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Landeshauptstadt: Plötzlich Prinzessin

Im Ferienkurs der Schlösserstiftung lernen junge Mädchen, sich königlich zu kleiden und zu benehmen

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Eine Dreiviertelstunde hat das Ankleiden gedauert. Dann stehen sie da: sechs Mädels in rauschenden Kleidern, ausladende bunte Roben über Korsett und Spitzenwäsche. So ähnlich dürften die kleinen Hoheiten im 18. Jahrhundert ausgesehen haben. Beim Ferienkurs der Schlösserstiftung probieren derzeit sechs Mädchen, wie es sich als Königskind wohl gelebt haben mag.

Das „Prinzen- und Prinzessinnentraining im Park mit Kostümen, Kronen, Fächern und Vergnügungen“ begann am vergangenen Montag, am heutigen Donnerstag ist der letzte Tag in und am Neuen Palais im Park Sanssouci. Renate Müller-Schäfer, Schauspielerin und Theaterpädagogin, fungiert dabei als Erzieherin des royalen Nachwuchses. Auch sie steckt in einem bodenlangen Kleid, zeigt den Kindern die sogenannten Poschen – also Hüftpolster, die unter dem Rock sitzen und die Silhouette verbreitern. „Ich habe sogar Stäbchen im Korsett, ich muss gerade sitzen, nicht so lümmeln wie ihr“, sagt sie zu den Mädchen.

Doch an den vier Tagen geht es nicht nur darum, schön auszusehen, einmal den Tagtraum Prinzessin zu leben. „Die Kinder erfahren, wie man früher so lebte, was es für Spielzeug es gab in Zeiten ohne Computer und Nintendo, was man im Garten spielte. Sie lernen, wie man sich damals benehmen musste, beispielsweise wie man einen Hofknicks macht.“ Müller-Schäfer achtet vor allem darauf, dass die Mädchen immer hübsch entspannt bleiben. Nur keinen neuzeitlichen Stress – eine kleine Dame hatte würdevoll zu schreiten. Das wird immer wieder geübt und klappt am dritten Tag schon ganz gut. Aber natürlich mussten Kinder auch damals ab und zu toben. „Dabei trugen sie dann bequeme Kleidung und keine Perücke“, sagt die Kursleiterin. Im Schloss war extra dafür ein Tobe- und Turnraum eingerichtet, so groß wie ein mittlerer Saal. Gleich am ersten Tag wurde die Königswohnung im Obergeschoss des Neuen Palais besichtigt, eine kleine Sonderführung durch Räume, die sonst geschlossen sind. Die Mädchen können sich nun vorstellen, wie man damals so lebte, wissen, dass jede Prinzessin eine Zofe hatte und gleich mehrere Kammerfrauen. „Also nicht gleich selbst an den Kleidern herumzupfen, wenn es mal irgendwo kneift – dafür war die Kammerfrau da“, ermahnt Müller-Schäfer.

Am Mittwoch geht es nach dem Ankleiden in den Park, auf die Wiese zwischen Besucherzentrum und der Straße am Neuen Palais. Das bunte Trüppchen mit den weißen Perücken erregt sofort Aufmerksamkeit. Touristen fotografieren, ein Sightseeingbus hält kurz an, Radfahrer steigen ab und schauen zu, wie die Kinder bei einem Spiel gesittet über die Wiese tollen. Auch eine Art Bluttest hatte Renate Müller-Schäfer vorbereitet: Ein Buch auf dem Kopf balancierend musste jedes Mädchen über eine kleine Wippe balancieren. Wenn das Buch nicht herunterfiel, habe man blaues Blut in den Adern, sagt Müller-Schäfer, Voraussetzung für eine echte Prinzessin.

Blaues Blut vermisst hier allerdings keiner. Die Ferienkinder aus Potsdam, Berlin-Wannsee und Schöneberg, sechs bis neun Jahre alt, finden den Ausflug in die Vergangenheit zwar gut. „Aber heute zu leben ist besser als damals“, sagt eine von ihnen. Denn irgendwann juckt die Perücke, und es ist an diesem schwülwarmen Sommertag für die langen Kleider doch etwas heiß. Da helfen auch die Fächer aus duftendem Sandelholz nur wenig. „Und damals haben die nur Puder und Parfüm genommen, heute kann ich duschen, wann ich will“, sagt eine junge Mademoiselle.

Außerdem haben auch Prinzessinnen irgendwann Hunger. Damit die schönen Kleider, die die Schlösserstiftung extra für diese Workshops anfertigen ließ, nicht bekleckert werden, muss man zum Essen jedoch zurück in die Jetztzeit. Also raus aus Fischbein, Spitze und Brokat, zurück in bequeme T-Shirts und kurze Hosen. Dann werden Brotbüchsen geöffnet, Sandwiches und Obst ausgepackt.

„Morgen beim Picknick im Park gibt es einen Kuchen“, sagt Renate Müller-Schäfer. Und irgendwo in dem Kuchen ist eine Bohne versteckt, wer sie findet, wird Bohnenkönig – und Bestimmer für einen Tag. Außerdem ist für den letzten Tag ein Spaziergang rund um das Neue Palais geplant, im Heckentheater wollen sie Theater und Musizieren und Singen ausprobieren, auch einige historische Kinderspiele. Spielzeug für drinnen und überhaupt einiger prinzlicher Schnickschnack liegt schon bereit, Würfelspiele und Hölzchen, die Tiergeräusche erzeugen, Vogelgezwitscher, Eulenrufe, wenn man sie geschickt an Schnüren rotieren lasst. Sonnenschirme und Handschuhe, Masken und Beutelchen gehören ebenfalls zur Ausstattung – manches davon wird im Kurs gebastelt und kann mit nach Hause genommen werden. Aber Prinzessin für immer, das müsse nicht sein, sagen die Mädels. Sie schwärmen von Filmen wie Sissie und Cinderella, aber sie leben im Jetzt, sprechen über Karategürtel und ihr Hobby Tanzen. Das immerhin ist zeitlos, und obwohl ihnen die Herren dazu fehlen, werden sie ein paar höfische Tanzschritte im Park ausprobieren. „Aber schreiten, nicht rennen“, ermahnt Müller-Schäfer geduldig.

Vom 20. bis 22. August findet in Potsdam ein Mal-Workshop mit der Potsdamer Künstlerin Jana Feiler statt. Anmeldung dazu sowie Information zu weiteren Ferienworkshops und Kinderführungen in Potsdam, Schloss Paretz und Schloss Königs Wusterhausen unter www.spsg.de.

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