Homepage: Platzwechsel geplant
Jens Nindel arbeitete neben dem Jura-Studium als Kraftfahrer im Innenministerium Brandenburgs
Stand:
Jens Nindel arbeitete neben dem Jura-Studium als Kraftfahrer im Innenministerium Brandenburgs Von Ulrike Strube Sein Gesicht ist blass. Er hat rote Augenringe. Jens Nindel sieht müde aus. Hinter ihm liegen Monate des Paukens und der Anspannung, kurz sein erstes Juristisches Examen. Allwöchentlich arbeitete er zusätzlich zwanzig Stunden in der Woche als Kraftfahrer für das Brandenburgische Innenministerium. Nun, wo er sich von dem Stress der Prüfungen erholen könnte, trifft er Freunde. „Das Leben ist kurz, schlafen kann ich später“, sagt er scherzend. Der Abend liegt über Potsdam. In einem Szenecafé in Potsdams Innenstadt bestellt er sich ein kleines Pils und zündet sich eine Zigarette an. Jens Nindel beginnt zu erzählen. Er ist Potsdamer und 32 Jahre alt. Nach der zehnten Klasse wollte er Kraftfahrer werden und Geld verdienen. Das Abitur hätte er mit einer „guten Zwei“ auf dem Zeugnis nur unter der Bedingung „25 Jahre zur Armee“ ablegen können, sagt er. Er nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Doch das lockte ihn gar nicht. Er wollte eben lieber Kraftfahrer werden. Vielleicht würde es ja auch klappen für Deutrans zu arbeiten. Die ehemalige Spedition der DDR übernahm Transporte in den Westen. Und da seine Familie keinerlei Kontakte zum „nichtsozialistischen Ausland“ pflegte, bestanden Chancen auf den begehrten Job. Autofahren begeisterte den gebürtigen Potsdamer bereits von klein auf. Mit zehn Jahren durfte Jens Nindel zum ersten Mal hinters Steuer. Auf einem Truppenübungsplatz überließ ihm sein Vater das Lenkrad seines Trabbis. „In der 5. Klasse beschloss ich Busfahrer zu werden“, erinnert sich der angehende Jurist. Zunächst wurde Jens Nindel Landmaschinen- und Traktorenschlosser, dann ging er zur Armee. Seinen Grundwehrdienst leistete er einen Monat bei der Nationalen Volksarmee und elf Monate bei der Bundeswehr. Im Anschluss arbeitete er ein Jahr als Schlosser im Fahrzeugbau. Damals suchte das Brandenburgische Innenministerium Kraftfahrer. Er bewarb sich, stellte sich vor und wurde Mitarbeiter des Ministeriums. Seit 13 Jahren fährt er nun Dinge und Angestellte quer durch die Republik – von der Landeshauptstadt nach München, Frankfurt am Main, Rostock oder auch Dresden. Und das meistens an einem Tag. Das macht ihm nichts aus. „Ich habe ja Standzeiten“, erklärt er. Dann schließe er die Augen und verfalle in einen erholsamen Kurzschlaf. Die Tage sind durchaus lang. Zwischen den einzelnen Tagen müsse mindestens eine elf stündige Ruhezeit liegen. Nindels Augen beginnen zu leuchten. Er fängt an zu schwärmen. „Die Arbeit macht mir Spaß.“ Der Fuhrpark ist groß. Je nach Anlass lenkt er Kleintransporter oder Limousinen, trägt Jeans oder Anzug. Abermals greift er zur Zigarettenschachtel, lässt seinen Blick über die Nachbartische schweifen. Vor gut zehn Jahren hatte er sich dann entschlossen, das Abitur an der Abendschule nachzuholen, erzählt er und steckt sich dabei die Zigarette an. „Wollte die Chance nicht verpassen.“ Als die Frage nach dem Studienfach im Raum stand, entschied er sich für Jura. Während seines Studiums an der Universität Potsdam habe er sich oft mit den Ministerialen auf den langen Fahrten über Jura unterhalten. Zirka 250 Juristen arbeiten im Brandenburger Innenministerium, beschäftigen sich mit Verwaltungsahngelegenheiten, polizeilichen Aufgaben und der Kommunalaufsicht. Zahlreiche Tipps und Hinweise habe er erhalten. Natürlich gab es auch Gespräche über Internes. „Das bleibt im Auto“, hieß es dann. Nicht mal unter Kollegen wurde über das Gehörte und Gesagte gesprochen. Seit Mai ist Jens Nindel im Referendariat, für den Fahrer-Job bleibt keine Zeit mehr. Nach dem Referendariat würde er gerne im Innenministerium anfangen. Damit wäre dann auch ein Wechsel der Sitzplätze im Auto verbunden, meint er lachend: „Von vorne links nach hinten rechts“. Jens Nindel schaut auf die Uhr und bestellt sich noch ein kleines Pils.
Ulrike Strube
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: