Streit ums Kulturgutschutzgesetz: Politiker wollen Hasso Plattners Sammlung in Potsdam halten
Politik und Kunstszene reagieren bestürzt auf Hasso Plattners Ankündigung, seine Privatsammlung womöglich in Kalifornien zu lassen statt sie im Potsdamer Palast Barberini zu zeigen. Es hagelt Kritik am geplanten Kulturgutschutzgesetz.
- Peer Straube
- Johannes Radke
Stand:
Potsdam - Die Ankündigung von Mäzen Hasso Plattner, seine wertvolle Kunstsammlung im Falle eines neuen Kulturgutschutzgesetzes nicht im Palast Barberini auszustellen, ist in Potsdam mit Entsetzen und Bestürzung aufgenommen worden. Politiker aller Parteien sprachen von einem immensen Verlust, sollte der milliardenschwere Unternehmer seinen Schritt wahr machen. Zugleich erhielt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) aus der Stadtpolitik Rückendeckung für seinen Feldzug gegen das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) geplante Gesetz. Es sieht unter anderem vor, dass die Ausfuhr in Deutschland befindlicher Kulturgüter von nationalem Rang schärfer reglementiert werden soll.
Kulturgutschutzgesetz gefährde Plattners Sammlung
Plattner sieht in dem Gesetz wie berichtet eine Gefahr für den Wert seiner Privatsammlung, die nach seinem Tod dauerhaft im Palast Barberini ausgestellt werden soll. Das stadtbildprägende Gebäude vis-à-vis vom Landtagsschloss, dessen Fassade und Kupferdach Plattner gespendet hat, wird derzeit äußerlich originalgetreu wieder aufgebaut. Der SAP-Gründer hat seine Sammlung, die rund 250 Bilder, hauptsächlich des Impressionismus und der Klassischen Moderne umfasst, über Jahrzehnte zusammengetragen. Rund 150 hält er selbst für museumsreif, darunter Meisterwerke von Renoir, Monet und Nolde. „In keinem deutschen Museum gibt es eine solche Sammlung, auch nicht in Berlin“, hatte Plattner den PNN gesagt.
Würde das Gesetz von Grütters umgesetzt, verlöre seine Sammlung einen erheblichen Teil ihres Wertes, befürchtet Plattner. Gegenüber den PNN hatte er erklärt, in diesem Fall im kalifornischen Palo Alto ein neues Museum zu bauen und seine Sammlung dort auszustellen.
"Nicht nur für Potsdam eine Katastrophe"
„Das wäre nicht nur für Potsdam eine Katastrophe“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert am Sonntag den PNN. Der Oberbürgermeister liege richtig mit seinem Kurs, „an den richtigen Stellen Krach zu schlagen und die Leute wachzurütteln“. Wie berichtet hatte Jakobs noch am Freitag einen Brief an Grütters und SPD-Chef Sigmar Gabriel geschrieben. Darin warf er Grütters staatliche Bevormundung vor und sprach von einem „kulturpolitischen Skandal allerersten Ranges“, sollte Plattner seine Sammlung nicht in Potsdam ausstellen. Jakobs forderte von Grütters die Rücknahme des Gesetzes, zumindest aber radikale Veränderungen an dem Papier.
Unterstützung dafür gab es auch von CDU-Fraktionschef Matthias Finken. Es wäre zu begrüßen, wenn „die Interessen von Potsdam in dem Gesetz berücksichtigt werden könnten“, sagte er den PNN. Der Verlust der Plattner-Sammlung wäre für Potsdam sehr bedauerlich. Rückendeckung erhielt Jakobs auch von Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg: „Ich freue mich, dass der Oberbürgermeister da aktiv ist“, sagte der Linken-Fraktionschef. Er werde auch als Mitglied der Landtagsfraktion seiner Partei darauf drängen, dass das Gesetz zu Fall gebracht oder radikal überarbeitet werde, so Scharfenberg. Bei der Linken-Bundestagsfraktion wolle er sich dafür ebenfalls einsetzen. Sollte Potsdam die Sammlung tatsächlich verlieren, wäre das „außerordentlich bedauerlich“.
