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Links und rechts der Langen Brücke: Pleiten, Pech und Pannen

Thorsten Metzner meint, dass SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs ein Jahr vor der Kommunalwahl einen schweren Stand hat

Stand:

Was ist in Potsdam los? Ein Jahr vor der Kommunalwahl häufen sich Pleiten, Pech und Pannen. Nach einer Kette von Fehlschlägen in der jüngsten Zeit – ob der erst im dritten Anlauf vom Stadtparlament beschlossenen Bau des neuen Landtages, die auf Eis liegenden Pläne für das Niemeyer-Spaßbad oder die öffentliche Generalabrechnung von TV-Moderator Günther Jauch an der Bau- und Denkmalbürokratie – macht Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) keine glückliche Figur. Er kann und will auch gar nicht bestreiten, dass es zurzeit nicht gut läuft, ihm der Wind immer rauer ins Gesicht weht. Seine Antwort: Er will das Rathaus weiter umkrempeln und beim Landtagsbau nicht locker lassen. Augen zu und durch?

Was im Potsdamer Elfeinbeinturm kaum registriert wird: Der Kontrast zu den anderen größeren Städten im Land fällt schon auf. Während man in Frankfurt (Oder) eine Solarfabrik nach der anderen ansiedelt, Brandenburg an der Havel eine ehrgeizige Bewerbung für die Bundesgartenschau 2015 durchzieht, in Cottbus nach zehnjährigen Querelen jetzt ein Einkaufszentrum errichtet wird, sorgt Potsdam regelmäßig für andere Schlagzeilen. Die jüngste: Das Hamburger Magazin „Spiegel“ wirft Jakobs willkürliche Vorzugsbehandlung eines Investors vor. Der Oberbürgermeister habe per Dienstanweisung veranlasst, dass dieser vorrangig seine Steuerbescheinigung erhält, auf die andere ewig warten müssen. Zwar hält Jakobs dagegen, dass alles korrekt abgelaufen ist. Aber selbst wenn das stimmen sollte, wäre sein Problem nicht kleiner: Er macht keinen Hehl aus seinem Verdacht, dass sich die Vorwürfe auf gezielte Indiskretionen aus der Bau- und Denkmalbehörde stützen müssen – wo man, wie die Spatzen von den Dächern pfeifen, gegen Jakobs opponiert. In der Rathausspitze ist die Rede von einem „Racheakt“ des Denkmalamtes, weil der Oberbürgermeister sich nach der Generalkritik von Jauch gegen die eigene Verwaltung gestellt und eine externe Überprüfung angeordnet hatte.

Das alles passt ins Gesamtbild der Potsdamer Zustände. Man scheiterte mit der Bewerbung als „Stadt der Wissenschaft“, die „Biosphäre“ musste Insolvenz anmelden, das Niemeyer-Bad wird zur unendlichen Zitterpartie. Was bedenklich stimmt: Fast immer ist jene für Potsdam typische Melange im Spiel von mangelndem Realismus gepaart mit Selbstüberschätzung und handwerklichem Unvermögen.

Doch die Gründe der Pannenserie liegen tiefer, in lokalen Strukturen und Mentalitäten. Die Stadtverwaltung ist verkrustet, daran hat sich, egal, wer seit 1990 regierte, nicht viel geändert. Die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung, wo die PDS stärkste Fraktion ist, sind schwierig und unberechenbar wie eh und je. Diese Blockaden bekam selbst Jakobs“ Vorgänger Matthias Platzeck in seiner Amtszeit zu spüren. Auch er – das Kurzzeitgedächtnis dieser Stadt hat es inzwischen vergessen – scheiterte mit Vorlagen und Personalien.

Aber auch das jetzige Stadtoberhaupt zeigt in seiner Amtsführung Schwächen, die Abstimmung in der Stadtspitze, mit der eigenen Fraktion und Partei lässt zu wünschen übrig. Kein Wunder, dass der Vorwurf lauter wird, er überrumple zu oft, verprelle selbst Wohlmeinende mit vollendeten Tatsachen. Ganz zu schweigen davon, dass das Baudezernat – im Gesamtkunstwerk Potsdam ein Schlüsselressort – schlecht besetzt ist. Steuert Potsdam auf vorgezogene Oberbürgermeisterwahlen zu, wie manche meinen? Ach was. Bei aller Kritik: Jakobs macht keinen so schlechten Job, dass ihn die Potsdamer abwählen würden und der Stadt geht es – trotz Rathaus- und Stadtpolitik – dafür viel zu gut. Aber für Jakobs, und besonders für seine Sozialdemokraten, wird die Situation trotzdem kritisch. 2008 wird ein neues Kommunalparlament gewählt. Und die PDS kann sich – dank der Steilvorlagen aus dem Rathaus – beste Chancen ausrechnen, wieder stärkste Partei zu werden. Jüngst konnte PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, der bei der Oberbürgermeisterwahl 2002 nur mit hauchdünnem Rückstand gegen Jakobs unterlag, einen besonderen Triumph feiern: Nicht der Oberbürgermeister, sondern Scharfenberg verkündete öffentlich die 30-Millionen-Investition eines neuen Porta-Einrichtungshauses mit 250 Jobs in Potsdam. Schwere Zeiten für Stadtoberhaupt Jann Jakobs.

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