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Sport: Popp musste wieder nach Hause Faszination Eisen

Potsdams AC-Gewichtheber feiern ihr 60-jähriges Vereinsjubiläum

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Kamen-Kaiserau - Die Idylle in der beschaulich gelegenen Sportschule Kaiserau trügt. Nadine Angerer stöhnt schon nach der ersten Trainingseinheit beim EM-Casting der deutschen Fußballerinnen über Muskelkater. „Ich bin ganz schön kaputt“, verrät die deutsche Torfrau, die sich trotz der Vorbereitungsschinderei auf die EM in Schweden freut. „Dass man vorher hart arbeitet, gehört halt dazu.“ Die 33 Jahre alte Nationaltorhüterin ist mittlerweile die älteste Spielerin im DFB-Team – und nach wie vor die „Gute-Laune-Tante“.

Aus dem erweiterten EM-Kader fehlen beim bis zum 8. Juni dauernden ersten Lehrgang im westfälischen Kamen nur Anja Mittag, die noch in der schwedischen Liga für den FC Malmö gefordert ist, und die nachnominierte Sara Däbritz. Die erst 18 Jahre alte Freiburgerin – die Jüngste im Kader – muss in der Schule noch Prüfungen bewältigen, bevor sie zum zweiten Lehrgang in Essen und Paderborn (12. bis 20. Juni) zur Mannschaft stößt. Wie wichtig Cheftrainerin Silvia Neid nach der bitteren WM-Pleite das kontinentale Kräftemessen in Schweden (10. bis 28. Juli) ist, zeigt die Entscheidung, Alexandra Popp wieder nach Hause zu schicken. Der Star der U 20-WM von 2010 war angeschlagen zum Gesundheitscheck und Fitnesstest am Sonntag angereist. Zwar gewann Popp - vermutlich mit schmerzstillenden Spritzen - trotz eines frischen Bänderrisses im Sprunggelenk mit dem VfL Wolfsburg vor knapp zwei Wochen noch das Champions-League-Finale gegen Lyon. Doch für die Anforderungen bei einem großen Turnier reicht es nicht. Gut sieht es für die Rekonvaleszentinnen Lira Bajramaj und Simone Laudehr aus.

Von den 28 EM-Kandidatinnen - darunter vier Torfrauen - werden nach den Testspielen in Essen gegen Schottland (15. Juni) und in Paderborn gegen Kanada (19. Juni) fünf gestrichen. Die Nominierung des 23er Aufgebots erfolgt am 20. Juni. Den letzten Lehrgang in München (24. Juni bis 3. Juli) und den Abschlusstest gegen Weltmeister Japan in der Allianz Arena (29. Juni) will Neid schon mit dem endgültigen EM-Kader bestreiten. Am 7. Juli bricht das Team zum ersten Spielort Växjö auf. dpa

„Es ist diese Faszination, das sture Stück Eisen da zu bezwingen“, sagt Lothar Janzen und begründet damit seine Liebe zum Gewichtheben. Eine Liebe, die er beim Atletic Club Potsdam mit 120 Gleichgesinnten teilt. Der 89-Jährige gehört zwar nicht mehr zu den 35 Athleten des Vereins, die Wettkämpfe bestreiten; der Senioren- Weltmeister von 1997 und -Europameister von 2005 – damals war er 81 – ist aber das dienstälteste Mitglied des AC, der am Samstag sein 60-jähriges Bestehen feiert.

Als Lothar Janzen, der 1939 daheim im damaligen Ostpreußen Gefallen am Hantelsport gefunden hatte, nach dem Krieg in Potsdam landete, fand er schnell den Weg zu den hiesigen Hebern, die sich im Sommer 1953 der damaligen Betriebssportgemeinschaft Aufbau Potsdam des BMK Ost anschlossen. „Vom ersten Tag an war ich nicht dabei. Gründungsvater war Lehrmeister Max Sternberg, der damals im Frühjahr auf dem Potsdamer Bauhof mit fünf Lehrlingen und einer alten Scheibenhantel zwischen hohen Holzstapeln mit dem Training begann“, erinnert sich Janzen. „Ich kam ein paar Wochen später dazu und war dann der erste Mann; die anderen waren ja noch Jugendliche.“ Beim Bauarbeitersportfest auf dem Sportplatz nahe der Glienicker Brücke hatten die Heber ihr erstes öffentliches Auftreten. Allmählich fanden sich weitere Interessenten zum Training ein, und schon 1956 erkämpften Manfred Klotz, Heinz Kurmann und Horst Weber die ersten Medaillen bei einer Deutschen Jugendmeisterschaft. 1958 wurden Horst Weber und Jürgen Gottschalk gar Deutsche Jugendmeister. In den darauffolgenden Jahren gab es weiterhin reichlich Edelmetall für die Aufbau-Athleten. „Da auch die Mannschaft leistungsmäßig vorankam, entschlossen wir uns zur Teilnahme an der 2. DDR-Liga“, so Janzen. „Zunächst zahlten wir dort Lehrgeld, aber die knallharten Ligakämpfe formten die Mannschaft, sodass wir zuletzt ungeschlagen Tabellenführer wurden und mit 2225 Kilo einen Rekord in der 2. Liga aufstellten, der für Aufsehen sorgte.“ Aufbau wurde daraufhin sofort in die 1. DDR-Liga eingestuft. „Dort erreichten wir gleich und zweimal hintereinander das DDR-Ligafinale“, weiß Lothar Janzen heute noch.

Internationale Kämpfe gegen Mannschaften aus Schweden, Polen und der Sowjetunion waren Höhepunkte im Vereinsleben, aber die Heber kümmerten sich in ihrer Heimstatt im Keller der Schwimmhalle am Brauhausberg auch weiter um den Nachwuchs. Peter Schröter und Heiko Bader wurden Deutsche Jugendmeister.

Mit der politischen Wende im Herbst 1989 wurde diese Entwicklung unterbrochen. Die BSG Aufbau löste sich auf, aber einige Heber machten im neu gebildeten AC Potsdam weiter – und wie. „Junge Leute mit Schwung und Ideen wagten mit viel Elan den Neuanfang“, meint Lothar Janzen rückblickend. Alte Recken wie er, wie Hermann Gall, Jörg Rast, Wilfried Neitzel, Fred Schieweck waren und sind bei den Masters erfolgreich. Und Andreas Anker, der 1984 bei Aufbau begann, leistet seit Jahren gemeinsam mit Volker Seyffer eine sehr gute Trainerarbeit am Landesstützpunkt.

„Fünf unserer Talente gehen inzwischen auf die Sportschule Frankfurt (Oder), heben aber weiter für den AC“, so Anker. Die Jungen starteten schon erfolgreich bei deutschen Jugendmeisterschaften, internationalen Turnieren – beim „Bernsteinstange“-Cup am vergangenen Wochenende in Kaliningrad wurde der AC Dritter der Teamwertung – und in der 2. Bundesliga, in die Potsdam 2007 wieder aufstieg. Rund 75 Medaillen gewann der AC seit 1990 bei Deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften vom Nachwuchs bis zu den Masters.

Am Samstag wird nun das Vereinsjubiläum mit einem Turnier verschiedener Altersklassen ab 12 Uhr im Heberkeller der Schwimmhalle gefeiert. Lothar Janzen wird dabei natürlich nicht fehlen. Er amtiert dann als Kampfrichter. Michael Meyer

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