Wicklein: Keinen Anlass für voreilige Rückzugsüberlegungen
Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein zeigte sich überzeugt, dass sich Plattners Befürchtungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ausräumen lassen. Noch handele es sich lediglich um einen Entwurf, so Wicklein. In dem Papier solle zudem „ausdrücklich geregelt werden, dass die Interessen des Kunsthandels und der privaten Sammler bei der Erweiterung der Liste nationaler bedeutender Kulturgüter mitberücksichtigt werden. „Er gibt aus meiner Sicht aber keinen Anlass für voreilige Rückzugsüberlegungen, was das von Hasso Plattner geplante Kunstmuseum in der Potsdamer Innenstadt betrifft“, so Wicklein.
Grütters’ Sprecher Hagen Philipp Wolf versuchte am Wochenende ebenfalls, Plattner zu beruhigen. Dieser solle warten, bis der offizielle Gesetzentwurf vorliege. „Dann wird er sehen, dass seine Sammlung durch die Gesetzesnovelle gar nicht betroffen sein wird.“ Neu an dem Gesetz sei nur eine erforderliche Ausfuhrgenehmigung in den europäischen Binnenmarkt, wenn ein Kunstwerk einen bestimmten Wert und Altersgrenzen überschreite. Die Ausfuhr in den außereuropäischen Markt sei so schon seit 1992 geregelt und funktioniere ohne Probleme.
Auch Potsdam Museum auf Schenkungen angewiesen
Die Direktorin des Potsdam Museums, Jutta Götzmann, sagte den PNN, ihr Haus sei wie auch andere Museen in Deutschland auf Dauerleihgaben und Schenkungen angewiesen, um die Sammlungen auszubauen und attraktiv zu halten. Diese Übergaben beruhten auf „einem Vertrauen in die Kenntnisse und Wertschätzung der Kulturwissenschaftler und Kulturträger, ein Vertrauen, das nicht gelenkt werden kann“. Alle Umstände, die eine Minderung dieses Vertrauens nach sich zögen, müssten daher „dringend überprüft“ werden, so Götzmann. Das Potsdam Museum hatte erst in der vergangenen Woche 22 Bilder des DDR-Malers Bernhard Heisig aus einer Privatsammlung erhalten.
Gerrit Gohlke, Geschäftsführer des Brandenburgischen Kunstvereins, hält Plattners Ankündigung für einen Warnschuss. Noch sei die Sammlung nicht verloren. Leihgaben wie jene aus der Samlung Bill Gates, auf die Plattner verweist, sind von einem deutschen Gesetz gar nicht betroffen. „Das zeigt, dass wir weniger Emotionen und viel mehr konstruktive Diskussionen brauchen.“
Verunsicherung ist groß
Plattner hatte erklärt, in den USA sei die Verunsicherung durch die in Deutschland geführte Debatte schon jetzt groß. Unter diesen Bedingungen sei es sehr schwer, Privatsammler wie Gates dazu zu bewegen, Leihgaben für eine Ausstellung in Deutschland zu finden. Wie berichtet soll das Museum Barberini 2017 mit einer großen Ausstellung von Werken des Impressionismus und der Klassischen Moderne eröffnet werden. Dort will Plattner den größten Teil seiner Sammlung zum ersten Mal überhaupt öffentlich zeigen, danach sollte sie erst nach dem Tod des Mäzen wieder nach Potsdam kommen – dann aber für immer. Für die Eröffnungsausstellung sollen auch Werke privater Leihgeber nach Potsdam kommen. Wegen des Gesetzes sei auch diese Schau in Gefahr, hatte der Mäzen erklärt.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Ein- und Ausfuhr von Kunstwerken neu regeln. Demnach sollen in Zukunft auch Ausfuhren in EU-Länder genehmigungspflichtig werden. Werke dürfen nur exportiert werden, wenn sie nicht als national wertvolles Kulturgut eingestuft sind. Was darunter zu verstehen ist, müssten unabhängige Expertenkommissionen klären. Ist eine Ausfuhr beispielsweise in die USA geplant, greift künftig eine EU-Richtlinie, nach der etwa ein Gemälde, das älter als 50 Jahre und einen Wert von über 150 000 Euro hat, eine Ausfuhrgenehmigung braucht.
Massive Kritik am Gesetzentwurf
Künstler wie Gerhard Richter und Georg Baselitz, aber auch private Sammler wie der Berliner Rechtsanwalt Peter Raue hatten bereits massive Kritik an dem Gesetzentwurf geübt, Baselitz hatte als Konsequenz seine sämtlichen Dauerleihgaben aus deutschen Museen abgezogen. Raue geißelte das Gesetz als den „schlimmsten Schlag gegen den Kunsthandel in der Geschichte der Bundesrepublik“. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten.
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