Landeshauptstadt: Polit-Krimi um Zwangsabgabe
Uneinigkeit in der SPD, Kehrtwende bei den Grünen: Vor der Abstimmung über Tourismusabgabe oder Bettensteuer ist keine Mehrheit in Sicht
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Dramatischer Showdown im Stadtparlament: Am kommenden Mittwoch sollen die Stadtverordneten zuerst über die Tourismusabgabe abstimmen. Scheitert diese, was wahrscheinlich ist, gibt es ein Votum zur Bettensteuer – und auch bei diesem Thema ist eine Mehrheit nach PNN-Recherchen keineswegs sicher. Mit den Einnahmen aus einer der Abgaben will die Stadtverwaltung die eine Million Euro ausgleichen, die sie ab 2014 fünf Jahre lang an die Schlösserstiftung zahlt. Mit dieser im Juni geschlossenen Vereinbarung war ein Zwangseintritt für den Park Sanssouci verhindert worden. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bekannte angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse: „Ich bin genervt.“ Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie sind die Mehrheitsverhältnisse?
In der Stadtverordnetenversammlung gibt es für die Tourismusabgabe keine Mehrheit. Einzig Jan Wendt, Chef der kleinen Fraktion Die Andere, sagte den PNN auf Anfrage, er halte die Tourismusabgabe im Vergleich zur Bettensteuer für gerechter und sinnvoller. Auch dürfte die Linke als größte Oppositionsfraktion für die Abgabe stimmen. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg will allerdings zuvor die von der Stadtspitze kurzfristig vorgelegten Änderungen zur Tourismusabgabe noch überprüfen. Diese Diskussion wolle man aber konstruktiv begleiten, sagte Scharfenberg.
Dagegen sagten Vertreter von CDU, Grünen, FDP, Bürgerbündnis und Potsdamer Demokraten den PNN, einer Tourismusabgabe würden sie nicht zustimmen. Damit würden vor allem die Potsdamer belastet und nicht die Touristen, erklärte etwa CDU-Fraktionschef Horst Heinzel. Auch die SPD stellt sich gegen Jakobs. Bei einer Probeabstimmung am Montagabend habe sich eine klare Mehrheit gegen die Tourismusabgabe gestellt, bestätigte SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Dagegen habe die Bettensteuer eine Mehrheit gefunden. Unklar ist aber, ob das im Stadtparlament für eine Mehrheit reicht.
Denn für die Bettensteuer – als dem kleineren Übel im Vergleich zur Tourismusabgabe – sprachen sich am Dienstag neben der SPD nur CDU und Potsdamer Demokraten aus. Doch die Stimmen von SPD, CDU und Demokraten reichen nicht. Vertreter der FDP und vom Bürgerbündnis kündigten wie schon in den vergangenen Monaten an, sie würden beide Zwangsabgaben ablehnen. Einen Parkeintritt halten sie für eine bessere Lösung.
Für die Linke-Fraktion ließ Scharfenberg offen, wie bei der Bettensteuer abgestimmt werde. Allerdings sagte er deutlich: „Die Bettensteuer ist eine Sackgasse.“ Die SPD sei als regierungstragende Partei in der Verantwortung, eine Mehrheit zu organisieren. Auch Wendt von Die Andere hält die Bettensteuer nicht für praktikabel.
Die Grünen, die noch im Sommer für die Millionen-Zahlung an die Schlösserstiftung gestimmt hatten, vollzogen am Montagabend eine erstaunliche Kehrtwende. In der Fraktion sei einstimmig beschlossen worden, sowohl die Bettensteuer als auch die Tourismusabgabe abzulehnen und nun doch für den Parkeintritt zu votieren, sagte der Grünen-Stadtverordnete Peter Schüler. „Manche Entscheidungen brauchen diesen Reifeprozess.“ Jüngst hatte sich bereits der Grünen-Kreisverband gegen die Tourismusabgabe ausgesprochen. Die Abgabe sei gegen den breiten Widerstand in der Stadt nicht durchzusetzen, so Schüler. Noch im August hatte er erklärt, die Fraktion tendiere eher zur Tourismusabgabe. Die von der Stadt vorgelegte Bettensteuer wiederum erscheine der Fraktion rechtswidrig, so Schüler. Daher müsse nun nach Einsparungen gesucht werden, um die Zahlungen an die Schlösserstiftung zu gewährleisten – oder der Vertrag mit ihr gekippt werden.
Ohne direkt die Grünen zu nennen sagte Jakobs bei der Pressekonferenz, es gleiche einer „Flucht aus der Verantwortung“, erst für Zahlungen an die Schlösserstiftung zu stimmen und sich dann gegen beide Finanzierungsvarianten zu stellen. Die Grünen sind zusammen mit der SPD, der CDU und der FDP in der Rathauskooperation organisiert.
Was ist die Tourismusabgabe?
Von einer Tourismusabgabe wären etwa 15 000 Unternehmen betroffen, die von den jährlich 18,5 Millionen Tagestouristen in Potsdam profitieren. Die Höhe der Abgabe wäre je nach Umsatz und Lage gestaffelt. Unterm Strich würde die Stadt etwa zwei Millionen Euro im Jahr einnehmen – bei einem Verwaltungsaufwand von rund 250 000 Euro. Ein Hotel müsste für eine Million Euro Umsatz voraussichtlich 1680 Euro im Jahr zahlen, ein Schuhgeschäft in der Innenstadt mit 100 000 Euro rund 120 Euro. Jakobs kündigte an, zunächst solle eine Mustersatzung beschlossen werden. Dann erst könne die Stadt aus juristischen Gründen über eine Erhöhung der Bagatellgrenzen von derzeit zehn Euro verhandeln – das hatte die Industrie- und Handelskammer gefordert. Laut Jakobs kostet die Ausstellung eines Abgabenbescheids mehr als 20 Euro.
Was ist die Bettensteuer?
Eine Bettensteuer von fünf Prozent des Preises würde für die rund 500 000 Übernachtungen von Touristen fällig. Durch sie würden etwa 1,3 Millionen Euro in die Stadtkasse fließen, die Verwaltungskosten liegen bei 100 000 Euro.
Welche Risiken drohen?
Branchenverbände wie die Handwerkskammer, der Handelsverband und der Dehoga wollen sich sowohl gegen die Tourismusabgabe als auch die Bettensteuer wehren und Unternehmer bei Klagen unterstützen. Mit juristischen Auseinandersetzungen rechnet auch die Stadtverwaltung. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) sagte, jede Variante berge verschiedene juristische Risiken. So gibt es ein aktuelles Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die Bettensteuer der Stadt Dortmund auf private Hotel-Übernachtungen gekippt hatte.
Das größte Risiko aus Sicht von Jakobs ist aber, dass sich für die Tourismusabgabe wie bereits im Juni keine Mehrheit finden lässt – und auch die Bettensteuer durchfällt. Für diesen Fall kündigte er ab Anfang 2014 eine Haushaltssperre an. Dann müsste die Stadt prüfen, wo eine Million Euro bei freiwilligen Leistungen – etwa in den Bereichen Kultur und Sport – gespart werden kann. Und das kurz vor der Kommunalwahl.H. Kramer (mit dpa)
H. Kramer (mit dpa)
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