen Stellen in der Stadt findet.

Das Plädoyer des Schlösserchefs für ein Freibad im Buga-Park?

Ich hätte nichts dagegen. Die Richtung stimmt, auf dem Buga-Gelände gibt es ja schon Grillplätze. Solche Angebote müssten erweitert werden, um den Nutzungsdruck auf den Neuen Garten zu verringern. Die Gärten sind nicht nur für die Potsdamer und Berliner da. Sie sind mit ihren Millionen Besuchern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es liegt auch daran, dass es Potsdam im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten besser geht.

Sie wollen mit der Stadt auch über Verkehrsprobleme im Umfeld der Parks verhandeln. Wo brennt es konkret?

Es geht zum Beispiel um die Autokolonnen rings um die Historische Mühle. Da gibt es an den Wochenenden katastrophale Zustände, wenn der Parkplatz überfüllt ist. Oder auch am Neuen Garten, mit der Straße zum Cecilienhof. Man könnte die Beschilderung verbessern, aber auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Im Moment fahren zunehmende private Tourenanbieter durch Potsdam. Ich freue mich über jeden, der solche Angebote macht. Trotzdem muss man aufpassen, dass bei den Stadtführungen die Qualität der Inhalte nicht leidet. Wenn ich manchmal so höre, was aus den Buslautsprechern kommt – da werden viele Preußenklischees bedient. Und die Geschichte vom „Müller von Sanssouci“ kann man ja erzählen, aber bitteschön, als Anekdote.

Sie reklamieren die Deutungshoheit bei den Stadtführungen?

Überhaupt nicht. Uns geht es nicht um ein Monopol. Die Qualität insgesamt muss stimmen. Da gibt es zu große Unterschiede. Der Besucher nimmt nicht wahr, ob es die Stiftung, die Stadt oder ein privater Anbieter ist. Bei der Stadt und bei uns geht es in der Qualität, zum Beispiel in der Mehrsprachigkeit nach oben. Und das muss auch bei anderen Anbietern gelten.

Das Interview führte Sabine Schicketanz

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